Der einzige Ultra der TSG Backnang nimmt’s mit allen auf

Wer schon mal ein Spiel der Oberliga-Fußballer aus den Etzwiesen miterlebt hat, dürfte Nico Schoch in Aktion gesehen und vor allem gehört haben. Der Gmünder hat als einziger Hardcore-Fan der Mannschaft aus dem Murrtal sogar überregionale Bekanntheit erlangt.

Nico Schoch macht als Ultra der TSG Backnang oft alleine Lärm für die Mannschaft wie hier beim Auswärtsspiel gegen Holzhausen im September. Foto: Imago

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Nico Schoch macht als Ultra der TSG Backnang oft alleine Lärm für die Mannschaft wie hier beim Auswärtsspiel gegen Holzhausen im September. Foto: Imago

Von Anja La Roche

Wenn Backnang um Oberliga-Punkte kämpft, ertönen ab und zu ein paar Zwischenrufe, ansonsten ist’s recht ruhig unter den Zuschauern. Bis ein Mann im roten Trikot beginnt, auf seine Trommel zu schlagen und in sein Megafon zu schreien. Lautstark feuert er die Kicker während des gesamten Spiels an. Manchmal hat er noch weitere Unterstützer an seiner Seite. Falls nicht, liefert er die Show aber auch alleine ab. Nico Schoch hat sich als einziger Ultrafan der TSG einen Namen gemacht. In Fußballkreisen ist er auch als der zwölfte Mann bekannt.

Wegen Trainer Beniamino Molinari zur TSG Backnang gekommen

Der 25-Jährige ist in Schwäbisch Gmünd aufgewachsen. Als Beniamino Molinari, zuvor Trainer des 1. FC Normannia Gmünd, nach Backnang wechselte, hat auch Schoch seinem Heimatverein den Rücken gekehrt. Ihm hat die Wertschätzung innerhalb des Verbandsligisten gefehlt. Einfach weil er die Zeit dazu hatte, hat er sich 2017 dann mal auf den Weg ins Etzwiesenstadion gemacht. Dort lernte er einen weiteren Fan des Ballsports kennen, Timothi Maywood. Die beiden verstanden sich gut und teilten von da an das Hobby Fußball miteinander. Immer wieder ging es zu Partien nach Backnang oder auch zu Spielen in der Fremde. Der entscheidende Funke, der Schoch zu einem brennenden Fan werden ließ, war die große Wertschätzung, die er von der Mannschaft und dem Vorstand des Oberligisten zu spüren bekam. „So hat sich das entwickelt“, erklärt er nüchtern. Er hat seinen favorisierten Fußballklub gesucht und gefunden.

Eine Trommel sowie sieben Fahnen und neun Banner gehören inzwischen zum Repertoire des Ultras. Gegebenenfalls bedient er sich der zwei großen Schwenkfahnen aus Vereinshand. Klar ist: Er fällt auf. Zwischen dem kleinen Imperium aus weiß-roten Bannern und Flaggen fiebert er lauthals mit. Nicht weit ist es da auch mit der medialen Aufmerksamkeit. Ob das normal ist, über 40 Spielen im Jahr beizuwohnen und dort alleine so viel Lärm zu machen wie alle Fans auf gegnerischer Seite zusammen? Ist nicht gerade das Gefühl von Gruppenzugehörigkeit der Grund für ein passioniertes Fan-Dasein? Solche Fragen ploppen in Zeitungsartikeln auf und das fragt sich sicherlich auch der eine oder andere normale Stadionbesucher.

Zu den Spielern aus den Etzwiesen besteht ein klasse Verhältnis

Für Nico Schoch ist das alles ganz simpel. „Das ist einfach mein Hobby“, erklärt der junge Mann selbstbewusst. Es mache ihm Spaß, Impulse zu geben, die Zuschauer mitzunehmen und eine gute Stimmung zu verbreiten. Zudem gehe es ihm auch darum, für die Jungs der TSG Backnang da zu sein, sie „positiv aufzubauen“ und „das kleine Quäntchen dazu beizutragen, dass sie auf dem Platz ein besseres Ergebnis erzielen können“. Schoch betont außerdem: „Viele denken, das ist eine Einmannshow, aber das stimmt überhaupt nicht.“ In der Saison 2020/21 hätten sich im Spiel gegen den FSV Bissingen beispielsweise ganze zehn Leute um ihn versammelt. Außerdem stehe Timothi Maywood oft an seiner Seite.

Und selbst wenn ihm keiner den Rücken stärkt, weiß er um die Dankbarkeit der Etzwiesenelf: „Wir haben ein 1-a-Verhältnis.“ Zwei Spieler hätten ihn beispielsweise schon in seiner neuen Heimat in Köln besucht. Der Kapitän Julian Geldner bestätigt: Der Einsatz des 25-Jährigen sei immer eine coole Sache. „Es motiviert sehr, wenn man weiß, dass jemand außerhalb des Spielfelds so viel Energie für einen aufwendet“, sagt Geldner. Ob er das Verhalten des begeisterten Fans übertrieben findet? „Nein, überhaupt nicht“, antwortet er. „Es soll uns ja unterstützen und das kann nie zu viel sein.“

Das Fan-Dasein kostet Schoch viel Energie und Zeit. „Wenn ich drei Stunden lang hinfahre und dann für eine 0:4-Niederlage 90 Minuten lang im Regen stehe, frage ich mich schon, warum ich das mache“, gesteht er frank und frei. Dieser Worst Case sei vor einem Monat beim Spiel gegen den FC 08 Villingen eingetreten. Aber die anstrengenden Momente tun ihm keinen Abbruch. Zumindest könne ihm keiner den Vorwurf machen, ein erfolgsorientierter Fan zu sein, findet Schoch. Ganz im Gegenteil: Die Bundesliga ist ihm fern. Viel lieber unterstützt er einen kleinen Verein, dem er näher sein kann. Die menschliche Komponente macht für ihn den entscheidenden Unterschied.

Erst das Journalistikstudium beenden, dann als Sportredakteur arbeiten

Für den Schwaben wird es künftig allerdings schwerer, regelmäßig bei Spielen des Oberligisten aus dem Murrtal am Start zu sein. Mit dem Beginn seines Studiums an der Kölner Journalistenschule fehlt es an Zeit, die Spiele anzuschauen. Zumal die Anfahrt viel weiter ist. „Aber die Freude ist umso größer, wenn ich dann wieder da bin“, sagt Schoch. TSG-Kapitän Geldner bedauert, dass der einzige Ultra nicht mehr so oft vorbeikommen kann, hat aber auch Verständnis. „Das Studium geht vor“, sagt er. „Und auch wenn er nur ab und zu dazukommt, ist das eine gute Unterstützung.“

Bleibt nur zu hoffen, dass Nico Schoch das lautstarke Anfeuern seines Lieblingsklubs künftig nicht einstellen muss, weil er als Redakteur bei den Backnanger Partien im Stadion sitzt. Denn schon der Unabhängigkeit in seiner Karriere als Sportjournalist wegen sollte er die Berichterstattung über die Leistung seiner Backnanger Jungs vielleicht lieber den Kollegen überlassen.

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Erstellt:
13. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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