Ihr Vorbild ist Rocky Balboa

Der harte Weg nach oben – wie Boxerin Melina Maibaum sich durchschlägt

Melina Maibaum hat einen filmreifen Karriereplan, fängt aber ganz unten an: Für ihren nächsten Kampf hat sich die Boxerin, die in Stuttgart trainiert, sogar verschulden müssen.

Der harte Weg nach oben – wie  Boxerin Melina Maibaum sich durchschlägt

Glaubt an sich und ihre Chance: Melina Maibaum.

Von Jochen Klingovsky

Der Mann, den Sylvester Stallone auf der Leinwand verkörpert, ist das Vorbild vieler Boxer. Rocky Balboa, der Titelheld der Sport-Saga, kämpft sich von ganz unten nach oben, erleidet Rückschläge, steht immer wieder auf, glaubt an sich und seinen Traum. Dass es in der Realität laufen kann wie im Film, davon sind etliche junge Athleten überzeugt. Die Bilder geben ihnen die Kraft, weiter hart zu arbeiten, Tag für Tag, und dabei weder die Motivation noch die Hoffnung zu verlieren. Eine, die das Boxen auf diese Art lebt, ist Melina Maibaum – allen Widrigkeiten zum Trotz.

Wenn sie über ihre große Leidenschaft spricht, dann hören sich ihre Worte an, als stammten sie aus dem Drehbuch der Rocky-Filme. „Ich bin verrückt genug, um daran zu glauben, dass es vor allem darauf ankommt, mit vollem Herzen dabei zu sein“, erklärt Melina Maibaum, „ich wäre verrückt, das alles zu tun, wenn ich den Sport nicht über alles lieben würde. Ich brauche nicht viel zum Leben, ich bin glücklich, wenn ich trainieren kann.“ Das sagt sich leicht. Und kann doch so schwer sein.

Die Sportart gewechselt

Melina Maibaum (25) wurde in Schwäbisch Hall geboren, wuchs in der Nähe von Künzelsau auf, war eine talentierte Kickboxerin, schaffte es ins Jugend-Nationalteam. Dann absolvierte sie ein Probetraining beim früheren Profiboxer Dominik Britsch und wusste sofort: „Das ist mein Sport!“ Für den sie fortan alles gab.

Melina Maibaum, die eine Ausbildung als Mediengestalterin gemacht hat, zog nach Karlsruhe, trainierte bei Dominik Junge und bestritt im Mai 2022 ihren ersten Profikampf. Um sich den Einstieg in die Boxkarriere leisten zu können, arbeitete sie nebenher bei einer Reinigungsfirma, schrubbte Kloschüsseln. Sie lebte über ein Jahr lang in einer früheren Herrenumkleide in ihrem Gym, schlief in dem Raum, in dem es keine Fenster, dafür aber Ratten und Schimmel gab, auf einer alten Matratze. Immer wieder musste sie dort an ihren Helden Rocky Balboa denken. Und daran, dass er niemals aufgegeben hat. Also machte auch sie weiter. Mit voller Kraft.

Conny Mittermeier lobt „eisernen Willen“

Elf Kämpfe hat Maibaum mittlerweile bestritten und gewonnen, ihren letzten im August auf dem Hockenheimring, im Rahmen einer Dragster-Veranstaltung. Und trotzdem beschlich sie das Gefühl, mehr im Tank zu haben. Also suchte sie einen neuen Trainer – und wurde vor fünf Wochen in Stuttgart fündig. Hier arbeitet Conny Mittermeier (63) mit Simon Zachenhuber und Altin Zogaj, einige freie Kapazitäten hatte er noch, aber auch den Vorsatz, keine Frauen (mehr) zu trainieren. Einst betreute Mittermeier die Weltmeisterinnen Özlem Sahin und Karolina Lukasik, ihre Titel machten sich für ihn aber nicht bezahlt. „Ich muss von meiner Arbeit leben, am Ende ist es immer wieder am Geld gescheitert“, sagt der Coach, „leider ist es mit den Finanzen im Frauenboxen schwierig.“

Diese Erfahrung macht auch Melina Maibaum, und trotzdem hat Conny Mittermeier seine Prinzipien für sie über den Haufen geworfen. „Ich will ihr helfen, sie ist eine Gute, hat einen eisernen Willen“, sagt er, „ich sehe etwas in ihr, von dem ich gar nicht genau weiß, was es ist. Aber mein Gespür sagt mir, dass ich es aus ihr herauskitzeln muss – weil sie mein Herz erreicht hat.“

Sportlich kommt Maibaum in Stuttgart voran („Ich habe noch nie so intensiv trainiert“), und auch sonst erinnert weiter viel an die Rocky-Streifen. Durch Zufall hat sie ein Zimmer gefunden, in dem sie bis Ende April bleiben kann, ihre alte Matratze liegt nun auf einem Klappbett. Wie es danach weitergeht? Wird sich schon finden. Irgendwie. Wichtig ist vor allem der nächste Kampf.

Melina Maibaum muss für ihre Gegnerin bezahlen

An diesem Samstag trifft die 1,58 Meter große Superbantamgewichtlerin (bis 55,2 kg) in Darmstadt auf die erfahrene Mexikanerin Ana Fabiola Arrazola Dominguez. Um bei der Veranstaltung boxen zu können, muss Melina Maibaum die Gage sowie die Reise- und Hotelkosten ihrer Gegnerin übernehmen und diese auch noch vom Flughafen abholen. Sie hat zwar zwei, drei Sponsoren, dies alles wäre aber nicht denkbar, wenn sie sich nicht bei ihren Eltern, die in Künzelsau ein Fitness- und Sonnenstudio betreiben, verschuldet hätte. „Eigentlich wollte ich das nie machen, aber ich hatte keine Wahl“, erklärt die Athletin, „mein Motto ist alles oder nichts – ich bin sicher, dass ich das Geld bald zurückzahlen kann.“

Der Plan von Melina Maibaum ist filmreif. Sie will sich einen Namen machen, Weltmeisterin und beste deutsche Boxerin werden, im Ausland antreten, lukrative TV-Kämpfe bestreiten, sich vermarkten. Und vor allem weiter ihre Leidenschaft leben. „Wer nur des Geldes wegen boxt“, sagt sie, „wird nie etwas verdienen.“ Auch das könnte ein Satz von Rocky Balboa sein.