Seit gestern erfüllt wieder Klaviermusik die Walterichstadt: Die 19. Internationale Klavierakademie hat begonnen. Neues Mitglied im Professorentrio ist die Russin Elena Margolina-Hait: Sie bringt einen großen Erfahrungsschatz mit, denn sie ist selbst erfolgreiche Pianistin sowie langjährige Hochschul- und Meisterkursdozentin.
Elena Margolina-Hait versucht, individuell auf die Schüler einzugehen, gleichsam ist ihr der sensible Umgang mit dem Notentext wichtig. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Sie stimmt ihren Unterricht im Kulturhaus Klosterhof der Riebesam-Stiftung ganz individuell auf die jeweilige Persönlichkeit der 18 Pianisten ab. Heuer arbeiten Schüler und Studenten aus sieben Nationen im Meisterkurs daran, ihre Interpretationskunst zu optimieren. „Ich versuche zu erfassen, was die Studenten können und wohin sie gehen“, erklärt die Dozentin. Sie gibt den jungen Musikern durch ihr eigenes Vorspiel, aber auch gesungene und wortreiche Erläuterungen viele wertvolle Hinweise und Tipps, wie sie die Inhalte der ausgewählten Werke stimmig zum Ausdruck bringen können.
„Es reicht nicht, ein sehr guter Pianist zu sein, man muss auch ein sehr guter Musiker sein und dazu wie ein Dirigent denken, um die Werke zu verstehen“, verdeutlicht Elena Margolina-Hait. Darum weist sie auch auf öfter vorkommende Fehler hin, wie ein zu gleichförmiges Spiel oder ein zu häufiger Einsatz des Pedals. Dieser wirke sich ungünstig auf die Gestaltung aus: „Dadurch gehen wichtige Details und Klangunterschiede verloren“. Großen Wert legt die Künstlerin darauf, dass die Vortragsanweisungen der Komponisten genau beachtet werden. Besonders wichtig sei es, Unterschiede, Abstufungen und Entwicklungen in Klangfarben, Charakteren und Stimmungen, Tempo und Lautstärke zwischen verschiedenen Abschnitten, Sätzen und Variationen herauszuarbeiten. Denn die Zuhörer sollen es deutlich wahrnehmen, wenn etwas Neues kommt oder etwas Besonderes geschieht.
Auch gelte es, beim Spiel die Balance zwischen Melodiestimme, Mittelstimmen und Bassstimme zu halten: Wie in einem Orchester sollen alle klar erkennbar erklingen und eine harmonische Einheit bilden. Entscheidend dafür sei „der sehr sensible Umgang mit dem Notentext: Er ist die Basis, um nachzudenken, zu überlegen und sich inspirieren zu lassen, aber auch um eine Komposition und deren Charaktere und Details, Formen und Strukturen künstlerisch und kreativ zu interpretieren.“
Geboren in Lemberg, begann Elena Margolina-Hait im Alter von vier Jahren mit dem Klavierunterricht und schloss ihr Studium am Konservatorium N.A. Rimski-Korsakow in St. Petersburg als Diplom-Konzertpianistin ab. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 „habe ich die Chance genutzt, die Welt zu entdecken und meine Ausbildung im Westen fortzusetzen. Da mir die Vielfalt und der Reichtum der europäischen Kultur sehr wichtig sind und es dafür besonders gute Angebote in Deutschland gibt, lebe und arbeite ich seit Anfang der 1990er-Jahre hier.“
Großen Eindruck machten Interpretationen von Professor Arnulf von Arnim auf sie. „Darum habe ich bei ihm an der Musikhochschule Detmold studiert und dort 1996 mein Konzertexamen mit Auszeichnung abgeschlossen.“ Seit über 20 Jahren ist die Künstlerin auch als Hochschulprofessorin für Klavier tätig. So war sie Dozentin an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart und an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Seit 2014 ist sie Professorin für Klavier an der Hochschule für Musik in Detmold. Ebenso lange arbeitet Elena Margolina-Hait als Dozentin bei internationalen Meisterkursen in verschiedenen Ländern in Europa, Asien und Amerika.
„Für mich persönlich war die Benachteiligung von Frauen nie ein Thema, denn ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen. Auch hatte ich wahrscheinlich einfach Glück. Ich weiß, dass ich meine Erfolge wegen meinen pianistischen und menschlichen Qualitäten erreicht habe“, betont sie. „Ich habe ein sehr breites musikalisches Spektrum, das viele Komponisten und Stile umfasst“, auch wenn die russische Klangwelt im übertragenen Sinne ihre musikalische Muttersprache sei. Nachdem sie nach Deutschland kam, seien aber auch die Werke von Franz Schubert zu ihrer musikalischen Muttersprache geworden, sagt Elena Margolina-Hait.
Interessierte Zuhörer können täglich von 9.30 bis 12.30 Uhr und von 14.30 bis 18.30 Uhr am Unterricht der Professoren Felix Gottlieb im Heinrich-von-Zügel-Saal, bei Gerald Fauth in der Festhalle und bei Elena Margolina-Hait im Kulturhaus Klosterhof teilnehmen. Einige der Pianisten gestalten facettenreiche Programme bei fünf Teilnehmerkonzerten, die jeweils um 19 Uhr in der Festhalle beginnen. Das erste findet heute Abend statt, das zweite am Freitag, 30. August, das dritte am Sonntag, 1. September, das vierte am Dienstag, 3. September und das fünfte am Donnerstag, 5. September. Den feierlichen Abschluss und Höhepunkt der Klavierakademie bildet das Galakonzert am Samstag, 7. September, ebenfalls um 19 Uhr in der Festhalle Murrhardt. Eine Auswahl der besten Pianisten spielt an diesem Abend, bei dem das Publikum einen Preis in Höhe von 300 Euro an den beliebtesten Pianisten vergibt.