„Treten Sie heute aus“

Maaßen und Meuthen werben um unzufriedene CDU-Mitglieder

In einem Brief wenden sich der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sowie Ex-AfD-Chef Jörg Meuthen direkt an unzufriedene CDU-Mitglieder – mit dem Angebot, in die „Werteunion“ einzutreten.

Maaßen und Meuthen werben um unzufriedene CDU-Mitglieder

Hans-Georg Maaßen (links) und Jörg Meuthen wollen mit ihrer Kleinpartei „Werteunion“ wachsen – auch durch den Eintritt von derzeit unzufriedenen CDU-Mitgliedern.

Von Florian Dürr

Das mehr als 500 Wörter fassende Schreiben beginnt mit der direkten Ansprache aktueller CDU-Mitglieder: „Sehr geschätzte Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union“, heißt es in dem Brief der Kleinpartei Werteunion, der vom Parteivorsitzenden Hans-Georg Maaßen sowie von den beiden stellvertretenden Vorsitzenden Jörg Meuthen und Sylvia Pantel unterzeichnet ist. Der ehemalige Verfassungsschutzchef, der Ex-AfD-Chef und die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete haben bei der Werteunion eine neue politische Heimat gefunden.

Die CDU habe „konservative und freiheitliche Positionen“ hergeschenkt

Das Ziel der nachfolgenden Zeilen, die unter anderem auf der Plattform „X“ geteilt wurden, ist schnell klar: Die Kleinpartei will die derzeitige Unzufriedenheit etlicher CDU-Mitglieder nutzen, um sie abzuwerben. Maaßen, Meuthen und Pantel werfen der CDU mit Blick auf den Koalitionsvertrag mit der SPD den „Bruch etlicher Wahlversprechen“ sowie eine „katastrophale Verhandlungsführung mit den Sozialdemokraten“ vor. Als Beispiele nennen sie unter anderem die Lockerung der Schuldenbremse.

Die CDU, die ehemalige Partei von Maaßen und Pantel, habe „die konservativen und freiheitlichen Positionen (...) auf dem Altar der Machtpolitik um jeden Preis hergeschenkt“, schreiben die drei Politiker. Deshalb seien auch etliche Mitglieder in den vergangenen Wochen aus der Partei ausgetreten. Tatsächlich hat die CDU im März 140 Mitglieder verloren, im laufenden Jahr verzeichnete die Union erstmals einen Netto-Rückgang, wie der „Spiegel“ berichtete.

Die AfD mit „tolerierten Rechtsextremisten“ könne keine Alternative sein

„Noch weit mehr Mitglieder (...) tragen sich mit dem Gedanken, die Union in Kürze ebenfalls zu verlassen“, schreiben Maaßen, Meuthen und Pantel. Das wüssten sie aus „ungezählten persönlichen Gesprächen“. Offenbar beflügelt das die drei Politiker zu einer direkten Austrittsaufforderung: „Treten Sie noch heute aus der CDU aus“, heißt es in dem Brief. In diesem Zuge unterbreiten sie den CDU-Abgängern gleich das Angebot für eine neue Partei: die Werteunion. „Wir freuen uns über jedes neue Mitglied, das bereit und willens ist, sich mit uns für die politische Wende, die unser Land heute mehr denn je braucht, einzusetzen“, schreiben die drei.

Offener Brief Dr. Hans-Georg Maaßen, ParteivorsitzenderProf. Dr. Jörg Meuthen, stellv. ParteivorsitzenderSylvia Pantel, stellv. ParteivorsitzendeSehr geschätzte Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union,Ihnen allen entgeht in diesen Tagen nicht der weitere Niedergang… pic.twitter.com/MZgKA7gv5Y — WerteUnion (@WerteUnion) April 17, 2025

Die AfD, die derzeit in Wahlumfragen entweder knapp hinter CDU/CSU, gleichauf mit oder sogar vor den Christdemokraten liegt, diene schließlich nicht als neue politische Heimat, warnen die Unterzeichner: Die rechtspopulistische Partei mit „tolerierten und mitgenommenen wirklichen Rechtsextremisten“ könne für „seriöse Konservative und Freiheitliche“ keine Alternative sein. Wer Interesse an einem Eintritt in die Werteunion habe, solle sich jederzeit per Mail melden. „Wir freuen uns auf Sie!“

Maaßen wird vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist beobachtet

Die Werteunion wurde im Februar des vergangenen Jahres gegründet, die Partei ging aus dem 2017 von Unionsmitgliedern ins Leben gerufenen Verein „Freiheitlich-Konservativer Aufbruch“ hervor. Das Ziel: konservativere Positionen innerhalb der Partei zu vertreten. Doch der Verein wurde nie offiziell anerkannt und strebte schließlich die Gründung einer eigenen Partei an.

Das bekannteste Gesicht ist Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen, der mittlerweile selbst vom Inlandsgeheimdienst als Rechtsextremist beobachtet wird. Maaßen selbst sprach von „substanzlosen und ungerechtfertigten“ Vorwürfen. Doch der Werteunion-Vorsitzende ist immer wieder mit umstrittenen Aussagen aufgefallen: etwa im Jahr 2023 in einem Beitrag des Schweizer Magazins „Weltwoche“, in dem er von einer „ungesteuerten, millionenfachen Ansiedlung von Ausländern aus kulturfremden Regionen“ sprach – und diese mit einer Krebserkrankung gleichsetzte.

Die CDU warf Maaßen „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten“ vor

Unter der Überschrift „Chemotherapie für Deutschland“ forderte er „schmerzhafte Operationen“, um diese Ansiedlung rückabzuwickeln: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dies nicht mehr mit Pülverchen und Mistel-Therapie möglich ist.“ Lob gab es daraufhin vom rechtsextremen „Compact-Magazin“: Maaßen habe „einen Ton angeschlagen, den sich noch nicht einmal AfD-Politiker getrauen würden“.

Empörte Reaktionen kamen von Historikern, vom Zentralrat der Juden sowie vom Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Maaßen wurde als „Geschichtsrevisionist“ bezeichnet, der „Vokabular nationalistischer Tradition“ verwende. Auch seine damalige Partei, die CDU, warf Maaßen vor, sich immer wieder der „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ zu bedienen – und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein. Im Januar 2024 trat der Politiker schließlich selbst aus.

Annähernd 0 Prozent für die Werteunion bei der Bundestagswahl

Auch Ex-AfD-Chef Meuthen ist nicht unumstritten: Obwohl er sich heute als großer Kritiker seiner ehemaligen Partei gibt, hat er jahrelang den Kurs der AfD nach rechtsaußen mitverantwortet.

Die Wählerinnen und Wähler in Deutschland scheint die Werteunion bisher nicht zu erreichen: Bei der Bundestagswahl im Februar haben lediglich rund 6700 Menschen der Kleinstpartei ihre Zweitstimme gegeben. Das sind bei rund 50 Millionen Wählern, die ihre Stimme genutzt haben, annähernd 0 Prozent. In dem Brief kündigen die drei Politiker aber an, sich für die Landtagswahlkämpfe 2026 in Stellung zu bringen: beginnend mit Baden-Württemberg im März.