Ehre, Rache und der Pate: Wenn es um die Mafia geht, hat jeder schnell Bilder aus amerikanischen Filmen vor Augen. Aus Sicht des LKA-Präsidenten muss sich das ändern.
Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, will die Mafia entmystifizieren.
Von dpa/lsw
Die Machenschaften der Mafia im Südwesten müssen aus Sicht des Präsidenten des baden-württembergischen Landeskriminalamts ernst genommen werden. „Wir müssen dieses Phänomen entmystifizieren“, sagte Andreas Stenger der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Wenn wir über Mafia reden, haben viele immer noch den Paten und diese Bilder aus den amerikanischen Filmen vor Augen - und dann ist das so ein Klischee, das fast schon wieder hip ist.“
Es sei deswegen wichtig, für die Gefährlichkeit der Mafia zu sensibilisieren. „Wir müssen den Menschen klarmachen: Pizza Cosa Nostra ist nicht witzig. Das ist kein Werbegag“, sagte Stenger. „Die Cosa Nostra ist eine weltweit agierende, hochkriminelle und brandgefährliche Verbrecherorganisation, die mit immenser krimineller Energie Taten verübt und die unser Gemeinwohl gefährdet.“ Man müsse sich davor hüten, das nicht ernstzunehmen.
Wer sind die Mafia-Typen?
Die Mafia gehe oft subtil vor und genau das mache sie auch gefährlich, so Stenger. „Oft sind die Statthalter der Mafia die netten, die scheinbar sympathischen Typen, die dazugehören wollen, die extrem hilfsbereit sind und die alle mögen und jeder kennt.“
Auch für die Wirtschaft ist die organisierte Kriminalität aus Sicht Stengers ein Problem. „Wenn im Vergabeverfahren unsere redlichen schwäbischen Kaufleute von vornherein chancenlos sind, weil einer über Millionen verfügt, die aus dem Schmuggel von Kokain mit südamerikanischen Verbrecherkartellen generiert werden, und immer Preise machen kann, die utopisch sind für einen richtigen Wirtschaftsmann - dann zeigt das, wie das unsere Standardprozesse korrumpieren kann“, warnte Stenger.
Weil die Mafia große Geldsummen waschen müsse, warnt der LKA-Präsident auch Städte und Gemeinden vor möglichen Angeboten der Kriminellen. „Wenn mich ein Bürgermeister darauf anspricht, dass sich in seiner Stadt ein Interessent gefunden hat, der ein Millioneninvestment machen will, dann sage ich immer: Die erste Frage, die man sich stellen sollte, lautet: Wo kommt denn die Bonität her? Ist das überhaupt plausibel?“
Für die Ermittler sei die Mafia ein wichtiges Thema auf der Agenda - sie bräuchten aber einen langen Atem, so der LKA-Chef. „Mafia-Bekämpfung ist kein Sprint und keine Mittelstrecke, sondern das ist eher ein Marathonlauf, oftmals sogar ein Ultramarathon. Das sind dann häufig Verfahren, die dauern vier, fünf Jahre.“
Zuletzt habe man ein Spezialistenteam eingerichtet, das sich nur um Mafia-Ermittlungen kümmere, so Stenger. „Die Ermittlerinnen und Ermittler vernetzen sich intensiv mit den Experten aus Italien und agieren bei der Bekämpfung der italienischen Organisierten Kriminalität offensiv.“
Wie geht das LKA vor?
Zudem werde derzeit eine Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aufgebaut. „Da sitzen dann Steuerfahndung, Staatsanwaltschaft und Experten von uns in einer eigenen Organisationseinheit beim Landeskriminalamt zusammen, arbeiten Schreibtisch an Schreibtisch unter einem Dach und verfolgen die Spur des Geldes.“ Das Prinzip „Follow the Money“ sei ein Schlüssel beim Kampf gegen die Mafia, so Stenger. „Früher war Deutschland eher ein Rückzugsraum für die Mafia. Jetzt sind wir, insbesondere was der Bereich Geldwäsche angeht, auch ein Operationsfeld.“
Erst Anfang April hatte die Polizei in Deutschland und Italien mit einem gemeinsamen Schlag gegen die Mafia Dutzende Verdächtige festgenommen. Es seien 34 Haftbefehle vollstreckt worden, darunter auch einer gegen einen Polizisten aus dem Rems-Murr-Kreis.
Dem 46 Jahre alten Polizeihauptmeister, der beim Polizeipräsidium Aalen beschäftigt ist, wird demnach Geheimnisverrat vorgeworfen. Der Verdacht gegen ihn bestand nach Angaben der Ermittler seit 2021. Er sei damals bereits intern versetzt worden.
Überrascht ist der LKA-Präsident davon nicht. Es sei ein Wesenskern der Mafia, dass versucht wird, Amtsträger zu korrumpieren, um Informationen zu erlangen. Es gebe natürlich Personen aus dem Umfeld der Mafia, die Kontakte zu Ermittlungsbehörden, zur Justiz oder zu Verwaltung hätten.
Der Fall sei verheerend
Korrumpierte Beamte schaden aus Sicht von Stenger dem Ansehen der Polizei aber erheblich. „Wir können viele Ermittlungserfolge deshalb erzielen, weil die Bürger sich an uns wenden. Und wenn das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erodiert und die Leute sich nicht mehr an uns wenden, dann ist das verheerend.“, sagte der LKA-Präsident.