Bürgermeister Armin Mößner und Erzieherin Angelika Oppenländer kümmern sich gemeinsam mit einem Teil der Mädchen und Jungen um das Aussäen auf der ersten Blühfläche direkt gegenüber vom Kindergarten Stadthalle in Murrhardt. Foto: Stefan Bossow
Von Christine Schick
Murrhardt. Zu Beginn des vergangenen Jahres hat der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald ein ganz neues Projekt in Angriff genommen, nämlich, neben den Naturparkschulen auch Kindergärten die Möglichkeit zu geben, sich durch eine enge Zusammenarbeit und die Beschäftigung mit regionalen Natur- und Umweltschutzthemen zu einer Art Naturparkeinrichtung zu entwickeln. Insgesamt sechs Kindergärten und Kindertagesstätten aus dem gesamten Naturparkgebiet haben sich auf den Weg gemacht, im Rems-Murr-Kreis sind Murrhardt, Backnang, Weissach im Tal und Althütte mit von der Partie. In der Walterichstadt hat sich das Team des Stadthallenkindergartens im Schulterschluss mit der Stadt entschlossen, als Anwärter an den Start zu gehen. „Das Interesse der Einrichtungen war groß, wir haben, wenn ich mich richtig erinnere, 15 Bewerbungen für die Pilotphase bekommen“, erzählt Elena Schick, Leiterin des Projekts beim Naturpark. Um die Kandidaten auch gut betreuen zu können, sind sie und das Naturparkteam mit sechs Einrichtungen gestartet.
Die Mädchen und Jungen mischen die Samen mit Sand und bringen den Mix aus
An diesem Vormittag ist sie mit ihrer Kollegin Franziska Hornung zum Kindergarten gekommen. Die beiden haben den Mädchen und Jungen sowie dem Erzieherinnenteam ein großes Samenpaket für zwei Blühwiesen mitgebracht. Gemeinsam mit Armin Mößner, der als Bürgermeister und Naturparkvorsitzender sozusagen in Doppelfunktion mit dabei ist, heißt es zur Tat zu schreiten, nachdem die Knirpse die Samen in einem Eimer mit Sand gut durchgemischt haben und für jeden eine Portion in einen kleinen Becher gefüllt wurde. Franziska Hornung zeigt, wie die kleinen Leute ihre Sand-und-Samen-Portionen möglichst weit über die Fläche verteilt ausbringen können. „Wie bei Fasching“, wenn die Süßigkeiten in die Menge geworfen werden, erklärt Armin Mößner, was die Kinder sofort verstehen und umsetzen. Ganz vorne und ganz am Ende des kleinen Areals und Kinderspielplatzes legen die Mädchen und Jungen je eine Blühwiese an. „Erst dachten wir an ein Stück weiter draußen, aber hier können die Kinder das natürlich viel besser beobachten“, sagt Leiterin Silvia Mörsel. Dabei ist sie auch selbst neugierig, wie sich die Blumen entwickeln, liegt doch die eine Fläche im Schatten und die andere in der Sonne. Zudem sei die Frage, ob die Kinder auch künftig schnell und unbedacht eine Blume pflücken angesichts der selbst angelegten Pracht. Bei Elena Schick lernen sie jedenfalls noch mal ganz verschiedene Samen kennen, die sich per Flügel (Ahorn) oder über Tiere (Bucheckern) weiterverbreiten und mal haarig (Skabiosen-Flockenblume), mal ganz unscheinbar klein (Wiesenmargarite) daherkommen.
Es ist das zweite Projekt, das der Kindergarten im Rahmen des Pilotprozesses angeht. Zuvor haben sich Erzieherinnen und Kinder mit Äpfeln befasst. Im Herbst ging es auf die Streuobstwiese von Armin Mößner sowie auf eine weitere Wiese einer Kindergartenfamilie, um die Früchte einzusammeln und später bei der Mosterei Wurst zu Apfelsaft verarbeiten zu lassen. „Beim Auflesen war es kühl, der Berg war steil und die Äpfel mussten nach Köchersberg gebracht werden“, erzählt Erzieherin Angelika Oppenländer. „Diese Erlebnisse sind jedes Mal Thema, wenn die Kinder Apfelsaft trinken.“ Kein schlechtes Beispiel dafür, wie sich durch gemeinsame Aktionen und Projekte ein wertschätzender, bewussterer Umgang mit der Natur und ihren Gaben anregen lässt. Krönender Abschluss war ein Apfelfest mit den Eltern, zu dem Mütter und Väter verschiedenste, thematisch passende Speisen mitgebracht haben – vom Apfelkuchen über Apfelmuffins bis hin zu getrockneten Früchten.
Nächste Woche geht es mit der Eigenanpflanzung weiter. Mit Hilfe des Bauhofs sollen Johannisbeerensträucher und ein Holunder- und Mirabellenbäumchen gesetzt werden. Außerdem sind Aktionen mit den Naturparkführern geplant wie beispielsweise Erkundungen rund um Tierspuren.
Elena Schick ist sehr zufrieden mit der Entwicklung des Projekts. Ihrem Eindruck nach lassen sich Naturparkthemen gut integrieren. „Die Einrichtung machen auch schon viel“, sagt sie. Manchmal gilt es, den Bezug zum Naturpark noch stärker herauszuarbeiten, manchmal auch einfach weiterzuentwickeln. „Es kann sein, dass aus einem Waldtag eine Waldwoche wird“, erklärt sie. Vier der Kindergärten sind außerdem mit demselben Projekt wie die Murrhardter Einrichtung am Start, legen Blühwiesen an und üben somit auch den Schulterschluss zu einem weiteren Feld, auf dem sich der Naturpark engagiert.
Verschiedene Kooperationspartner
und Fortbildungen für die Teams
Zur Konzeption gehört auch, mit Kooperationspartnern zusammenzuarbeiten. Das können Naturparkführer, Waldpädagogen, Landwirte oder weitere Fachleute auf ihrem Gebiet sein. „In der Kita Stubener und Schladminger Weg in Maubach gibt es beispielsweise ein Gartenprojekt mit Hochbeeten“, und Gärtnerin Ella Friedrich hat den Kindern sehr viel erklärt. Im Kindergarten Rieden in der Haller Gemeinde Rosengarten wiederum ist der örtliche Förster Kooperationspartner. Aber auch die Fachkräfte in den Kindergärten erhalten Fortbildungen inklusive Materialien. Bei Förster und Waldpädagoge Kilian Knötzele lässt sich beispielsweise erfahren, wie sich bei der Walderkundung auch Spiele integrieren lassen. Auch das sogenannte Klimafrühstück ist ein Setting, bei dem sich Regionalität, Saisonalität und Verkehrswege in Bezug auf Nahrungsmittel erkunden lassen. „Wenn sich jeder das genommen hat, was er mag, wird im Anschluss geschaut, woher kommen die Lebensmittel und was heißt das“, sagt Elena Schick. „Man kann eine Weltkarte dazunehmen oder über den Wochenmarkt gehen, um zu sehen, wie sieht es denn ganz konkret vor Ort aus.“ Sprich auch die Verankerung im Naturpark ist immer wieder möglich und erwünscht.
Bereits auf der Zielgeraden der Pilotphase ist der Kindergarten Rieden in Rosengarten. Er erhält am heutigen Samstag, 22. April, als erster sein Zertifikat zum Naturparkkindergarten. Die weiteren Einrichtungen folgen nach und nach, Elena Schick möchte aber, dass sie sich dabei die Zeit nehmen können, die sie brauchen. „Ich habe auch die Rückmeldung bekommen, dass sie das als sehr positiv empfinden.“
Pioniere In der Pilotphase haben sich sechs Einrichtungen auf den Weg gemacht. Dies sind der Kindergarten Stadthalle (Murrhardt), die Kindertagesstätten Stubener und Schladminger Weg (Backnang), der Waldkindergarten Althütte, das Kinderhaus Oberweissach (Weissach im Tal), der Kinderarten Rieden (Rosengarten, Kreis Schwäbisch Hall) und der Kindergarten Abenteuerland (Abtsgmünd, Ostalbkreis).
Zertifikat Elena Schick plant im im Mai oder Juni einen Informationsabend für neue beziehungsweise alte Interessenten. Hat ein Naturparkkindergarten sein Zertifikat erhalten, ist es für fünf Jahre gültig und kann danach wieder neu vergeben werden. Das Konzept und die Kriterien für einen Naturparkkindergarten sind im Projekt Netzwerk Naturparkkindergarten des Verbands Deutscher Naturparke e.V. entstanden.
Konzept Wichtige Eckpunkte: In einem Naturparkkindergarten wird nachhaltige Natur-, Kultur- und Heimatbildung im Leitbild und Konzept des Kindergartens verankert. Es werden möglichst viele Aspekte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) aufgegriffen, auch wird mindestens zweimal im Kindergartenjahr ein mit den Themen des Naturparks zusammenhängendes Projekt im Rahmen der Bildungsarbeit behandelt. Das Team nutzt den regionalen Bezug zum Naturpark, zu der Region und ihrer Geschichte und Kultur sowie alle regionalen Besonderheiten als mögliche Basis für Bildungs- und Lerninhalte. Kooperationspartner des Naturparks werden in die Bildungsarbeit mit einbezogen und Ausflüge ins Naturparkgebiet werden gemacht. Fortbildungen mit Bezug zu den Themen des Naturparks oder BNE werden angeboten. Weitere Infos: www.naturpark-sfw.de