HCOB-Trainer Volker Blumenschein: „Wir können mit maximalem Risiko spielen“

Interview Volker Blumenschein fühlt sich mit den Handballern des HC Oppenweiler/Backnang als Außenseiter in der Aufstiegsrunde zur Zweiten Handball-Bundesliga wohl. Der Trainer spricht vor der ersten Partie am Samstag um 20 Uhr zu Hause gegen die HSG Hanau über die Entwicklung des Teams und des Vereins.

Trainer Volker Blumenschein kann sich vorstellen, dem HC Oppenweiler/Backnang in anderer Form erhalten zu bleiben. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Trainer Volker Blumenschein kann sich vorstellen, dem HC Oppenweiler/Backnang in anderer Form erhalten zu bleiben. Foto: Alexander Becher

Überwiegt bei Ihnen kurz vor dem Start in die Zweitliga-Aufstiegsrunde die Anspannung oder die Vorfreude?

Wir freuen uns nach wie vor sehr, dass wir mit dem Einzug in die Aufstiegsrunde unser primäres Saisonziel erreicht haben. Mitten in der Spielvorbereitung kommt nun allerdings schon langsam auch ein bisschen die Anspannung dazu. Insofern ist beides da.

Los geht es zu Hause gegen Hanau. Ideal, um mit dem Heimvorteil sofort ein Zeichen zu setzen, oder wäre Ihnen ein Auswärtsspiel mit etwas weniger Druck als Einstieg vielleicht lieber gewesen?

Für uns ist es gut, in unserem Wohnzimmer zu starten, weil wir mit der Unterstützung unserer tollen Fans eine bessere Siegchance haben. Bei uns zu gewinnen, ist für jeden Gegner schwierig, da es eine spezielle, sehr enge Halle ist. Es gibt in der Aufstiegsrunde aber kein einziges leichtes Spiel mehr. Da sind die besten Drittliga-Teams aus ganz Deutschland dabei, die haben alle ihre Qualität. Jedes Spiel ist eine spannende Aufgabe.

Als Sie der HCOB im November 2022 als Interimstrainer wollte, war das Team mit vier Punkten Rückstand auf Fürstenfeldbruck nur Vierter. Warum mussten Sie trotzdem nicht lange zögern?

Weil es eine besonders spannende Aufgabe war, die mich gereizt hat. Sonst hätte ich es nicht gemacht. Es ist etwas anderes, ob du einen Verein im Abstiegskampf übernimmst und ihn retten sollst oder ob ein Verein auf dich zukommt, der seinen Zielen hinterherhinkt, aber an seine Mannschaft glaubt und dir zutraut, sie wieder auf Kurs zu bringen.

Dass Sie von Anfang an der Platzhalter für den künftigen Coach Daniel Brack waren, hat Ihnen nie etwas ausgemacht?

Überhaupt nicht. Ich selbst habe sofort gesagt, dass ich es nicht über die Saison hinaus machen kann, da ich beruflich sehr eingespannt bin und meine Frau zu Recht fordert, dass die Familie an erster Stelle steht. Als die Rückmeldung kam, dass das auch im Sinn des Vereins ist, weil es bereits Gespräche über eine langfristige Lösung gab, war die Konstellation für beide Seiten ideal.

Hatten Sie Kontakt mit Vorgänger Matthias Heineke oder haben Sie sich nur auf Ihre eigenen Eindrücke verlassen?

Ich wollte neutral an die Sache herangehen. Zudem hatte ich die letzte Partie des HCOB vor meinem Amtsantritt gesehen. Das war in Horkheim und ich war dort, weil ich dem TSB als meinem langjährigen Ex-Verein mal wieder zuschauen wollte. Den Kontakt mit Matze habe ich nicht gesucht, weil er natürlich wahnsinnig enttäuscht war und nichts Positives herausgekommen wäre. Ich musste die Aufgabe aber mit maximal positivem Ehrgeiz angehen, da hätten negative Vibes nichts beigetragen. Ich habe mir Meinungen von vielen Spielern, meinem Co-Trainer Sebastian Frank und Leuten aus dem Umfeld eingeholt und so losgelegt, wie ich dachte, dass wir es gemeinsam hinkriegen könnten.

Woran hakte es damals und an welcher Stellschraube drehten Sie als Erstes?

In der Abwehr waren Ansatzpunkte da, das hatten 44 Gegentore in Kornwestheim oder 36 in Horkheim gezeigt. Damit haben wir dann angefangen, weil ich mir sicher war, dass wir da die schnellsten Erfolge sehen.

Was waren die weiteren Schritte?

Wir haben das Projekt in drei Bausteine unterteilt: Abwehr, Angriff, Tempogegenstoß. Das war mit gewissem Risiko behaftet. Wir hätten von Anfang an auch gleichzeitig an allen Punkten ein bisschen arbeiten können, aber wir wollten nacheinander in jedem Bereich so gut werden, dass wir das Ziel Aufstiegsrunde auch erreichen. Daher haben wir uns in den ersten vier Wochen fast nur auf die Abwehr konzentriert. Danach haben wir sechs Wochen fast nur den Baukasten im Angriff erweitert. Zuletzt kam der Gegenstoß, aber da sind wir wegen einer Krankheitswelle noch nicht so weit, wie wir es gerne wären.

Wann waren Sie überzeugt, dass es zum Einzug in die Aufstiegsrunde reicht?

Wir haben in der Rückrunde gegen alle Mitfavoriten gepunktet, fast immer gewonnen, dadurch wurden die Überzeugung und unser Selbstvertrauen immer größer. Wir richten uns jetzt nicht mehr nach den Gegnern, sondern wollen dem Spiel unseren Stempel aufdrücken. Beim Sponsorenabend vor vier Wochen habe ich dann auch öffentlich gesagt, dass wir uns das nicht mehr nehmen lassen.

Wie sehen Sie die Aufstiegschancen?

Wir müssen mit Demut an die Sache herangehen. Da sind Vereine dabei, die schon viel Zweitliga-Erfahrung haben, teils unter Profibedingungen arbeiten und mit Profis spielen – davon sind wir, Stand heute, noch ein Stück weg. Unsere Chance liegt darin, dass uns keiner so richtig auf dem Zettel hat und wir das Hauptsaisonziel bereits erreicht haben. Wir haben daher null Druck, können mit maximalem Risiko spielen. Dann werden wir sehen, was am Ende herauskommt.

Wer sind Ihre Aufstiegsfavoriten?

Emsdetten, Aue, vielleicht noch Vinnhorst.

Haben Sie sich mit Ihrem Nachfolger Daniel Brack schon ausgetauscht?

Als er mit dem VfL Pfullingen Ende Januar bei uns war, haben wir uns natürlich eine Weile unterhalten. Ich weiß auch, dass Daniel sehr oft mit unserem Geschäftsführer Jonas Frank und unserem Sportlichen Leiter Jochen Bartels in Kontakt steht, er ist also bestens informiert. Mein Ziel ist es, Daniel die Mannschaft so zu übergeben, dass sie mit maximalem Selbstvertrauen und top vorbereitet auch in die nächste Saison geht.

Wäre der HCOB für die Zweite Bundesliga gerüstet? Schauen wir zunächst auf die bisherigen Zugänge und den Kader.

Die bisherigen Verpflichtungen sind mit Niklas Diebel, Axel Goller und Markus Dangers sehr gut. Das sind hochinteressante Spieler, die ihre sportliche Qualität schon nachgewiesen haben. Im aktuellen Team gibts viele Akteure, die noch entwicklungsfähig sind. Bestes Beispiel ist Martin Schmiedt, der in der Rückrunde förmlich explodiert ist. Sollte es mit dem Aufstieg klappen, werden die Verantwortlichen sich überlegen, ob man den Kader vielleicht nochmals verstärken muss.

Und mit Blick auf die Infrastruktur?

Es ist toll, dass die neue Halle in Backnang gebaut wird. Schade, dass es nicht schneller geht. Wir hätten sie für die Aufstiegsspiele gerne bereits gehabt und sie wäre auch voll geworden. Im Hintergrund wird massiv daran gearbeitet, die Infrastruktur weiter zu verbessern und sich auch um das Team herum immer weiterzuentwickeln. Der HCOB hat die besten Chancen, seine konsequent verfolgten Ziele auch tatsächlich zu erreichen, da der Verein, die Sponsoren und die Stadt gemeinsam an einem Strang ziehen.

Kann ein Aufstieg zu früh kommen?

Ein Aufstieg kommt nie zu früh, aber man kriegt immer nur das, was man verdient hat. Wenn es in der Aufstiegsrunde nicht reicht, ist es auch okay, in der neuen Saison weiter in der Dritten Liga zu spielen. Sollte es reichen, gibt es im Verein genügend Leute, die das Team dann so aufstellen werden, dass es den Klassenverbleib auch schaffen kann.

Würde es Ihnen nicht wehtun, im Moment des größten Erfolgs einen Zweitliga-Aufsteiger abgeben zu müssen?

Nein, überhaupt nicht. Für mich wäre es ein Traum, die Mannschaft nach der gebührend gefeierten Meisterschaft auch noch in die Zweite Bundesliga zu führen. Das wäre eine tolle Sache und dass es dann vorbei ist, darüber mache ich mir derzeit keine Gedanken.

Ist für Sie als Trainer wirklich Schluss, obwohl Sie erst 54 Jahre alt sind?

Ich sagte vor der Rückkehr zum HCOB, dass ich keine Mannschaft mehr trainieren will. Also habe ich gelernt, dass man besser nie nie sagen sollte. Als es zuletzt einige interessante Anfragen gab, bin ich aber konsequent geblieben. Derzeit ist definitiv nicht geplant, im Sommer einen Verein zu übernehmen. Es könnte durchaus auch passieren, dass ich den HCOB vielleicht in anderer Form unterstütze, das wäre auch eine interessante Aufgabe. Da gibt es Gedankenspiele, wir setzen uns zu gegebener Zeit zusammen.

Das Gespräch führte Steffen Grün.

Einige Titel und Aufstiege gefeiert

Spieler Der am 25. April 1968 in Stuttgart geborene und mit seiner Ehefrau Petra in Ditzingen wohnende Volker Blumenschein spielte Handball in der Jugend bei den TSF Ditzingen und dann bei der SV Böblingen.

Coach Die zweite Laufbahn des Vaters zweier erwachsener Kinder begann als Spielertrainer und Trainer bei der Spvgg Bissingen und beim VfL Sindelfingen. 2006 übernahm Blumenschein den TSB Horkheim in der Baden-Württemberg-Oberliga, führte ihn 2008 als Meister in die Regionalliga Süd und 2010 als Zweiter in die neue Dritte Liga Süd. Nach drei weiteren Vizemeisterschaften und zwei HVW-Pokalsiegen wechselte der Coach im Juli 2013 zum TV Oppenweiler in die Baden-Württemberg-Oberliga. In der Premierensaison gab es Platz fünf, dann bedeutete 2015 der zweite Rang den Sprung in die Dritte Liga – pünktlich zum Start des HCOB. Auf einen tollen Start folgten sechs Pleiten in Serie und die Trennung von Blumenschein, der nach Stationen bei der HSG Böblingen/Sindelfingen (2016 bis 2018, mit Aufstieg in die Württembergliga) und bei seinem Ex-Klub in Horkheim (2018/2019) im vergangenen November trotzdem ins Murrtal zurückkehrte und den HCOB zum Drittliga-Meister machte.

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Erstellt:
13. April 2023, 06:00 Uhr

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