Richard „Mörtel“ Lugner ist tot

Er nannte sie Mausi, Hasi, Bienchen, ...

Als Bauunternehmer sanierte er halb Wien, mit seinem Privatleben fütterte er zuverlässig den Boulevard: Richard Lugner war ein schillernder Schlawiner, der notorisch die Aufmerksamkeit suchte. Jetzt ist der Wiener mit 91 Jahren gestorben.

Baba, Mörtel: Richard Lugner ist tot.

© dpa/Max Slovencik

Baba, Mörtel: Richard Lugner ist tot.

Von Theresa Schäfer

Es gibt da eine Anekdote, die erzählt man sich in Wien – und sie sagt viel darüber aus, was für ein Mensch Richard Lugner war. Als bei seiner vierten Frau Christina, er nannte sie Mausi, 1993 die Wehen einsetzten, soll der Mörtel noch auf dem Weg ins Krankenhaus einen Journalisten angerufen haben, um die Babymeldung zu verkünden. Der Wiener Bauunternehmer gierte nach Aufmerksamkeit – und bekam er keine, generierte er sie.

In diesem Frühsommer hat er noch einmal geheiratet. Es war seine sechste Ehe, sie dauerte nur wenige Wochen. Am Montag ist Richard Lugner im Alter von 91 Jahren in seiner Heimatstadt Wien gestorben. Dort kam er am 11. Oktober 1932 zur Welt. Sein Vater, ein Rechtsanwalt, war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aus Russland heimgekehrt, er blieb vermisst, und die Mutter zog Richard und seinen Bruder alleine groß.

1953 machte Lugner die Matura, 1962 gründete er sein eigenes Bauunternehmen. Rasch landete fast jeder, der in Wien ein Haus zu renovieren hatte, bei Lugner. Sein Spitzname Mörtel wurde zum Programm: Lugner baute die Wiener Moschee und sanierte die Hauptsynagoge im Ersten Bezirk. Seine Baufirma hatte zeitweise mehr als 600 Beschäftigte. 1990 eröffnete er die „Lugner City“, das zu diesem Zeitpunkt siebtgrößte Einkaufszentrum in Österreich, ein paar Jahre später baute er einen Kinokomplex mit elf Sälen an. Der „Stern“ charakterisierte den Wiener mal als „ausgebufften Geschäftsmann, der selbst dem Papst ein Doppelbett verkaufen könnte“. Die Medien nannten ihn den „Austro-Trump“. Mit seinem Konterpart aus New York gemein hatte Lugner, dass er seinen Erfolg gerne größer redete, als er vielleicht war. 2003 schrammte der Österreicher jedenfalls haarscharf am Konkurs vorbei.

Während Lugner sich zum Millionär hoch „g’schaftelte“, zog seine Jugendliebe Christine Gemeiner, die er Anfang der 1960er Jahre geheiratet hatte, die beiden Söhne groß. Bemerkenswert, dass Christine keinen „Mörtel’schen Diminutiv“ verpasst bekam wie seine späteren Begleiterinnen – zumindest keinen, der der Öffentlichkeit bekannt gewesen wäre. 17 Jahre hielt diese Ehe.

Je mehr Lugner im Geschäft den Söhnen Alexander und Andreas Platz machte, desto mehr, so schien es, suchte er Aufmerksamkeit auf anderen Feldern. 1998 kandidierte er bei der Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten – und holte immerhin 9,9 Prozent der Stimmen. 2016 versuchte er es erneut. Diesmal ließen ihn seine Landsleute mit 2,3 Prozent krachend durchfallen. Sein Wahlkampfslogan „Das Kasperl gewinnt immer“ bewahrheitete sich nicht, es hatte sich ausgekaspert.

Was dem österreichischen (und peu à peu auch dem deutschen) Boulevard aber besonders gefiel, war Mörtels Privatleben. Noch bevor die Kardashians ihr Familienleben vor die Kameras zerrten, gab es im österreichischen Privatfernsehen die Reality-Soap „Die Lugners“. Darin zeigten Richard Lugner und seine vierte Frau Christina ihr Luxusleben – gemeinsame Schaumbäder inklusive. Sie schlugen und vertrugen sich, gifteten sich vor den Kameras an und versöhnten sich wieder: „Meine Leidenschaft brennt heißer noch als Gulaschsaft“, zitierte Lugner Emmerich Kálmáns schmissigen Operettenschlager „Gräfin Mariza“. 2007 ließen sich Mörtel und Mausi nach 16 Ehejahren scheiden. Sie zog 2009 zu Kakerlaken und Spinnen ins RTL-Dschungelcamp.

Nie ließ er die Öffentlichkeit über seine Frauen im Unklaren

Nie ließ Lugner die Öffentlichkeit darüber im Unklaren, wenn eine neue Frau in sein Leben getreten war. Meist waren sie deutlich jünger und stets bekamen sie eine tierische Verniedlichung verpasst: Mausi, Hasi, Bambi, Katzi – sogar einen Goldfisch gab es mal. Dass das Lugner’sche Frauenbild dabei längst so chauvinistisch wie anachronistisch wirkte, störte Mörtel wenig.

Seine sechste und letzte Frau ehelichte Lugner erst vor zehn Wochen. Simone Reiländer, das Bienchen. Lugner hatte rund 20 Fotografen und Kameraleute ins Wiener Rathaus zitiert, sogar auf dem Doppelbett der Hochzeitssuite im Wiener Grand Hotel wurden Braut und Bräutigam abgelichtet.

Reiländer hatte für die Ehe ihren Job als stellvertretende Filialleiterin in einem Baumarkt aufgegeben. Dafür brachte ihr Mann sie in der Geschäftsleitung seines Einkaufszentrums „Lugner City“ unter. „Irgendwann“, sagte er nach der Hochzeit, „wenn es mich nicht mehr geben sollte, wird sie alleinige Chefin sein.“ Mörtel sah sein Liebesleben stets pragmatisch: „Jede Beziehung, die ich eingehe, bringt finanzielle Vorteile für die Partnerin.“ Zu den hundert reichsten Österreichern gehörte Lugner laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ zuletzt aber nicht mehr. Über seine Finanzen sprach der Wiener Bau- und Salonlöwe stets unverblümt: 40 Millionen Euro Schulden habe er angehäuft, gab Lugner zu Beginn dieses Jahres zu Protokoll. Schlechte Schlagzeilen waren Mörtel lieber als keine: „Ich seh’ mich schon gern in der Zeitung“, sagte er treuherzig. In seinem Büro heftete er sorgfältig die Artikel ab, die über ihn erschienen waren.

Der besseren Wiener Gesellschaft war Lugner schon immer eher peinlich: Seine wechselnden Frauen, von lästerlichen Zungen als „Lugners Streichelzoo“ verschmäht. Und natürlich die bezahlten Stargäste, die er alljährlich mit viel Radau auf dem ehrwürdigen Opernball anschleppte: Die Schauspielerin Pamela Anderson war darunter, die Burlesque-Künstlerin Dita von Teese oder das It-Girl Paris Hilton.

2011 provozierte er die Hauptstadt-Schickeria, als er das ehemalige Escort-Girl Karima el-Mahroug in die Staatsoper mitbrachte – „Ruby“ hatte in der „Bunga Bunga“-Affäre den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in Bedrängnis gebracht. Der Opernball-Organisatorin Desirée Treichl-Stürgkh platzte daraufhin der Kragen: „Das ist die größte Peinlichkeit, die Herr Lugner jemals gemacht hat. Es ist traurig, beschämend und pietätlos.”

Wenn sie nicht taten, was er wollte, reagierte Mörtel verschnupft

Wenn die Geladenen für ihre üppige Gage nicht das taten, was ihr Gastgeber sich so vorgestellt hatte, reagierte Mörtel verschnupft: „Die Kim nervt mich, indem sie die Programme nicht einhält“, schimpfte er 2014 über das amerikanische It-Girl Kim Kardashian. Tanzen wollte sie auch nicht mit Lugner, dabei hatte der sich extra Botox spritzen lassen, um die Falten zu glätten. Weil er so was den Journalisten stets frank und frei in die Blöcke diktierte, war er für den Boulevard immer ein gefragter Gesprächspartner.

Wenn gerade nichts passierte in seinem Leben, machte er eben selbst Schlagzeilen – und sei es nur, dass er Journalisten erzählte, er sei gerade „bös’ erkältet“ und müsse deshalb seine Coronaimpfung verschieben. Zuletzt machte dem lange so vital wirkenden Methusalem aber ernsthaft die Gesundheit zu schaffen, er musste sich einer Herz-OP unterziehen und laborierte an den Folgen eines Sturzes. Jetzt ist der „begnadete Selbstdarsteller“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“) gestorben – und Wien ist um einen schillernden Schlawiner ärmer. In seiner Heimat beeilte man sich, den einst Geschmähten zu würdigen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nannte Lugner auf dem Kurznachrichtendienst X „ein österreichisches Original, das sich nie verbogen hat“.

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Erstellt:
12. August 2024, 11:21 Uhr
Aktualisiert:
12. August 2024, 18:11 Uhr

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