EU-Abkommen mit der Schweiz

Drei Schweizer Milliardäre gegen die EU

Brüssel und Bern verhandeln über ein Abkommen, das die Schweiz der Union näherbringen soll. Das gefällt aber nicht allen und der Widerstand formiert sich.

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist kompliziert. Nun soll es über ein gemeinsames Abkommen geregelt werden, doch die Kritik daran ist laut.

© dpa/Michael Stahl

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist kompliziert. Nun soll es über ein gemeinsames Abkommen geregelt werden, doch die Kritik daran ist laut.

Von Knut Krohn

Drei Schweizer Milliardäre wollen ihre Heimat vor dem Einfluss der Europäischen Union retten. Für ihren Kampf gegen Brüssel nehmen Alfred Gantner, Urs Wietlisbach und Marcel Erni sehr viel Geld in die Hand. Die drei Finanzmanager sind aber Profis und wissen, dass in diesem Fall der schnöde Mammon nicht genügt. Also haben sie eine illustre Truppe von Unternehmern, ehemaligen TV-Stars und Ex-Skifahrern um sich geschart, um ihrer sogenannten „Kompass-Initiative“ den entsprechenden Glanz zu verleihen und damit die notwendige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit herzustellen.

Hoffen auf einen baldigen Abschluss

Aufgeschreckt wurden die Unternehmer von Meldungen, dass die Gespräche zwischen Bern und Brüssel über ein neues Rahmenabkommen vorankämen, mit dem die wirtschaftlichen und auch rechtlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU neu geregelt würden. In diesen Wochen soll ein grober Plan ausgearbeitet sein, aus dem schnell ein präsentierbares Konzept werden könnte. „Wir stehen kurz davor, die Verhandlungen noch in diesem Jahr erfolgreich abzuschließen“, versprühte in diesen Tagen der CDU-Politiker Andreas Schwab in einem Meinungsbeitrag im Schweizer „Tagesanzeiger“ einen geradezu ansteckenden Optimismus. Der Mann kann die Lage sehr gut einschätzen, denn im Europaparlament bekleidet er den Vorsitz der Delegation, die sich mit den Beziehungen zur Schweiz befasst.

Es ist nicht der erste Anlauf, das komplizierte Verhältnis der beiden Partner übersichtlicher zu gestalten. Über viele Jahren wurden Gespräche über eine Annäherung geführt und die Verantwortlichen in der EU wähnten sich bereits am Ziel einer Übereinkunft, als Bern 2021 jäh die Verhandlungen abbrach und Brüssel brüskiert zurückließ. Zur Begründung hieß es, das geplante Abkommen habe keine Chance, die Schweizer Bürger zu überzeugen. Im Moment werden die Beziehungen durch zahlreiche bilaterale Abkommen geregelt, die allerdings eines nach dem anderen auslaufen und von Seiten der EU nicht verlängert werden. Das aber bereitet der Schweiz mehr Probleme als der Union, dem größten Handelspartner der Eidgenossen. Aus diesem Grund wurden im Frühjahr 2024 die Gespräche erneut aufgenommen.

Die vielen Extrawünsche aus Bern

Mit einigem Erstaunen wird in Bern zur Kenntnis genommen, wie nebensächlich die Angelegenheit von der EU-Kommission behandelt wird. Die Beamten dort sind einerseits schon lange genervt davon, dass die Eidgenossen seit Jahren ständig Extrawünsche formulieren. Ziel der Schweiz war immer, einen möglichst hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten, aber nicht EU-Mitglied zu werden, weshalb ihr Rosinenpickerei vorgeworfen wird. Zum anderen hat Europa im Moment andere, sehr große Probleme. In der Ukraine tobt ein Krieg, der Green Deal kommt nicht voran und die Wirtschaft schwächelt.

Die Ökonomie ist auch eines der Hauptargumente der Gruppe um die drei Milliardäre. Die Union habe große wirtschaftliche Probleme, betonen sie und heben dabei Frankreich und Deutschland heraus. Zudem würde die Brüsseler Regulierungswut den Schweizer Unternehmen schaden und die Vorteile des freieren Binnenmarktes nicht ausgleichen. Allerdings lehnen die Gegner ein neues Rahmenabkommen nicht rundweg ab. Sie fordern aber, dass neue Staatsverträge, die eine fortlaufende Rechtsanpassung vorsehen, vom Volk und den Ständen angenommen werden müssten. Angesichts dieser Forderung wird das Kalkül offensichtlich. Denn damit wäre das Rahmenabkommen schon im Ansatz gestorben. Zu viele kleine Kantone haben in der Vergangenheit gegen eine stärkere Anbindung der Schweiz an internationale Organisationen gestimmt.

Ein Abkommen stärkt beide Seiten

Andreas Schwab wirbt dennoch für ein Abkommen, das „im Interesse beider Seiten“ wäre. So seien etwa Ängste angesichts des angestrebten freien Personenverkehrs völlig unbegründet. Die bisherigen Erfahrungen in Baden-Württemberg hätten gezeigt, dass es das wirtschaftliche Wachstum auf beiden Seiten der Grenze stärke. Auch eine Lösung in der Frage der Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt sei für die Eidgenossen von Vorteil, da sie etwa die Versorgungssicherheit erhöhen würde, wirbt Andreas Schwab.

Rückendeckung bekommt der Europapolitiker aus Stuttgart, denn Baden-Württemberg macht in der Angelegenheit immer wieder Druck. „Man muss dieses Zeitfenster nutzen“, forderte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut jüngst bei einem Europatreffen in Basel. Und auch sie ist überzeugt: „Wir gehen davon aus, dass bis Ende dieses Jahres ein gemeinsames Konzept erstellt wird.“ Und auch sie betont, von einem Abkommen würden nicht nur die rund 60 000 Menschen profitieren, die jeden Tag aus dem Südwesten in die Schweiz pendeln.

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Erstellt:
15. Oktober 2024, 15:47 Uhr

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