Leidenschaft, Lebensmut und Lässigkeit

Artango hält bei seinem Konzert einen bunten Strauß an musikalischen Emotionen und Erlebniswelten Südamerikas bereit

Das Jazzquartett Artango nahm die Zuhörer im Foyer der Festhalle in eine völlig andere Welt musikalischen Empfindens mit. Die südamerikanischen Tänze wie Tango, Samba, Rumba oder Bossa Nova haben eine ganz eigene uneuropäische Erzählweise. In raschem Tempo wechseln sich fröhliche, nachdenkliche, smarte und intellektuelle Momente ab.

Leidenschaft, Lebensmut und Lässigkeit

Die Musikkultur Südamerikas ist ihre Passion: Artango bei ihrem Konzert im Foyer der Murrhardter Festhalle – (von links) Thomas Ott, Helmut Siegle, Jürgen Häußler und Michael Nessmann. Foto: J. Fiedler

Von Petra Neumann

MURRHARDT. Artango – das sind Thomas Ott (Akkordeon), Jürgen Häußler (Saxofon), Michael Nessmann (Gitarre) und Helmut Siegle (Bass). Passend zur einsetzenden Dunkelheit spielten sie den Tango „Nocturna“ von Julián Plaza zur Einstimmung. Die dunklen, eher jammenden Bassklänge der Introduktion ließen zunächst keinen Grundsound vermuten, der vor Lebenslust nur so überquillt. So war schnell klar, dass die Musik mehr ist als nur Klang, sondern gleichsam eine Weltanschauung.

„Bis heute streiten sich Uruguay und Argentinien, wer nun den Tango erfunden hat. Tatsache ist, er kam im frühen 20. Jahrhundert auf und war gerade in den 1960ern sehr beliebt“, erläuterte Thomas Ott dem Publikum. Das nächste Stück war eine Jumelage zwischen Frankreich und Brasilien, denn der Minutenwalzer von Frédéric Chopin wurde raffiniert in den „Mini Waltz“ transformiert. Dafür reichte ein anderer Rhythmus und schon war die Musik aus dem 19. Jahrhundert aufgepeppt.

Gar witzig und spritzig erhob sie sich auf ihrem Zigarrenwölkchen in den siebten Sambahimmel. Die Geschichte einer Liebe: „Historia de un Amor“ von Carlos Almarán beschreibt eine tropische Liaison d’amour, die zwischen Gelassenheit und stetigem Gewahrsein wechselt. Ganz wunderbar vermittelten die Musiker diesen Balanceakt zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Leidenschaft und coolem Bargeflüster.

Thomas Ott stellte am Abend denn auch fest, wie schade es sei, dass diese intensive Musik so wenig im Radio gespielt wird. Obgleich das Leben in Südamerika alles andere als leicht ist, ruft Antônio Carlos Jobim mit seinem Stück „Chega de saudade“ (Weg mit dem Trübsal) zum Gegenangriff gegen den Blues auf und tatsächlich vertreibt dieser geistreiche Song allen Lebenskummer. „Wir könnten uns einiges abschneiden, was südamerikanische Zufriedenheit und subtropischen Lebensmut anbelangt“, unterstrich der Akkordeonist.

Der Argentinier Astor Piazzolla brachte in den 70ern und 80ern den etwas eingefahrenen Tango auf Vordermann, doch verfolgte er eine geradezu strenge Linie. Sein „Adios Nonino“ erfuhr in der Version von Artango eine Aufheiterung durch kubanische Elemente, sodass der dynamische Rhythmus des Originals mitunter richtig groovte. In Ländern wie Finnland und Russland ist Tango noch immer Kult, aber kaum jemand weiß von der Genialität der schwäbischen Variante, die sich so nennt wie das Quartett. Natürlich ist er ohne die SWR-Maskottchen Äffle und Pferdle, aber doch mit einem Hauch schwäbischer Beschaulichkeit garniert.

Württembergisches Weltenflair versprach die Samba „City Nights“ aus der Feder von Thomas Ott, die aber nur mit dem Suffix „le“ zu verstehen ist, weil sie City-Dorfgröße hat, hierzulande ist halt alles en miniature. „Wir sind alle Jazzfans und haben nach etwas geschaut, was nicht jeder macht, vor allem mit dem Akkordeon ist das etwas schwierig“, bekannte Thomas Ott im Pausengespräch.

So viel Passion für die Musikkultur Südamerikas überträgt sich einfach, und das Publikum war auch sehr angetan von dem wirklich gelungenen Konzert.