Ein Physiker und seine Liebe zum Klavier

Seit über 50 Jahren nimmt der französische Amateurpianist Ariel Sirat wöchentlich Klavierunterricht, gibt seit Langem Konzerte als Solist und in Kammermusikensembles. Der 62-jährige Naturwissenschaftler ist somit ein nicht ganz typischer Teilnehmer der Murrhardter Meisterkurse.

Ein Physiker und seine Liebe zum Klavier

Ariel Sirat ist beeindruckt von der Klavierakademie in Murrhardt. Er hat den Unterricht bei Professor Jacques Rouvier besucht. Wenn er nicht eigene Konzerttermine hätte, wäre er gerne noch länger geblieben. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Bei der diesjährigen Internationalen Klavierakademie in Murrhardt ist ein – zumindest von der Hauptzielgruppe her – ungewöhnlicher Teilnehmer mit von der Partie: Der 62-jährige Ariel Sirat, der im Dorf Tarabel nahe bei Toulouse in Südwestfrankreich lebt und als Amateurpianist den Meisterkurs bei Professor Jacques Rouvier besucht hat. Im Unterricht arbeitete der Franzose an Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy, Gabriel Fauré, Maurice Ravel und Claude Debussy. „Leider war es mir nicht möglich, auch die weiteren Meisterkurse bei den Professoren Christian A. Pohl und Markus Groh zu besuchen. Denn ich muss abreisen, da ich am kommenden Sonntag ein Hauskonzert gebe und kurz darauf weitere Konzerte in Paris“, bedauert er. Folglich kann er auch nicht am Galaabschlusskonzert am Samstagabend teilnehmen. „Aber ich habe in deren Unterrichtsstunden zugehört, das war für mich höchst interessant.“ Ariel Sirat zeigt sich beeindruckt von der „außerordentlich großen musikalischen Qualität“ der Klavierakademie mit „sehr begabten Studierenden“, renommierten Professoren und einer „perfekten Organisation“. Die Einbettung der Meisterkurse in das reizvolle historische Stadtbild Murrhardts und die idyllische landschaftliche Umgebung des Schwäbischen Waldes empfindet er als „sehr beruhigend und wunderbar inspirierend“.

„Ich bin 1961 in Algerien geboren, aber schon kurze Zeit später zogen meine Eltern nach Frankreich um“, erzählt er. Hintergrund war der Krieg um die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich von 1954 bis 1962. „Erst mit zehn Jahren begann ich mit dem Klavierunterricht.“ Er erlernte das Klavierspiel in Vienne sowie an den Konservatorien von Lyon und Versailles. Im Gegensatz zu vielen anderen Personen, die in ihrer Kindheit und Jugend Musikunterricht haben, aber später wegen Ausbildung, Beruf und Familie damit aufhören, hat er kontinuierlich seit über 50 Jahren einmal pro Woche Klavierunterricht.

Das Klavierspiel ist sozusagen der „rote Faden“ im Leben des 62-Jährigen – neben seiner Familie: Er ist verheiratet und hat drei Töchter. Der hochtalentierte Amateur hat seit vielen Jahren Klavierunterricht bei Michèle Mazzone in Toulouse, außerdem besucht er regelmäßig Meisterkurse bei Musikpädagogen und Solisten von Weltrang, so seit acht Jahren etwa zweimal pro Jahr bei Jacques Rouvier. Und: „Bereits seit vielen Jahren gebe ich Konzerte als Solist oder in der Kammermusik.“

Dank seiner hohen pianistischen Kompetenz, von der er beim zweiten Teilnehmerkonzert der Klavierakademie eine Kostprobe gab (siehe weiterer Bericht), hat Sirat schon etliche Preise bei Amateurklavierwettbewerben eingeheimst. So war er beispielsweise Finalist und erster französischer Kandidat beim Pariser Wettbewerb für herausragende Amateurpianisten im Jahr 2006. Zudem gewann er 2022 den zweiten Preis beim renommierten internationalen Klavierwettbewerb Maisons Laffitte, Sektion Amateurpianisten. Ariel Sirats Repertoire ist sehr breit gefächert und reicht „von Bach bis Bartók“: Es beginnt mit der Barockzeit und endet mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er interpretiert sowohl Werke für Klavier solo als auch Kammermusik mit Streichern vom Duo bis zum Quintett sowie Klavierkonzerte. Überdies hat er mehrere Aufnahmen gemacht, darunter die Goldberg-Variationen von Bach, die er unter dem von ihm gegründeten privaten Label „Références Amateur“ anbietet.

Beruflich arbeitete der promovierte Physiker im Bereich Forschung, Entwicklung und Technologie in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Nun steht er an der Schwelle zum Ruhestand, ist aber noch in Teilzeit mit seiner eigenen Firma Ariel Sirat Consulting als Berater im Bereich Klimaschutz für französische wissenschaftliche Forschungseinrichtungen tätig. „Das ist ein sehr komplexes und vielseitiges Arbeitsfeld, wobei es um die Erforschung der Auswirkungen von neuen Technologien auf Umwelt und Klima geht.“ Im Fokus stehen dabei Projekte zur Untersuchung des sogenannten ökologischen Fußabdrucks, sprich Ressourcenverbrauch, Emissionen und Umweltbelastung bei der Produktion, Nutzung und Entsorgung wichtiger Güter. Deren Bandbreite reicht von Smartphones über Elektrofahrzeuge bis hin zu Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien.