Ein Universalinstrument für alle Stile

Organisten des Dekanats Ulm lernen die neue Murrhardter Stadtkirchenorgel bei einer Führung mit Kantor Gottfried Mayer kennen

Unter Kirchenmusikern und Musikfreunden hat sich’s schon herumgesprochen, welch herausragendes Instrument die neue Mühleisenorgel der Stadtkirche ist. Davon überzeugten sich nun acht Organisten aus dem evangelischen Dekanat Ulm bei einer Orgelführung mit Kantor Gottfried Mayer.

Ein Universalinstrument für alle Stile

Kantor Gottfried Mayer (Mitte) lässt seine Gäste – hier Bezirkskantor Philip Hartmann (links) und Nicole Fadani – auch ins Innere der Orgel blicken. Bei einem Besuch haben sich acht Organisten des Dekanats Ulm über das neue Instrument und die Geschichte des Projekts informiert. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Er informierte über besondere Register und Effekte, gab spannende Einblicke ins Innere sowie Hörbeispiele aus verschiedenen Stilrichtungen. Die Führung war krönender Abschluss einer Rundfahrt auf Initiative von Philip Hartmann, Bezirkskantor des Dekanats Ulm, auf der die Gruppe auch neue Orgeln in Fellbach und Oppenweiler besichtigte. Hartmann ist Organist im Ulmer Münster und Orgelexperte, hat ein Standard-Orgelhandbuch mit herausgegeben und unternimmt jährliche Orgelfahrten im süddeutschen Raum.

Seit 25 Jahren ist Gottfried Mayer nun Kantor in der Walterichstadt. Kurz erzählte er, wie es zum Neubau der Stadtkirchenorgel kam. Das Projekt startete vor fünfeinhalb Jahren anlässlich der erforderlichen Reinigung der alten Orgel. In der ersten Planungsphase habe man eine Teilsanierung und Erweiterung vorgesehen. Aber: „Die Substanz war schlecht, auch wies sie verschiedene, erhebliche klangliche und technische Mängel auf“, darum hätte dies nicht zu einer Lösung des Problems geführt. Mit ein Grund dafür war die Gestaltung des Orgelprospekts als Wand mit massivem Holzgehäuse, das den Klangaustritt stark behinderte, erklärte Mayer.

Doch die evangelische Kirchengemeinde „hatte doppeltes Glück“: Den Mut der Orgelbaufirma Mühleisen, die einen Vorschlag zum Neubau präsentierte, für den etwa 45 Prozent der alten Pfeifen übernommen werden konnten. Und die Großzügigkeit und Unterstützung des Spenderkreises ermöglichte es, die Jahrhundertchance des Orgelneubaus zu realisieren, der laut Mayer rund 1,06 Millionen Euro kostete und komplett über Spenden finanziert werden konnte. Die alte Orgel habe die evangelische Kirchengemeinde übrigens verkauft, deren Teile eventuell in Ostpolen noch verwendet werden.

Für den Orgelneubau arbeitete der Kantor und Organist in Kooperation mit den Orgelbaumeistern eine Klangkonzeption aus, die sich an der süddeutschen Klangtradition orientiert. Nach der Renovierung des Westchors begann der Aufbau der neuen Orgel in klassischer Aufteilung: Links und rechts stehen die Hauptwerke, in der Mitte das Positiv. „Dies bietet den Vorteil, dass alle Register wie ein Werk behandelt werden können“, und eröffne viele Kombinationsmöglichkeiten. Hinter dem Positiv befindet sich das Schwellwerk, hinter den Hauptwerken die Pedalpfeifen. „Die Orgel entfaltet ein sehr kräftiges Lautstärkevolumen, damit sie bis vorne zum Altar gut zu hören ist und richtig klingt“, verdeutlichte Mayer.

„In den vergangenen zwei Wochen fanden ein paar kleine Erweiterungen statt, dadurch sind 24 Pfeifen hinzugekommen.“ Ihm sei es wichtig, „dass die Orgel klanglich und stilistisch möglichst breit aufgestellt ist. Sie braucht keinen Schwerpunkt, sondern soll ein universales Instrument sein.“

Zu den süd-, mittel- und norddeutschen Klangfarben kommen französische Stimmen

Darum sei die Orgel eine Synthese aus süd-, mittel- und norddeutschen Klangfarben sowie französischen Stimmen, die sich ergänzen und zu neuen Klangnuancen verschmelzen, erläuterte der Kirchenmusiker seine Idee und Zielsetzung.

Die drei Manuale mit je 56 Tasten, das erste fürs Hauptwerk, das zweite fürs Positiv und das dritte fürs Schwellwerk, sind mit klassischer mechanischer Traktur ausgestattet, sprich Verbindung zwischen Tasten und Ventilen in der Windlade. Die Traktur für die 30 Pedaltasten erfolgt über elektrische Einzelton-Kegelladen.

Was die Orgel alles kann, zeigte Gottfried Mayer mit einigen Hörbeispielen. Er spielte kurze Ausschnitte aus prachtvollen Kompositionen der Barockzeit, unter anderem von Johann Sebastian Bach und François Couperin, facettenreiche Harmonien der Romantik von Sigfrid Karg-Elert sowie sphärische, glockenspielartige Klänge der Moderne von Naji Hakim. Überdies stellte Mayer einige besondere Klangfarben und Effekte der 52 Register vor. So eine Rarität: das aus der alten Orgel übernommene Zungenregister Renaissance-Rankett, dessen Klang typische Renaissance-Instrumente imitiert. Die Pfeifen des alten Posaunenregisters versah man mit Kupferbechern und arbeitete sie zum Fagott um. Und die Soloklarinette „hat Akkordeonzungen und eine eigene Windversorgung“. Damit sei die Lautstärke stufenlos bis zur Hörgrenze regulierbar, ideal für sinfonische Werke der Romantik.

Die Organisten erhielten auch Einblicke ins Innere, die komplexe Technik und die Vielzahl der unterschiedlichen Pfeifenarten. Sie zeigten sich beeindruckt von der Orgel, die „außerordentlich rund, bunt und organisch“ klinge, fand Nicole Fadani, und Philip Hartmann nannte sie „sehr vielseitig und überzeugend“. Sie hoben die Vielseitigkeit, die Dynamik und den warmen Klang des Instruments hervor und besonders die universellen Möglichkeiten, inspirierende Klangbilder für alle wichtigen Stilbereiche der Orgelmusik zur Verfügung zu haben.

Orgelführungen auch für Familien finden wieder beim Erntedankfest am Sonntag, 6. Oktober, statt.