Gemeinsame Ziele und prozesshafte Arbeitskultur

Ralf Wallau referiert über Lean Management – Im Zentrum stehen für ihn gesunder Menschenverstand und respektvoller Umgang

Von Annette Hohnerlein

MURRHARDT.Der japanische Autohersteller Toyota hat als Erster nach den Grundsätzen des Lean Managements gearbeitet und fährt bis heute gut damit, sagte Ralf Wallau bei seinem Vortrag in der Volkshochschule Murrhardt. Das Prinzip, das auf Kundenorientierung, Vermeidung von Verschwendung, respektvoller Mitarbeiterführung und Lernfähigkeit basiert, sei kein kurzfristiges Patentrezept, sondern eine Frage der grundsätzlichen Ausrichtung eines Unternehmens.

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“. Diesen Satz von Albert Einstein zitiert Ralf Wallau zu Anfang seines Vortrags und untermauert damit ein zentrales Prinzip des Lean Managements: die Lern- und Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens. Er nennt ein aktuelles Beispiel aus der Automobilindustrie: Die Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor verlange von den Herstellern eben diese Eigenschaften, um in der Zukunft bestehen zu können.

Rund 15 Zuhörer aus Produktions- und Dienstleistungsbetrieben waren ins Grabenschulhaus der Volkshochschule Murrhardt gekommen, die die Veranstaltung in Kooperation mit dem Unternehmerforum Oberes Murrtal (Ufom) anbot. Ralf Wallau ist Diplom-Ingenieur der Produktionstechnik, lebt in Murrhardt und beschäftigt sich im Rahmen seiner Tätigkeit in verschiedenen Unternehmen seit vielen Jahren mit Lean Management, das wörtlich übersetzt schlankes Management heißt.

Während seines Vortrags betont er immer wieder: Lean Management ist kein Werkzeugkoffer für kurzfristige Reparaturen, sondern eine unternehmerische Grundhaltung, die auf die Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens abzielt. Dies geschehe in sechs Schritten. Als erstes wird der Blick auf den Kunden gerichtet: Was braucht er, welchen Nutzen erwartet er von dem Produkt? Der Kunde ist das Maß der Dinge, nicht der Lieferant. Zweitens: Der Wertstrom wird analysiert und verbessert: Wie verläuft er, wo kommt er ins Stocken? Wo passiert Verschwendung, wie zum Beispiel der Aufbau von sinnlosen Lagerbeständen? Drittens: Wo passieren Fehler? Wie kann man sie beseitigen? Fehler immer wieder zu machen, werde teuer. Viertens: Eine Vision erschaffen. Die ganze Organisation wird auf die gemeinsamen Ziele hin ausgerichtet. Und zwar Ziele, die nicht konträr gegeneinander laufen. „Das passiert in allen Unternehmen massivst“, so Wallau. Fünftens: Eine agile, lernende Organisation wird geschaffen; „Es geht nicht um die Person, die einen Fehler gemacht hat, sondern um den Prozess.“ Um – sechstens – eine Unternehmenskultur zu etablieren und durch Standards zu stabilisieren, die von kontinuierlicher Weiterentwicklung geprägt ist.

Immer wieder betont Wallau, welche zentrale Bedeutung der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern hat. „Lean ist Führung“, beschwört er seine Zuhörer, „wir brauchen Führungskräfte, die das verstanden haben und die gerne mit Menschen arbeiten. Dann macht die Arbeit Spaß, dann bewegt sich was.“ Dazu gehöre, die Mitarbeiter anzuhören und mit einzubeziehen, Fehler zuzulassen, die Dinge transparent zu machen, Visionen zu vermitteln und Ziele zu formulieren. Er fordert eine Unternehmenskultur, bei der alle an einem Strang ziehen: „Zusammenarbeit ist angesagt. Jeder muss den Wertstrom verstehen.“

Würde diese Philosophie gelebt, verwandle sich ein Unternehmen in einen Organismus, der sich im ständigen Wandel erneuert, vergleichbar einem lebenden Wesen, dessen Zellen sich ständig regenerieren. Als Vorbild nennt er immer wieder Toyota; „Die kommen nie geschwächt aus einer Krise heraus. Warum eigentlich?“

Zum Schluss gab Wallau Unternehmern, die das Lean-Prinzip umsetzen wollen, den Ratschlag, ihre Sinne zu gebrauchen und anhand von folgenden Stichworten vorzugehen: Füße, das bedeutet: Gehe an den Ort des Geschehens; Augen: Schaue hin, nimm dir Zeit; Ohren: Höre zu und frage nach; Mund: Rede mit den Leuten; Hände: Packe selber mit an; Nase: Rieche, wenn etwas faul ist. Und schließlich das Hirn: Setze deinen gesunden Menschenverstand ein.

Wallau schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Alles, was ich erzählt habe, ist nichts Besonderes, sondern genau das: gesunder Menschenverstand.“ Er verriet allerdings nicht, wie man Menschen dazu bringt, den gesunden Menschenverstand einzusetzen und mit ihren Mitmenschen respektvoll umzugehen. Denn klar ist: Diese Dinge kann man nicht in einer Schulung vermitteln wie den Umgang mit einer neuen Maschine oder einem neuen EDV-System. Dies sind Fähigkeiten, die in der Kindheit angelegt werden oder auch nicht. Und das dürfte auch der Grund sein, warum Lean Management, wenn es wirklich so erfolgreich ist wie Wallau propagiert, nicht schon längst überall angewendet wird. Aber dieses Problem wäre ein anderes Thema, für einen anderen Vortrag.

Gemeinsame Ziele und prozesshafte Arbeitskultur