Den zweiten Konzertabend hat eine größere Gruppe der Akademieteilnehmerinnen und -teilnehmer gestaltet (von links): Soohyun Park, Nanae Maruyama, Ariel Sirat, Soyeon Chang, Andjela Bolesnikov, Yeram Park, Maik Kronhart, Jinhao Chen und Julia Stephan. Foto: Elisabeth Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Hochkarätige, teils überaus komplexe und facettenreiche Tonkunstwerke aus verschiedenen Epochen und Stilen vom Barock bis zur Moderne stehen auf dem Programm des zweiten Teilnehmerkonzerts der 21. Internationalen Klavierakademie in der Festhalle. Neun Künstlerinnen und Künstler aus Europa und Asien präsentieren durchweg mit Verve und großer Musizierfreude virtuose und emotional überzeugende Interpretationen am Fazioli-Konzertflügel.
Die 20-jährige, in Berlin studierende Südkoreanerin Soohyun Park bringt stilvoll gleich drei Präludien und Fugen des großen Meisters Johann Sebastian Bach zu Gehör. Klangschön arbeitet sie in allen die Mehrstimmigkeit und Fülle ornamentaler Figuren heraus. Gedankenvoll zwischen unterschiedlichen Stimmungen changiert Nr. 1 C-Dur. Heiter verspielt, aber auch ernst und tiefsinnig erklingt Nr. 2 c-Moll. Schnelle Figuren wie Triolen bewirken eine vorwärtstreibende Motorik in Nr. 6 d-Moll.
Von schwermütig bis optimistisch
Die 25-jährige Japanerin Nanae Maruyama studiert an der Showa-Musikuniversität in Kawasaki zwischen Tokio und Yokohama. Melodisch und anmutig gestaltet sie den ersten Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys groß angelegter Fantasie op. 28 fis-Moll. Er ist bestimmt von rasch wechselnden, unterschiedlichen Stimmungen und Charakteren, die Bandbreite reicht von schwermütigen und emotional aufgewühlten Passagen bis zu optimistischen Momenten. Vom selben Komponisten präsentiert der in Leipzig studierende 22-jährige Chinese Jinhao Chen 17 ernste Variationen Opus 54 d-Moll mit einem Thema, das an ein geistliches Lied erinnert. Souverän bringt er die vielen verschiedenartigen Details, Effekte, Rhythmen und Nuancen präzise zum Ausdruck.
Dynamisch und emotional fein differenziert gestaltet die 25-jährige Ungarin Andjela Bolesnikov, die in Stuttgart studiert, Robert Schumanns drei Fantasiestücke Opus 111. Impulsive gebrochene Akkorde und aufgewühlte Gefühle prägen das erste Stück, das mit „Sehr rasch, mit leidenschaftlichem Vortrag“ überschrieben ist. Liedhafte Melodik und idyllische Stimmung dominieren Part zwei – „Ziemlich langsam“. Und energische, temperamentvolle, marschähnliche Bewegungen und heitere Momente bestimmen das finale Stück: „Kräftig und sehr markiert“.
In Leipzig studiert auch die 27-jährige Koreanerin Yeram Park. Ausdrucksstark präsentiert sie Sergej Rachmaninows Variationen Opus 42 über das barocke Thema „La Follia – die Tollheit“ von Archangelo Corelli. 1931 komponierte Rachmaninow sie im amerikanischen Exil als letztes Werk für Klavier solo. Stimmig bringt Park den herben, schwermütigen Charakter zur Entfaltung, mit komplexen Rhythmen und überraschend innovativen und harmonisch-dissonanten Strukturen an der Grenze zu atonalen Klängen.
Der 62-jährige französische Amateurpianist Ariel Sirat (siehe weiterer Bericht) verzaubert das Publikum mit seiner nuancenreichen Darstellung des Stücks „Die Terrasse der Mondscheinaudienzen“ L123 Nr. 7 aus Claude Debussys zweitem Buch der Préludes. Die impressionistische Klangmalerei illustriert atmosphärisch einen Traum über mystische Licht- und Farbenspiele des Mondscheins. Zur selben Sammlung gehört „Feuerwerk“ L123 Nr. 12: Die 21-jährige, in Berlin studierende Deutsche Julia Stephan veranschaulicht darin verschiedene Feuerwerksformen und -figuren durch eine Vielzahl virtuoser Motive, Figuren, Läufe und Effekte.
„Der Feuervogel“ als fulminantes Finale
Minutiös gestaltet der 23-jährige Deutsche Maik Kronhart, der in Hannover an der Hochschule studiert, Dmitri Schostakowitschs „Tänze der Puppen“. Die sieben kurzen, folkloristisch wirkenden Stücke in verschiedenen Stimmungen und Rhythmen von Walzer und Polka bis zu einem scherzoartigen, schnellen Marsch bereiten viel Vergnügen. Den krönenden Abschluss bildet die Klavierbearbeitung von Igor Strawinskys Musik zum Ballett „Der Feuervogel“ durch Guido Agosti, fulminant dargeboten durch die 30-jährige Südkoreanerin Soyeon Chang, die an der Seoul National University studiert hat. Die Komposition nach einem Märchen von Alexander Afanasjew erzählt, wie der Thronfolger Iwan Zarewitsch einen bunt schillernden Vogel fängt. Dieser sitzt in einem Baum mit goldenen Früchten und verspricht dem Thronfolger, ihm in jeder Not zu helfen, wenn er ihn freilässt. Effektvoll gestaltet Chang den ersten Teil, der hochdramatisch, expressiv, dissonant und teils perkussiv wirkt. Daraus entwickelt sie detailliert eine impressionistische Melodie, die zart und leise beginnt und sich zu strahlenden, triumphierenden Harmonien steigert. Mit Bravorufen und enthusiastischem Beifall dankt das hingerissene Publikum den Mitwirkenden für das grandiose Konzerterlebnis.