Bittsteller Europa

Die USA und Russland verhandeln über Frieden in der Ukraine. Die transatlantische Partnerschaft ist vorbei.

Von Eidos Import

Es sind rabenschwarze Tage für die Ukraine, Europa und den Rest der demokratischen Welt. Das Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin markiert das endgültige Ende jener multilateralen Ordnung, die dem Westen über Jahrzehnte Sicherheit und Wohlstand gebracht hat. Ein Mann, der die Demokratie verachtet, redet mit einem Kriegsverbrecher über eine neue Friedensordnung auf dem europäischen Kontinent – eine für Europa erschreckende Entwicklung. Bestürzend ist, dass die USA und Russland über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg jenes gefährliche imperiale Gebaren an den Tag legen, das die Menschheit einst in zwei vernichtende Weltkriege geführt hat.

Demütigend wirkt, dass sich Nato-Generalsekretär Mark Rutte erst am Tag nach dem Telefonat mit der Bitte an Donald Trump richten kann, die Ukraine in mögliche Friedensverhandlungen einzubeziehen. Und er informiert ihn, dass Europa an einer „dauerhaften“ Vereinbarung interessiert sei. Wie weit er damit beim neuen Herrscher im Weißen Haus durchdringt, ist fraglich. Denn dessen Weltbild ist fest gefügt: Er sieht in der EU einen wirtschaftlichen Feind, der mit Zöllen bestraft werden muss – und in der Nato europäische Schmarotzer, die sich ihre eigene Sicherheit von den USA finanzieren lassen.

Zumindest beim Thema Sicherheit hat Trump damit nicht ganz Unrecht. Seit Jahren feilschen die EU-Staaten wie die Krämer um die dringend notwendige Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Selbst der Überfall Russlands auf die Ukraine hat kein grundsätzliches Umdenken ausgelöst. Dabei konnten die Europäer gewarnt sein. Schon der damalige US-Präsident Barack Obama machte unmissverständlich deutlich, dass sich die USA im eigenen Interesse dem Pazifik zuwenden würden und Europa mehr in die eigene Verteidigung investieren muss. Dass diese Zeichen ignoriert wurden, zeugt vom Versagen Europas und nicht von der Niedertracht Washingtons.

Das eigentlich Erstaunliche ist Europas naives Erstaunen angesichts des radikalen Vorgehens Trumps. Nach dessen Wahl wurde in vielen EU-Hauptstädten die Hoffnung geäußert, den neuen Präsidenten mit einer moderaten Erhöhung der Verteidigungsausgaben und dem Kauf von Waffen und US-Flüssiggas beruhigen zu können. Trump wird diese Gaben gerne einsacken und sich in seiner Sicht auf die Europäer als Geschäftskunden der USA bestärkt sehen – von Partnerschaft ist keine Rede mehr.

Das sind die neuen wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Realitäten, mit denen sich Europa nach jahrelangem Zögern nun sehr schnell arrangieren muss. Zum großen Bewährungstest wird die Ukraine, wo sich entscheidet, ob wir in den kommenden Jahrzehnten auf unserem Kontinent in Frieden leben werden. Anders als in der Vergangenheit sind die USA nach Trumps Aussagen nicht bereit, weiter Sicherheitsgarantien für Kiew zu geben. Dazu zählt auch, dass Washington eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine kategorisch ausgeschlossen hat.

Das heißt, dass die Europäer gefordert sind. Dazu müssen sie sich zuerst einmal einigen, welche Ziele sie in der Ukraine gemeinsam verfolgen – und was sie bereit sind, dafür zu tun. Das betrifft nicht nur die Lieferung von Waffen, sondern auch die Bereitschaft, im Fall eines Waffenstillstandes diesen abzusichern. Europa muss glaubwürdig zeigen, dass es gewillt ist, in der Ukraine die eigene Sicherheit zu verteidigen. Erst dann werden sich die USA überzeugen lassen, sich weiter zu engagieren. Das aber ist für den Frieden in Europa essenziell notwendig. Ohne eine glaubwürdige Abschreckung durch die Amerikaner ist Russlands neoimperialer Machthunger nicht einzudämmen.