Hilfslieferung erfordert Improvisationstalent

Jonas Oppenländer, Sebastian Krämer und Thomas Pfreundtner vom Murrhardter Verein „Munero“ können ihre Spenden für die Ukraine übergeben. Das funktioniert zwar zunächst nicht so reibungslos wie gehofft, aber das Team meistert die Hürden im Grenzgebiet schließlich doch.

Hilfslieferung erfordert Improvisationstalent

Geschafft: Jonas Oppenländer, Sebastian Krämer und Thomas Pfreundtner (von rechts) vor dem ukrainischen Laster, der mit den über den Verein gesammelten Spenden beladen ist und nun zur Abfahrt bereitsteht. Fotos: privat

Von Christine Schick

Murrhardt. Der Auftrag war klar: die vom Verein „Munero Ready2Rallye“ mit Mitgliedern aus Murrhardt, Wüstenrot und Heilbronn gesammelten Spenden für die Ukraine ins Land bringen (wir berichteten). Dabei konnte der Verein auf die Hilfe eines Speditionsunternehmens zählen, das zwei Fahrer sowie einen Laster für die Tour bereitstellte. Es waren sehr viel mehr Spenden zusammengekommen als zu Anfang gedacht. Also machen sich die Mitarbeiter Karl Steiner und Tim Oberhardt mit einem 40-Tonner sowie die „Muneros“ Jonas Oppenländer, Sebastian Krämer und Thomas Pfreundtner in ihrem Fahrzeug auf den Weg gen Osten. „Wir sind getrennt gefahren, haben uns an der Grenze getroffen“, erzählt Jonas Oppenländer. Die Tour läuft gut, nach rund 14 Stunden sind Tschechien und die Slowakei durchquert und das Team kommt an der Grenze zur Ukraine nahe Uzhhorod an. Die ersten Eindrücke, die vom Krieg und den flüchtenden Menschen zeugen, sind beklemmend. Mitarbeiter der Malteser kümmern sich um die Ankommenden.

„Ich erinnere mich an eine Mutter mit ihren zwei Kindern, die ein Kuscheltier und einen Fruchtdrink bekommen haben“, sagt der Murrhardter. „Das vor Ort zu erleben ist schon etwas anderes als über eine Nachrichtensendung.“ Auch wenn der Grenzübergang nicht besonders überfüllt ist, wird die Situation für Jonas Oppenländer greifbarer. „Die Flüchtlinge kamen beispielsweise mit dem Einkaufswagen dort an, in dem sie ihr Hab und Gut verstaut hatten, die Menschen trugen Alltagskleidung, so, als wären sie gerade von ihrem Sofa aufgestanden“, sagt er und beschreibt damit auch, wie unwirklich es sich für ihn anfühlt, die Auswirkungen dieses Krieges zu erleben.

Verabredet sind die fünf Männer mit einer ukrainischen Lehrerin sowie ihrer Kollegin aus Uzhhorod, die auch Deutsch unterrichten und sich um die Entgegennahme und Verteilung der Spenden kümmern werden. Die haltbaren Lebensmittel und Konserven sind für die Städte Butscha, rund 25 Kilometer von Kiew, und Charkiw im Osten des Landes bestimmt. Die Freude über die Hilfe wird spürbar; zugleich lässt die Beschreibung ihrer Helferin und Kontaktfrau Julia keine Zweifel an der generellen Lage: „Die Fertigprodukte gehen jetzt in Regionen, in denen die Supermarktregale nicht leer sind, sondern in denen der Supermarkt nicht mehr steht.“ Waren wie Reis und Kartoffeln sollen in der Stadt nahe der Grenze bleiben, denn dort gibt es noch die nötige Infrastruktur – Küchen und Ausgabestellen –, damit das Essen zubereitet und später an Bedürftige verteilt werden kann.

All das ist vereinbart, aber dann ist das Team mit einem Problem konfrontiert: An der Grenze wird für die Ausreise aus der Slowakei ein Zulassungsschein für den Auflieger des Lasters verlangt – und zwar im Original, die beglaubigte Urkundenkopie reicht nicht aus, erzählt Jonas Oppenländer. Die Gruppe versucht, einen Ausweg zu finden. „Wir haben uns auch an die deutsche Botschaft in der Slowakei gewendet.“ Irgendwann aber ist klar, dass die Ausreise mit dem Laster nicht funktionieren wird und dass das Team improvisieren muss. Der neue Plan: die Waren noch in der Slowakei umladen. Thomas Pfreundtner verfügt sogar über einen Lkw-Führerschein. Allerdings braucht es auch einen entsprechend zugelassenen Laster für die Aktion, und der muss erst mal organisiert werden. „Zudem wollten wir ja auch, dass unsere zwei Lkw-Fahrer schnell wieder die Heimreise antreten können“, berichtet Jonas Oppenländer. Für die beiden soll nach dem Wochenende der normale Arbeitsalltag bei der Spedition wieder starten. Also wird viel telefoniert und es gehen einige Stunden ins Land.

Schließlich kommt ihr ukrainischer Bekannter Romi ins Spiel, der ebenso in die Hilfsaktion eingebunden ist. „Er ist gut vernetzt und hat einen Baustoffhändler in der Slowakei gefunden, bei dem wir die Waren lagern durften, damit sie später von Ukrainern abgeholt werden konnten.“ Nach dem Abladen geht es für Karl Steiner und Tim Oberhardt wieder auf die Heimreise; das Munero-Team will aber bleiben, um die Übergabe noch zu begleiten. Auch dieser letzte Part gelingt, die drei erwischen noch die von der Lehrerin und ihrer Kollegin koordinierten Helfer und können sich nun sicher sein, dass alles gut über die Bühne und Grenze geht. Beeindruckt sind sie, wie ruhig und zuversichtlich die beiden Frauen bleiben. Schon zuvor sind sie einige Zeit auf der ukrainischen Seite, nehmen die bedrückende Stimmung auf, die Panzersperren, geschlossene Tankstellen und Sirenen vermitteln. Genauso eindrücklich: wie sich die Menschen über die Lebensmittel freuen. „Da wird einem bewusst, wie wertvoll etwas werden kann; essen zu können ist für uns ja erst mal selbstverständlich.“ Augenfällig ist auch die Präsenz von Frauen und Kindern einerseits und die Abwesenheit der Männer andererseits, wobei an der Grenze auch Ukrainerinnen in Uniform zu sehen sind, berichtet Jonas Oppenländer.

Nach dem logistischen Improvisationserfolg geht es für die drei zurück. Auch wenn sie zuerst bangen mussten, dass alles funktioniert, und nervös waren, sind sie nun umso erleichterter. Und letztlich haben sie Erfahrungen gesammelt, die ihnen bei einer möglichen weiteren Hilfsaktion nützen können. „Wir brauchen erst mal eine Pause, aber es ist leider wahrscheinlich, dass uns das Thema noch längere Zeit begleitet.“ Nach ihrer Heimkehr wollen sie ein paar Eindrücke aus Bildern und Sequenzen zusammenstellen. Wenn alles klappt, gibt es ein Intro plus Dokumentation: Im Rahmen des Programmtags „Murrhardter Frühling“ zeigt der Verein „Munero“ den Film, der bei seiner Fahrt 2021 in die Ukraine entstanden ist (siehe Info unten).

Hilfslieferung erfordert Improvisationstalent

Der nächste Schritt: Später werden die Lebensmittel und weitere Hilfsgüter in kleinere Transporter umgeladen, um sie in die Region und nach Charkiw bringen zu können.

Ukraineeindrücke von 2021

Der Film Im vergangenen Jahr haben sich sechs Mitglieder des Vereins „Munero Ready 2Rallye“ mit Mitstreitern aus Murrhardt, Wüstenrot und Heilbronn auf eine Ukraine-Offroad-Tour in die Karpaten aufgemacht. Ihre Erlebnisse haben sie in einem Film dokumentiert. Der Titel: Munero küsst die Ukraine. Der 60-minütige Streifen ist beim Murrhardter Frühling am Sonntag, 24. April, in den Murrlichtspielen im Murrhardter Klosterhof zu sehen. Er läuft um 11, 12.30, 14 und 15.30 Uhr. Das Kinovereinsteam bewirtet und Mitglieder von „Munero“ geben Auskunft über die Aktivitäten.