Hans-Ulrich Kirmse hält neuen Kurs der TSG Backnang Tennis für einen Irrweg

Die Ära des Cheftrainers der TSG Backnang Tennis endet nach 37 Jahren in einem offenkundigen Zerwürfnis mit der aktuellen Vereinsleitung. „Der Leistungssport wird komplett an die Wand gefahren“, sagt der ehrgeizige Coach über den Bereich, der ihm seit jeher ein Herzensanliegen ist.

Der grimmige Blick von Hans-Ulrich Kirmse passt zum Ärger auf der Zielgeraden seiner langen Zeit als TSG-Cheftrainer, die viele Jahre ein Glücksfall für beide Seiten war. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der grimmige Blick von Hans-Ulrich Kirmse passt zum Ärger auf der Zielgeraden seiner langen Zeit als TSG-Cheftrainer, die viele Jahre ein Glücksfall für beide Seiten war. Foto: Alexander Becher

Von Steffen Grün

Das Hobby zum Beruf gemacht, die Arbeit in Backnang zum Lebenswerk: Als Hans-Ulrich Kirmse nach 30 Jahren bei der TSG Tennis 2016 eine Zwischenbilanz zog, war der Chefcoach mit sich und seinem Tun auf der herrlichen Anlage an der Weissacher Straße im Reinen. Das ist der 62-Jährige, der als Mittzwanziger im Mai 1986 beim damals noch auf der Maubacher Höhe beheimateten Verein angeheuert hatte, sieben Jahre später im Prinzip immer noch. „Es war eine sehr spannende und erfolgreiche Zeit, die ich geliebt und geschätzt habe“, sagt Kirmse über die von ihm geprägte Ära mit den vielen Meisterschaften und Aufstiegen. Wie sie nun allerdings zum Monatsende ausklingt, stimmt ihn traurig und durchaus auch wütend.

Dass der eigentlich noch bis 2024 gültige Vertrag vorzeitig aufgelöst wird, hat vor allem mit den sehr gegensätzlichen Vorstellungen von Hans-Ulrich Kirmse und dem Vorsitzenden Klaus Lindner zur Bedeutung des Leistungssports für die TSG zu tun. Die gab es bereits eine ganze Weile, sie manifestierten sich aber zunehmend und mündeten in der Trennung, als sich die Vereinsleitung für den radikalen Umbruch entschieden hatte. Das teilten die Macher den Mitgliedern und der Öffentlichkeit Anfang dieses Jahres inklusive Details zum Kursschwenk mit (wir berichteten). Nochmals, in aller Kürze, die wichtigsten Punkte: eine zumindest einstweilige, mit finanziellen Zwängen begründete Abkehr vom Leistungssport, eine verstärkte Konzentration auf die Nachwuchsarbeit und den Breitensport und die Gründung einer vereinseigenen Tennisschule anstelle des bisherigen Vertrags mit der von Kirmse.

„Ich trete nicht nach, ich stelle nur fest“, sagt Kirmse über seine klaren Worte

Auf den Aufschlag der Verantwortlichen folgt nun der Return des Trainers. Oder der Schmetterball? Auf alle Fälle macht Kirmse aus seinem Herzen keine Mördergrube, doch eines ist ihm wichtig: „Ich trete nicht nach, ich stelle nur fest.“ Schnell wird deutlich, dass der Zwist um den Stellenwert des Leistungssports seit Langem schwelt und auf der Zielgeraden der Zusammenarbeit zum Zerwürfnis geführt hat. Dieser Bereich sei binnen kürzester Zeit „komplett an die Wand gefahren“ worden, konstatiert der gebürtige Lauffener und verweist insbesondere auf die Ligen, in denen die Aktiven in der kommenden Saison um Punkte kämpfen. Das erste Männerteam spielt nach dem Abstieg aus der Württembergliga anstatt in der Oberliga in der Bezirksklasse 2 gegen Klubs wie die SF Höfen-Baach. Für die erste Frauenmannschaft ist die Verbandsliga passé, stattdessen ist nun die Kreisklasse 1 mit Rivalen wie dem TC Schorndorf IV angesagt.

„Es tut mir schon weh zu sehen, was aus meiner Arbeit in einer so kurzen Zeit geworden ist“, sagt Kirmse. Ihn stimmt auch traurig, dass alle Spielerinnen und Spieler, die diesen Weg mit ihren Fähigkeiten nicht mitgehen wollten, den Verein verlassen haben. Ebenso wie alle bisherigen Trainer an Kirmses Seite, was in dessen Augen zum „Dominoeffekt“ bis hinab in den ohnehin für alle Vereine schwierigen und deshalb hart umkämpften Nachwuchsbereich führte: „Dadurch, dass die Trainer weg sind, sind auch viele Kinder und Jugendlichen weg.“ Folge: Für die bevorstehende Sommerrunde habe die TSG weniger Jugendteams gemeldet als noch vor zwölf Monaten, „als wir nach der Coronazeit einen guten Neustart hatten“.

Sein Plädoyer für den Leistungssport unterfüttert Hans-Ulrich Kirmse mit Argumenten. Eines ist die 2000 eingeweihte Anlage, „eine der größten und schönsten in Baden-Württemberg. Sie sollte eine Verpflichtung sein, hochklassigen Sport präsentieren zu können. So, wie das andere Vereine in Backnang auch tun“, meint der Trainer mit Blick auf die Handballer vom HCOB oder die Fußballer, Judokas und Volleyballerinnen der TSG. Er reduziert die Sichtweise aber nicht auf die Aktiven, sondern sieht den Verein zudem in der Pflicht, herausragende Talente zu fördern. Einfach nur darauf zu warten, dass anderswo mal wieder ein Boris Becker oder eine Steffi Graf entwickelt wird und ein Boom wie in den 1980ern entsteht, sei nicht die richtige Haltung. Daher könnte es Kirmse noch verstehen, den Leistungssport etwas herunterzufahren, aber „die Verantwortlichen setzen derzeit nur noch auf Breitensport“. Auch die Backnang Open, ein 2022 erstmals ausgerichtetes Preisgeldturnier auf DTB-Niveau, gibt es kein zweites Mal. Organisiert wurde es vor allem von Jugendwart Florian Jakob sowie Sportwart und Eigengewächs Maximilian Hepp, die nicht nur als Spieler in der Württembergliga eine wichtige Rolle innehatten, sondern sich auch ehrenamtlich engagierten. Beide teilten weitgehend die Haltung des Cheftrainers zum Leistungssport und gaben ihre Ämter ab.

Dass Kirmse den neuen Kurs der Vereinsleitung für einen Irrweg hält, daraus macht er keinen Hehl. Zumal unter seinen Vorstellungen in 37 Jahren „niemand gelitten“ habe. Es seien stets genug Plätze für alle Mitglieder verfügbar gewesen und er selbst habe Prioritäten gesetzt: „95 Prozent meiner Arbeit waren Hobby- und Breitensport. Damit habe ich mein Geld verdient. Was mit Leistungssport zu tun hatte, war ehrenamtlich.“ Vor allem in seiner Funktion als Vorsitzender des 1994 gegründeten Fördervereins, der die nötigen Gelder im Aktiven- und Jugendbereich „zu 100 Prozent akquiriert hat. Wir haben viele Sponsoren gewonnen.“ Sie inserierten in der Vereinszeitung Netzroller oder waren mit Werbebannern auf der Anlage präsent. Dafür gab es laut Kirmse eine Vereinbarung, die vom Hauptverein, der sich vor allem über Platzmieten, Beiträge oder die Vereinsheimpacht finanziere, zum 31. Dezember 2022 gekündigt wurde. „Der Hauptverein will nun selbst ernten“, glaubt der verärgerte Trainer, äußert aber Zweifel, ob alle Sponsoren dem Verein auch ohne hochklassiges Tennis treu bleiben und der Kinder- und Jugendförderkreis profitiert.

Für die Herren 60 der TSG will Kirmse weiterhin zum Schläger greifen

„Die Frage, das Geld anders einsetzen zu können, stellt sich in anderen Vereinen und Sportarten auch“, sagt Kirmse rückblickend. Ihm stößt es aber sauer auf, wenn alles auf einen Ausländer als Nummer eins reduziert wird, ohne den man in gehobenen Klassen „nicht konkurrenzfähig“ ist. Man habe den Spagat zwischen den Zugängen aus nah und fern und dem Einbau von Eigengewächsen wie zuletzt Maximilian Hepp, Kay Bartmann und Gil Uwe Grund stets gut hinbekommen. „Das war immer unser Weg, das hatte Struktur.“ Das habe auch für die Frauen gegolten.

Für Kirmse ist die Zeit als TSG-Trainer nun vorbei. Einen Bezugspunkt zum Verein hat der Ex-Bundesliga-Spieler des TC Weissenhof aber noch: „Ich spiele weiter bei den Herren 60 in der Regionalliga Südwest, mit fast denselben Leuten wie vor 10, 15 Jahren. Das ist mein Hobby, das will ich mir nicht nehmen lassen.“ Mit den Herren 70 und 75 in derselben Liga sei es auch das, „was vom Leistungssport bei der TSG übrig bleibt“.

Wie geht es für Kirmse weiter?

Trainer Aufs Altenteil zieht sich Hans-Ulrich Kirmse mit 62 Jahren noch nicht zurück. Er bleibt mit seiner Tennisschule wie schon seit einigen Jahren für den TC Korb im Einsatz, zudem steigt er am 1. Mai beim TSV Althütte und beim TC Kirchheim/Neckar ein. Letzteres „ist eine Rückkehr zu den Wurzeln, weil ich dort aufgewachsen bin, meine ganze Familie immer noch in Kirchheim oder Lauffen lebt und ich vor rund 40 Jahren schon einmal kurz als Trainer dort war“, betont der selbst in Sachsenweiler wohnende Kirmse. Ein weiteres Aufgabengebiet sind seine Tennisreisen nach Mallorca und Südtirol.

Funktionär Kirmse steht mittlerweile an der Spitze des Fördervereins des Sports 1994, der aus dem ebenfalls von ihm geleiteten Förderverein der TSG Tennis hervorgegangen ist. „Wir haben die Satzung geändert“, erklärt er. Das Ziel ist im ersten Schritt, die beantragenden Klubs bei attraktiven Tennisevents finanziell zu unterstützen, später könnten andere Sportarten dazukommen.

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Erstellt:
26. April 2023, 06:00 Uhr

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