Das große Nichts: Was passiert, wenn alle Sterne im Universum ausgebrannt sind? Einem neuen Szenario zufolge könnte die vom britischen Physiker Stephen Hawking entdeckte Hawking-Strahlung dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Der Blick in die Tiefe des Alls offenbart spektakuläre Formationen, wie hier den Carinanebel.
Von Markus Brauer
Der Big-Bang-Theorie zufolge ist unser Universum vor knapp 14 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand hervorgegangen – dem Urknall. „Diese Hypothese geht davon aus, dass die gesamte Materie im Kosmos in ferner Vergangenheit in einem einzigen Big Bang entstanden ist“, so der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001).
Universum wird nicht ewig bestehen
Doch was passiert dann?
„Im Verlauf der nächsten rund 100 Billionen Jahre werden fast alle Sterne ihren Fusionsbrennstoff aufgebraucht haben und zu degenerierten Weißen Zwergen werden“, erklärt der theoretische Physiker Matt Caplan von der Illinois State University. „Das Universum wird dann größtenteils aus Schwarzen Löchern und ausgebrannten Sternen bestehen. Es wird ein trauriger, einsamer, kalter Ort sein.“
Virtuelle Teilchenpaare und die Hawking-Strahlung
Jetzt haben Physiker der Radboud Universität im niederländischen Nijmegen um Michael Wondrak einen Mechanismus entdeckt, der den Zerfall von kosmischen Objekten begünstigen und beschleunigen könnte.
Ausgangspunkt dafür ist die Quantenfluktuation. Durch sie entstehen selbst im scheinbar leeren Vakuum des Alls ständig Paare von virtuellen Teilchen und ihren Antiteilchen, die sich aber sofort wieder gegenseitig auslöschen. Unter bestimmten Bedingungen kann dieser Prozess jedoch verhindert werden und die Paare werden real.
Ein Beispiel dafür ist die schon in den 1970er Jahren vom britischen Physiker Stephen Hawking (1942-2018) postulierte Hawking-Strahlung an Schwarzen Löchern. Sie entsteht, wenn die virtuellen Teilchenpaare direkt am Ereignishorizont auftauchen und nur eines der beiden Teilchen ins Schwarze Loch gezogen wird.
Dann entgeht das andere Teilchen der Auslöschung und wird real. Die übrig bleibenden Partner bilden eine Strahlung, durch die die lokale Raumzeit an Energie verliert und das Schwarze Loch immer kleiner wird – bis es irgendwann komplett verschwindet.
Hawking-Effekt auch ohne Ereignishorizont
An diesem Punkt setzen nun Wondrak und sein Team an. Denn sie haben entdeckt, dass das von Hawking postulierte „Zerstrahlen“ auch ohne Ereignishorizont stattfinden kann – und damit auch bei „normalen“ Himmelskörpern.
Ihren Berechnungen zufolge passiert dies überall dort, wo die Gravitation groß genug ist, um auf kleinster Ebene extreme Gezeitenkräfte zu erzeugen. „Die virtuellen Teilchenpaare werden durch diese lokalen Gezeitenkräfte auseinandergerissen und dadurch real“, erklären die Physiker.
Dadurch entsteht an einem Schwarzen Loch nicht nur Hawking-Strahlung direkt am Ereignishorizont, sondern es gibt noch eine weitere Strahlungszone weiter außen. Ihre Lage hängt von der Masse (M) des Schwarzen Lochs und von der Gravitationskonstante (G) ab.
„Die höchste Produktionsrate entkommender Teilchen findet sich bei rund 2,32 GM“, berichten die Physiker. Diese Zone liegt etwa auf halbem Wege zwischen dem Ereignishorizont und dem Lichtring der um das Schwarze Loch kreisenden Photonen.
Raumzeitkrümmung als trennender Faktor
„Unsere Studie zeigt, dass die Krümmung der Raumzeit auch abseits von Schwarzen Löchern eine große Rolle für die Bildung dieser Strahlung spielt“, erläutert Wondraks Kollege Van Suijlekom. Denn überall dort, wo die Raumzeit stark gewölbt ist, können auf kleinstem Raum starke Gezeitenkräfte entstehen, die die virtuellen Teilchenpaare auseinanderreißen. Damit ist die Hawking-Strahlung möglicherweise nur der Spezialfall eines allgemeingültigeren Phänomens.
Wie die Physiker erklären, geht dieser neue Effekt auf die gleiche mathematisch-physikalische Basis zurück wie der sogenannte Schwinger-Effekt. Bei diesem – bisher ebenfalls nur theoretisch postulierten Effekt – reißt ein starkes elektromagnetisches Feld das virtuelle Teilchenpaar auseinander und verhindert die Auslöschung.
Während dieser Schwinger-Effekt aber nur bei elektrisch geladenen virtuellen Teilchenpaaren und bei extremen elektrischen Feldstärken ab einer Trillion Volt pro Meter funktioniert, gilt dies für den von Wondrak und seinem Team postulierten Effekt nicht.
Die neue Art der „Strahlung aus dem Nichts“ entsteht auch aus nichtgeladenen virtuellen Teilchen und funktioniert auf Basis der Gravitation. „Dieser gravitationsbedingte Gezeiteneffekt wirkt auf alle Arten von Teilchen, inklusive Photonen“, so die Physiker.
Schnellerer Zerfall im alten Universum
Was aber bedeutet dies für das Ende unseres Universums? „Wenn sich dieser Effekt bestätigt, dann würde dies bedeuten, dass auch Materieansammlungen ohne einen globalen Ereignishorizont diese Strahlung erzeugen und schließlich zerfallen“, erklären die Physiker.
Massereiche Sternenreste und andere Objekte könnten sich dann im gealterten Universum schneller auflösen als bisher angenommen. „Letztlich würde alles im Universum zerfallen“, betont Koautor Heino Falcke von der Radboud Universität. „Dies verändert nicht nur unser Verständnis der Hawking-Strahlung, sondern auch unsere Sicht des Universums und seiner Zukunft.“