Erstes Hofkino des Bezirksarbeitskreises Backnang in Murrhardt-Steinberg: Passend zum ländlichen Ambiente mit Bauernhaus, Ziegenduft und Rinderbratwurst zeigte das Evangelische Bauernwerk den Film „Die letzte Sau“. Über 100 Marktkunden, Praktikanten, Landwirte und Vereinsmitglieder fanden sich bunt gemischt im stimmungsvoll beleuchteten Wacholderhof zusammen.
Das erste Hofkino fand richtig guten Anklang. Viele kamen auf den Wacholderhof, um den Film zu sehen und zu diskutieren. Foto: U. Gruber
Von Ute Gruber
MURRHARDT. „Schatz, bisch du’s?!“ kann in manchen Lebenslagen definitiv der falsche, an den Ehepartner gerichtete Satz sein. Das muss die Frau des bankrotten Dorfmetzgers Willi erfahren, als sie den maskierten Bankräuber in der Sparkassenfiliale anspricht. In die Enge getrieben, richtet der Entlarvte sein Jagdgewehr gegen sich selbst. So wechseln sich in der Tragikkomödie „Die letzte Sau“ blutig-dramatische Szenen mit lustigen ab.
Tragischer Held der Geschichte ist der junge Bauer Huber auf der Alb, der den heruntergewirtschafteten Kleinbetrieb seiner Eltern weiterbetreibt, „weil er glaubt, dass er hier sein eigener Herr ist“. Doch muss er feststellen, dass das Erwirtschaftete selbst nach dem Verzicht auf jeglichen Luxus zum Überleben nicht reicht und lässt sich verzweifelt von der Bank einen Wohlfühlkredit anbieten, um die Pfändung abzuwenden. Als Schuldiger an der Misere wird beispielhaft der Großmäster im Ort dargestellt, dessen blonde Tochter sich sehr für den Jungbauern interessiert. Der Großbauer verdirbt mit seiner Massenproduktion die Preise. „Schlimmer geht immer“, denn noch während der Beerdigung seines Metzgerfreunds Willi, mit dem er die Auffassung geteilt hat, „Ä Viech isch ä Viech, wie de Mensch au“, schlägt ein Meteorit ins Dorf ein: „Huber, i glaub, des war bei dir.“ Aus den Ruinen seines Anwesens rettet er die Tracht seiner Vorfahren und eine letzte Sau, die er kurzerhand in den Beiwagen seiner alten BMW packt. Fortan zieht er als Gesetzloser durchs Land: „Mer kann net immer machen, was mer will, aber d’r Huber tut’s trotzdem.“
Unterwegs trifft er immer wieder Gesinnungsgenossen, sodass er mit der Zeit die vom Gemeindepfarrer bei Willis Beerdigung ausgegebene Devise „Still sein und ertragen“ über Bord wirft und in martialischer Kriegsbemalung „So geht’s nicht weiter“ auf Stallwände sprüht und Schlachtschweine und Rinder befreit. Dabei findet er teils recht anarchistische Nachahmer, „und so isch dem Huber ä Revolution passiert“. Der rothaarige Milchbub aus dem Dorf ist im Lauf des Films zum entschlossenen, bärtigen Wikinger mutiert.
Der Film lebt von seiner plakativ überspitzten Darstellung, die dargestellten landwirtschaftlichen Hintergründe sind teilweise fragwürdig, eine Lösung bietet der Film nicht an. „Des do isch au än Scheißdreck“, stellt Hubers Jungbäuerin am Ende auf der zerstörten Großmastanlage in Brandenburg fest, „aber besser wie der Scheißdreck vorher“. Was genau sie nun besser findet, bleibt unklar, aber immerhin finden die beiden am Schluss zueinander.
Die Zuschauer in der offenen Scheune sind gespaltener Ansicht über den Film. „Wir halten extra fünf Meter Abstand von Gewässern, und die Revoluzzer da baden sich die Spritzbrüh im See ab. Da sterben ja die ganzen Fische! Was ist da jetzt schlimmer?“, mokiert sich ein Landwirt über die seiner Ansicht nach hanebüchene Darstellung der Landwirtschaft. „Überhaupt: Was soll der Bauer da überhaupt spritzen, im reifen, sauberen Getreide? Und was hat das mit Bienen zu tun?“, sagt er. Durch die ständigen Anfeindungen in neuerer Zeit scheint mancher Landwirt besonders empfindlich geworden zu sein.
Die vielen weniger Sachkundigen lässt der Film etwas ratlos zurück. Sie könnten sich in die Lage des Jungbauern gut hineinversetzen und die Lebensmittelpreise in Deutschland seien bekanntermaßen zu niedrig. Man habe aber hier ja selbst in der Hand, was man einkaufe, so einige Rückmeldungen.
Der Brückenschlag und die Begegnung von Landwirt und Verbraucher ist wichtiger denn je
Bezirksbauernpfarrerin Renate Dinda, die den Film für diese Premiere ausgesucht hat, weist darauf hin, dass es selbst im konventionellen Bereich viele Labels für bessere Haltung gäbe. „Etwa 300 Muttersauen braucht ein Familienbetrieb inklusive Altenteiler heute, um existieren zu können“, zitiert sie einen befreundeten Ferkelerzeuger aus dem Hohenlohischen mit 200 Muttersauen. Größe sage nicht unbedingt etwas über das Tierwohl, das Ganze sei lediglich deutlich anonymer. David Burkhardt vom gastgebenden Wacholderhof sieht den Film als in weiten Teilen zwar stark übertrieben, bestätigt aber die Tatsache, dass durch den Strukturwandel Existenzen bedroht seien, selbst auf dem biologisch wirtschaftenden Sektor, zu dem der Hof selbst gehört. Lösungsorientiert fragt er sich allerdings: „Wo bleibt die Kreativität bei den Landwirten? Auch für kleine Betriebe gibt es Nischen und interessante Betriebskonzepte.“ Er erzählt beispielhaft von einem Acht-Hektar-Betrieb, der mit Stutenmilch sein Einkommen erwirtschaftet. „Gerade für kleine Betriebe ist der Dialog mit den Verbrauchern ganz wichtig. Hier bekommt man wichtige Impulse.“ Auch den ratlosen Verbrauchern rät er den direkten Kontakt zum Erzeuger: „Kaufen Sie auf dem Wochenmarkt ein oder besuchen Sie mal einen Landwirt in Ihrer Nähe.“
Auch der besagte Ferkelerzeuger wünscht sich „wieder mehr Vertrauen in die heimische Landwirtschaft“, liest Pfarrerin Dinda vor, „wir haben strengere Gesetze in Deutschland und mehr Kontrollen als jedes andere EU-Land. Vom Rest der Welt ganz zu schweigen“.
Bildungsreferentin Melanie Burkhardt vom Evangelischen Bauernwerk in Hohebuch jedenfalls ist begeistert vom großen Interesse an der Veranstaltung: „Wir hatten nur mit halb so vielen Zuschauern gerechnet!“ Sie freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit Michael Stuber, der die Veranstaltung nutzte, um sich als neuer Leiter des Landwirtschaftsamts im Rems-Murr-Kreis vorzustellen. Durch seinen landwirtschaftlichen Hintergrund ist ihm die gute Ausbildung der Landwirte ein großes Anliegen. Der Glaube verbinde ihn mit den Zielen und Grundsätzen des Evangelischen Bauernwerks: „Als Bauer hat man doch einen täglichen Bezug zur Schöpfung.“ Hart sei es, dass gerade diese Menschen derzeit ständig öffentlich am Pranger stünden.
Das Hofkino jedenfalls war ein voller Erfolg. Auch dies könnte ein mögliches neues Konzept sein. Und dazu bräuchte man noch nicht mal einen Hektar Fläche.