Ein Schiffbauer stellt den Einsatzkräften in einer Pilotphase zwei Geräte zur Verfügung. Bei einem ersten Erfahrungsaustausch am Neckar in Hofen konnten sie die Retter nicht vollkommen überzeugen.
Nachgestellter Notfall: DLRG-Taucher Andreas Bauer lässt sich von der Drohne ans Neckarufer ziehen.
Von Sebastian Steegmüller
Stuttgart - Mit gleichmäßigen Schlägen steuert ein junger Mann sein Ruderboot auf dem Neckar in Richtung der Staustufe Hofen. Auf Höhe des Max-Eyth-Sees kommt es zu einem ungleichen Duell. Ein dem Sportler unbekanntes Objekt, das auf den ersten Blick an einen überdimensionalen Bob-Schlitten erinnert, nimmt die Verfolgung auf und überholt ihn mühelos. Wenig später dreht es ab, kehrt zurück zur Anlegestelle. Es handelt sich nicht um ein ferngesteuertes Motorboot, sondern um eine schwimmende Drohne. Im offiziellen Sprachgebrauch Wasserrettungsroboter genannt, somit darf er auch ohne Führerschein auf Seen und Flüssen eingesetzt werden.
Zwei solcher Geräte werden derzeit von der Feuerwehr und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Landesverband Württemberg, getestet. Ausgestattet mit zwei elektrischen Jet-Antrieben bringt es die Drohne auf bis zu 25 Kilometer pro Stunde. „Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Km/h hält der Akku immerhin 70 Minuten durch“, sagt Olivier Wiesner von der HL Schiffstechnik GmbH.
Das Unternehmen aus Kressbronn am Bodensee vertreibt die in Hong Kong gefertigten Drohnen in Deutschland und reagiert mit dem Schritt auf die große Zahl der Personen, die jährlich bundesweit in Seen und Flüssen ertrinke. „Die Drohne kann Rettungskräfte nicht ersetzen, aber sie unterstützen“, so Wiesner, der vollmundig verspricht, dass das „Gerät ideal ist, für alle, die am Wasser im Einsatz sind“. Sie halte einen Sturz aus bis zu 20 Metern Höhe aus, könne also auch vom Helikopter aus ins Wasser abgeworfen werden und würde sich automatisch umdrehen, sollte sie bei zu hohem Wellengang umkippen. „Verliert sie den Kontakt zur Fernbedienung, kehrt sie automatisch zum Ausgangspunkt zurück.“ Natürlich könne sie auch selbstständig an einer Position ausharren oder zu einem bestimmten Zielpunkt schwimmen.
Erste Erfahrungen konnten die Einsatzkräfte bei der Übergabe am Wassersportcenter in Hofen sammeln. Das Fazit fiel gemischt aus. Gelobt wurde die Fernbedienung. Die Steuerung sei einfach und intuitiv, so das Urteil der Tester. Kritisiert wurde unter anderem aber, dass sich die Höchstgeschwindigkeit trotz einer Traglast von 225 Kilogramm deutlich reduziert, sobald ein Mensch von der Drohne gezogen wird. Im Ernstfall könnten es sogar zwei sein: Der Retter mit Equipment wie einer Pressluftflasche und eben ein entkräfteter oder gar bewusstloser Mensch.
„Im besten Fall treffen wir zehn Minuten nach der Alarmierung ein. Während dieser Zeit ist es eher zweifelhaft, ob die zu rettende Person noch in der Lage ist, sich selbst festzuhalten“, sagte Thomas Reischmann, Leiter des Tauchdienstes bei der Stuttgarter Feuerwehr. Ähnlich sieht es auch Andreas Bauer von der DLRG. „Die meisten Personen, die wir aus dem Wasser retten müssen, schwimmen bereits mit dem Gesicht nach unten“, so der Taucher, der sich im Neoprenanzug als Versuchskaninchen zur Verfügung stellte und sich in Hofen kreuz und quer von der Drohne durch den Neckar ziehen ließ. Ihn störte vor allem, dass sie Kreise drehte, sobald er sich seitlich an ihr festhielt. Eine Person, die am ertrinken sei, würde sich auch wahllos an alles klammern und sich eben nicht in der idealen Position an Land ziehen lassen.
Daniel Rück, Geschäftsführer der HL Schiffstechnik GmbH, zeigte sich dankbar für die vielen Rückmeldungen. Während der Pilotphase werde geprüft, wie man die Technik verbessern könne, auch bauliche Veränderungen seien denkbar. „Vielleicht ist die Drohne zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts für Profis.“ Er sehe aber unter anderem an Badeseen bereits Einsatzmöglichkeiten. Am Neckar waren sich die Rettungskräfte einig, dass man die Einsatzzwecke sauber eruieren müsse. DLRG-Taucher Bauer brachte den Hamburger Hafen ins Spiel. „Dort könnten sich die Drohnen bewähren“, sagt er. „Wenn beispielsweise ein Arbeiter acht Meter tief von einer Kaimauer ins Wasser fällt, kann der Kollege die Drohne hinterherwerfen und diese zum Ertrinkenden steuern.“
Auch Thomas Reischmann, der mit seinem Team in der Feuerwache 3 in Bad Cannstatt stationiert ist, sieht das Produkt aufgrund der bereits beschriebenen Szenarien eher im Bereich der Laienrettung. Generell könnte er sich aber vorstellen, dass schwimmende Drohnen künftig in schwer erreichbaren Gebieten oder in Bereichen, in denen man niemand ins Wasser lassen kann, zum Einsatz kommen könnten. „Sie haben mit Sicherheit Potenzial, sind aber auch kein Allheilmittel.“ Für die Suche nach einer am Neckar oder einem anderen Gewässer vermissten Person sei eine fliegende Drohne besser geeignet. Aus der Luft könne man, auch mithilfe der Wärmebildkamera, schneller ein größeres Gebiet abdecken.
Die Feuerwehr überarbeitet derzeit ihr Wasserrettungskonzept und untersucht dabei, wie man die Einsatzkräfte besser unterstützen kann. Dabei würden auch schwimmende Drohnen verschiedener Hersteller getestet. „Ob solch eine Unterstützungsmöglichkeit letztendlich zur Verwendung kommt, steht noch nicht fest“, sagt der 45-Jährige. Für eine flächendeckende Lösung wären die auf dem Markt verfügbaren Drohnen der Feuerwehr wohl auch zu teuer. Je nach Anbieter würden sie mit 5000 bis 7000 Euro zu Buche schlagen.