Nach und nach trudeln sie in der Ewigen Stadt ein: die Kardinäle der Weltkirche, die in Rom einen neuen Papst wählen sollen. Aber welchen bloß? Das an den Rändern ausgefranste Wahlmännergremium kennt sich noch kaum. Es ist während des Konklave nur wenig Zeit zu reden.
Der italienische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (Mi.) gilt als einer der Favoriten auf die Nachfolge des verstorbenen Papstes Franziskus.
Von KNA/Markus Brauer
Es war von Anfang an ein für alle sichtbares Franziskus-Projekt, ein Schlüssel zu seinem kirchenpolitischen Erbe. Denn schließlich würden sie ja dereinst seinen Nachfolger wählen. In fast jedem vollen Jahr seiner zwölfjährigen Amtszeit hat Papst Franziskus neue Kardinäle ernannt - 149 insgesamt.
Kardinäle, so legte es Papst Paul VI. (1963-1978) im Jahr 1970 fest, verlieren mit Erreichen der Altersgrenze von 80 Jahren ihr Stimmrecht bei der Papstwahl. Die Zusammensetzung des Wahlgremiums kann sich also binnen weniger Jahre gründlich ändern.
Kardinäle kommen und gehen. Wer als Papst seinen Kurs über die eigene Amtszeit hinaus fortgesetzt wissen will, muss auch den Kreis der Wähler in seinem Sinne prägen, damit das kirchenpolitische Pendel nicht womöglich wieder in eine andere Richtung ausschlägt.
Nun ist es also so weit: Die Wähler sollen wählen kommen. Aber wen? Von den derzeit 135 Wahlberechtigten wurden 108 von Papst Franziskus ernannt, 22 noch von Benedikt XVI. (2015-2013) und nur noch fünf von Johannes Paul II. (1978-2005). Und die Ernennungen von Franziskus haben es in sich. Denn er ist dabei sehr viel mehr als seine Vorgänger, wie er immer sagte, „an die Ränder“ der Weltkirche gegangen - von wo er selbst einst kam.
Mongolei statt Mailand, Tonga statt Paris
Der gebürtige Argentinier Franziskus ließ traditionell sichere Bischofssitze für das Kardinalskollegium außen vor, gab dafür Bischöfen aus Ländern den Purpur, die noch niemals auch nur in die Nähe eines Kardinalshutes gekommen waren: Tonga statt Paris, Kapverden statt Venedig, die Mongolei statt Mailand.
Ob Vertreter solcherart bisher wenig beachteter Ortskirchen im Konklave nun wieder einen Kandidaten des alten europäisch-italienischen Establishments wählen werden?
Unter Franziskus wurden die Ränder der Kirche gestärkt
Mit der franziskanischen Umsteuerung ist allerdings der Ausgang für einen weiteren Weltkirche-Mann keineswegs ausgemacht. Denn die „Ränder-Figuren“ sind untereinander wenig vernetzt. Sie sehen sich viel seltener als etablierte Europäer; und sie stehen auch kirchenpolitisch mitnichten alle auf einer Linie.
Oft verstehen die Ernannten – ob in St. Lucia, Myanmar, Laos oder Zentralafrika – ihren Titel in erster Linie als Würdigung ihrer bedrängten Ortskirche und deren Erfahrungen – und gar nicht als kirchenpolitische Ambition oder gar Auftrag.
135 wahlberechtigte Purpurträger
Es kommen nun also Wahlmänner zusammen, die in solchen Dingen eher unerfahren sind. Und sie kennen einander nicht. Oder zumindest viel weniger, als es ein westlich geprägter Club der Arrivierten in früheren Jahrzehnten womöglich tat.
Von den aktuell 135 Wahlberechtigten kommen 53 aus Europa, davon 16 aus Italien. Asien stellt 23 Wähler, Lateinamerika (mit Mexiko) 21, Afrika 18, Nordamerika 16 und Ozeanien 4. Ein Kuriosum: Das ur-katholische, aber von Missbrauchsskandalen schwer gebeutelte Irland ist schon seit 2019 ohne Stimmrecht im Konklave. Seit Januar auch Österreich. Deutschland stagniert seit 2014 bei drei Wählern.
Generalversammlungen der Kardinäle
Die derzeitigen Entscheider im Vatikan – der zuständige Kardinaldekan Giovanni Battista Re (91) und seine Helfer – werden den Faktor des Kennenlernens sicher mitbedenken, wenn sie demnächst den Wahltermin festsetzen.
Die Wahlordnung gibt dafür einen Spielraum zwischen dem 15. und dem 21. Tag nach dem Tod oder Amtsverzicht eines Papstes. Spätestens am 12. Mai zögen also die Wähler ins Konklave ein.
Bis zum Beginn der Wahl finden seit diesem Dienstag (22. April) täglich sogenannte Generalversammlungen der Kardinäle statt – auch derer, die qua Alter nicht mehr ins Konklave einziehen dürfen. Sie können bei diesen Beratungen ihre gegebenenfalls größere Erfahrung einbringen – und womöglich selbst noch die ein oder andere Strippe ziehen. 60 der insgesamt 252 Kardinäle waren schon bei der ersten Generalversammlung dabei.
Gibt es einen Königsmacher?
Viel wird wohl davon abhängen, wie gut das nähere Kennenlernen in diesen Tagen funktioniert. Am Ende wird sich erweisen, ob einer der diesmal eher wenigen prominenten Kardinäle die Zustimmung von „den Rändern“ erhält.
Ob sich ein „Königsmacher“ findet, der die diversen Kräfte zusammenbinden und auf einen mehrheitsfähigen Kandidaten fokussieren kann. Oder ob „die Ränder“ am Ende gar in der Lage sein werden, sich selbst auf einen der ihren als neuer Papst zu einigen.
Die spannende Frage wird sein: Geht der Plan von Franziskus auf, über seinen Tod hinaus weiter Wirbel in der Weltkirche zu machen - oder streben die Kardinäle nun ein Pontifikat der Beruhigung an? Entscheiden wird das, so ist es katholische Überzeugung, ohnehin der Heilige Geist, wenn er ab Mitte Mai durch die Sixtinische Kapelle und am Ende mitsamt dem Weißen Rauch in die Weltkirche hinausweht.