Dialektforscher Hubert Klausmann

„Bester Kenner des Schwäbischen“

Bei der Verabschiedung von Sprachforscher Hubert Klausmann würdigte der Ministerpräsident die Verdienste des gebürtigen Breisgauers um die Mundart. Glücklicherweise gilt: Niemals geht man – in diesem Fall „goht mr“ – so ganz.

Ein „Veschperbrittle“ (Vesperbrett) zum Abschied: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der beschenkte Sprachforscher Hubert Klausmann (links)

© Universität Tübingen/Friedhelm Albrecht

Ein „Veschperbrittle“ (Vesperbrett) zum Abschied: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der beschenkte Sprachforscher Hubert Klausmann (links)

Von Jan Sellner

Wenn’s um Dialekte geht, führt an Hubert Klausmann kein Weg vorbei. 15 Jahre lang leitete er die Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft. Keinen universitären Elfenbeinturm, sondern einen sehr nahbaren Ort, wo man erforscht, wie den Menschen der Schnabel gewachsen ist.

Als Sprachforscher und Sprachversteher hat Klausmann sich dort einen Namen gemacht. Folgerichtig berief Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihn im Rahmen seiner 2018 gestarteten Dialektoffensive zu einer Art-Mundartberater. Über die Forschung hinaus konnte er vieles bewirken. In den Worten von Kulturwissenschaftler Reinhard Johler: „Er hat für ganz normale Menschen etwas beigetragen.“ Bei Klausmanns Verabschiedung in der Eberhard-Karls-Universität würdigte Kretschmann den 69-jährigen gebürtigen Breisgauer jetzt gebührend: „Schön, dass ein gebürtiger Badener zum besten Kenner des Schwäbischen werden kann“, sagte er.

Er stärkte das Selbstbewusstsein von Dialektsprechern

Zu Klausmanns Verdiensten zählt, dass er das Bewusstsein „für gleichberechtigte, regionale Varianten der Standardsprache“ stärkte und damit auch das Selbstbewusstsein von Dialektsprechern. „Wir können beides: Dialekt und Hochdeutsch in süddeutscher Form“, sagte Klausmann-Schüler Kretschmann in Anspielung auf die frühere Imagekampagne des Landes und betonte: „Varietät ist das Normale“.

Solche Erkenntnisse setzen kleinteilige Forschung voraus. Akribisch untersuchte Klausmann die Sprachgewohnheiten des nördlichen Landesteils und fasste sie im Sprachatlas von Nord-Baden-Württemberg zusammen. Mit seinem Namen verbinden sich viele weitere Projekte: der „Sprachalltag“, die „sprechende Wanderausstellung“, eine Umfrage unter Deutschlehrern an Gymnasien oder eine durch die Eva-Mayr-Stihl-Stiftung ermöglichte Untersuchung über die Sprachgewohnheiten von Grundschülern mit dem Ergebnis, dass noch rund 30 Prozent der Erst- und Zweitklässler Dialekt oder etwas Dialektähnliches sprechen.

Ein Feuer zerstörte 2017 das ursprüngliche Ruoff-Archiv

Daneben war Klausmann Hüter des von dem Sprachwissenschaftler Arno Ruoff begründeten gleichnamigen Archivs mit 1600 Dialektaufnahmen, beginnend im Jahr 1955. Diese Hüterbewusstsein wurde erschüttert, als das von Ruoff und dem Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger lange gepflegte Archiv an der Biesinger Straße im März 2017 nach Brandstiftung in Flammen aufging. Zum Glück waren 700 Tonbänder bereits digitalisiert.

Das Ruoff-Archiv ist Bestandteil der 1959 gegründeten Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland, einer bundesweit einmaligen Einrichtung, in der die Dialekte gesammelt, gespeichert und erforscht werden. Neben Höhen erlebte die Arbeitsstelle auch Tiefen. Bevor Klausmann 2009 kam, ging neun Jahre lang nichts; es gab kein Geld für Personal. Erst der von Hubert Wicker geleitete Förderverein Schwäbischer Dialekt machte es wieder möglich. Inzwischen wurde die Finanzierung verstetigt – ein Ergebnis von Kretschmanns Dialektoffensive. Damit ist die Arbeitsstelle gesichert und Klausmanns Nachfolge geregelt: Die Kulturwissenschaftlerin Valeska Flor und die Sprachwissenschaftlerin Julia Braun kümmern sich jetzt um den Dialekt und seine zeitgemäße Vermittlung – ein Punkt, der auch Klausmann wichtig war, weil sich Mundart nicht in ausgestorbenen Wörtern erschöpft, sondern eine sich verändernde lebendige Sprache darstellt.

Hören wird man Klausmann in der einen oder anderen Weise auch künftig. Die Mundart, das wurde bei der Verabschiedung deutlich, lässt ihn nicht los. Es war also kein Abschied für immer. Vielleicht fielen die Geschenke des Ministerpräsidenten auch deshalb übersichtlich aus: „Socka, a Veschperbrittle, an Kaffeehafa ond a Flasch Wei – mir send bei de Gschenk halt a bissle phäb!“

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Erstellt:
14. Oktober 2024, 18:31 Uhr
Aktualisiert:
15. Oktober 2024, 15:21 Uhr

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