Anfang des letzten Jahrhunderts mussten Landwirte noch sehr hart körperlich arbeiten. Für eine kleine mechanische Abhilfe sorgten damals Motorenwagen. Der Sammler Kurt Häfner hat eines dieser fast vergessenen Arbeitswerkzeuge gekauft, restauriert und wird es nun seiner privaten Sammlung an Oldtimern hinzufügen.
Im Osten der Republik hat Kurt Häfner diesen Motorwagen gekauft und in Handarbeit so restauriert, dass er wieder etwas hermacht, die Zeichen der Zeit aber sichtbar bleiben. Foto: A. Palmizi
Von Mathias Ellwanger
KIRCHENKIRNBERG. Auf den ersten Blick wirkt das Arbeitsgerät unscheinbar: ein blau angestrichener, hölzerner Kasten mit roten Rädern, einer Deichsel und einem langen Stromkabel. Doch ein Blick ins Innere offenbart, was für eine Erleichterung dieser Wagen seinen einstigen Besitzern gewesen sein muss.
Mit Trafo und Motor ausgestattet, ermöglichte es das riemengetriebene Hilfsmittel nämlich, elektrische mechanische Gerätschaften zu betreiben, wo es eigentlich keinen Strom in direkter Nähe gab. Der Zugang dazu war ohnehin rar in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Oftmals hatten die Höfe nur eine Steckdose für den ganzen Betrieb. Der Wagen diente daher als mobiler Motor, mit dem etwa Dreschmaschinen betrieben werden konnten.
Häfner möchte die Stücke möglichst im Originalzustand erhalten
Im Osten der Republik hat Kurt Häfner dieses Relikt aus der Frühzeit der landwirtschaftlichen Mechanisierung erworben. Genau datieren kann er nicht, wann der Motorwagen gebaut wurde. Dass er noch schmiedegeschweißt ist, deutet aber darauf hin, dass er bereits vor dem Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam.
In sehr schlechtem Zustand habe er den Wagen übernommen. Von der Deichsel sei kaum mehr etwas vorhanden gewesen, das Dach komplett kaputt. Die Scharniere seien weggerostet, der Innenraum völlig verdreckt gewesen. „An allen Ecken und Enden musste ich flicken“, sagt Häfner. Auch an den Wagenrädern, von denen eines bereits durch ein Pflugrad ersetzt worden war. Als Sammler war es aber sein Ziel, den Wagen möglichst so zu erhalten, wie er ist. Und so sind die Zeichen der Zeit dann auch noch gut sichtbar. „Ich will ja nicht verbergen, dass der Wagen alt ist und teilweise kaputt war“, sagt der 68-Jährige.
Auf dieses fast vergessene Hilfsmittel aus der bäuerlichen Landwirtschaft ist Häfner übrigens erstmals vor 30 Jahren aufmerksam geworden. Gesehen hatte der gelernte Mechaniker, der viele Jahre bei Kärcher tätig war, einen solchen Wagen auf einem Hof in Bayern und seitdem immer wieder danach gesucht.
Sammler ist der Kirchenkirnberger aber bereits seit 1980. Begonnen hat seine Leidenschaft für das Restaurieren alter landwirtschaftlicher Geräte mit einachsigen Schleppern. Ein Hobby, das, wie er berichtet, nicht nur zeitaufwendig, sondern durchaus kostspielig ist. Denn Häfner arbeitet auf eigene Rechnung, hat keinen Verein im Rücken, der ihn dabei unterstützt. Doch ließ er sich nicht beirren: Insgesamt acht Bücher hat er über sein Hobby geschrieben und 15 Jahre lang ein Oldtimer-Jahrbuch herausgegeben.
Seine Sammlung, die er in einer Scheune untergebracht hat, besitzt entsprechend museale Qualität. Sie ist das Zeugnis einer lebenslangen Leidenschaft für Technik vergangener Zeiten. Neben Schleppern von Lanz, Holder oder Grunder aus den 40ern bis 60ern hat Häfner auch Motormäher, Gartenfräsen oder alte handgedechselte Feldspritzen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gesammelt und restauriert – ein Produkt, mit dem Schlepperhersteller Holder übrigens einst groß wurde. In seiner Scheune, die er selbst gezimmert hat, gibt es aber auch alte Straßenschilder zu sehen. Etwa das Verbotsschild für Autos und Motorräder (landwirtschaftlicher Verkehr frei) in mehr als ein Dutzend Variationen vom Kaiserreich über die DDR bis zur Gegenwart. Ebenfalls zu sehen: historische Zapfsäulen, Schilder der Württembergischen Versicherung, Volt- und Ampere-Anzeiger teils noch aus der Dampfmaschinenzeit. Oder vor 1914 gefertigte Motoren.
All das hat Kurt Häfner in jahrelanger Arbeit gesucht, restauriert und zusammengeflickt. So wie den Motorwagen, der nun zu seiner Sammlung in die Scheune kommt. Auch wenn dort eigentlich kaum mehr Platz für weitere Exponate ist. Material genug für eine Sonderausstellung über Oldtimer fände sich dort jedenfalls allemal.