Märchen und Musik entfalten ihre Magie

Die Harfeen verzaubern mit Erzählungen und Harfenkompositionen an der Glattenzainbachmühle in Kirchenkirnberg

Auf eine zauberhafte Reise in die Welt der Märchen und der Harfenmusik entführen die „Harfeen“. Mit ihrer Vorstellung begeistern Märchenerzählerin Sandra Sonnentag und Harfenistin Veronika Ponzer kleine und große Zuhörer zum Ausklang des traumhaft schönen spätsommerlichen Tags des Schwäbischen Waldes.

Märchen und Musik entfalten ihre Magie

Bescherten den Gästen einen stimmungsvollen Abend (von links): Harfenistin Veronika Ponzer und Erzählerin Sandra Sonnentag. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

KIRCHENKIRNBERG.Die kleine Gruppe genießt einen Kulturabend in idyllischer Natur. Am Waldrand, direkt gegenüber der Glattenzainbachmühle, untermalt von Bachrauschen und Vogelstimmen, kommen die Geschichten und Klänge akustisch und atmosphärisch wunderbar zur Geltung und verschmelzen zu einem stimmungsvollen Erlebnis. Sandra Sonnentag aus Ottenbach im Kreis Göppingen erzählt frei, sprich ohne Textvorlage und ohne Verstärkung, sehr empfindungsreich und eindrücklich Märchen der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm. Sie hat eine klangvolle, weittragende Stimme, mit der sie die jeweiligen Figuren eindrücklich und lebendig charakterisiert. Die Gebrüder Grimm gelten als die berühmtesten Sammler von Märchen, die ihnen aber nicht, wie man lange annahm, Personen aus dem „einfachen Volk“ erzählten, sondern meist Töchter aus Familien des gehobenen Bürgertums. 1812 veröffentlichten sie über 200 dieser Märchen, von denen einige weltweit bekannt sind. Und seit 2005 sind die „Kinder- und Hausmärchen“ Weltdokumentenerbe der Unesco.

Meist stammen die Grimm’schen Märchen aus gutem Hause, von Töchtern des gehobenen Bürgertums

Sandra Sonnentag hat eine abwechslungsreiche Mischung ganz verschiedenartiger Märchen im Gepäck, in denen stets das Gute über das Böse siegt. Darüber hinaus enthalten sie zeitlose und zentrale, aus der christlichen Ethik abgeleitete moralische Botschaften. So rufen einige dazu auf, Menschen in Not zu helfen, aber auch die Schöpfung zu achten, die Natur und die Tiere zu schützen. Neben „Die Sterntaler“ oder „Der Froschkönig“ stehen einige Märchen, die heute nur sehr selten zu lesen oder zu hören sind.

So „Die Bienenkönigin“: Der Held, „Dummling“ genannt, erweist sich als engagierter Tierschützer. Die Tiere wiederum, darunter auch Bienen, danken ihrem Retter, indem sie ihn tatkräftig unterstützen bei äußerst schwierigen Aufgaben, sodass der Junge eine durch bösen Zauber in Stein verwandelte Königsfamilie samt Hofstaat erlösen kann.

„Das Hirtenbüblein“ ist ein außerordentlich intelligenter Junge, dessen Wissen der König mit Fragen auf die Probe stellt, deren Beantwortung selbst für Starwissenschaftler unmöglich ist. Wie viele Tropfen Wasser enthalten die Weltmeere? Wie viele Sterne gibt es im Universum? Wie viele Sekunden hat die Ewigkeit? Doch das Hirtenbüblein gibt überaus kluge Antworten: Um die Tropfen zu zählen, müsste man alle Flüsse verstopfen. Die unendliche Zahl der Sterne symbolisiert er mit unzähligen winzigen Tintenpunkten auf einem großen Blatt Papier. Und eine Sekunde der Ewigkeit sei vorbei, wenn ein Berg verschwunden ist, an dem ein kleiner Vogel seinen Schnabel wetzt. Zur Belohnung nimmt der König den Jungen als Sohn an.

Die Münchner Harfenistin Veronika Ponzer hat stilistisch, charakterlich und klanglich ideal zu den Märchen und deren unterschiedlichen Inhalten passende, facetten- und klangfarbenreiche Originaltonkunstwerke für Harfe ausgewählt. Die meisten haben Komponisten aus verschiedenen europäischen Ländern während der Übergangszeit von der Klassik zur Romantik am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffen. Sie zeichnen sich durch besondere spieltechnische und klangliche Effekte, überaus fantasievolle Melodik und Harmonik sowie tänzerisch schwungvolle Rhythmik aus.

Ein Ohrenschmeichler, in dem Veronika Ponzer auch das breite Spektrum der Klangmöglichkeiten ihrer Pedalharfe zur Entfaltung bringt, sind die Variationen des französischen Harfenisten Martin Pierre d’Alvimare. Beschwingt und mit reichen Figurationen ausgestaltet lässt sie die Romanze des englischen Harfenisten Elias Parish Alvars erklingen. Ernst und schwer, teils auch etwas düster, wirkt die Phantasie in c-Moll des deutschen Klassikers Louis Spohr. Reizvolle spanische Melodik, Rhythmik und an Gitarrenmusik erinnernde Spielfiguren kommen in Carlos Salzedos „Chanson dans la Nuit“ (Lied in der Nacht) zur Geltung. Und der französische Harfenist Alphonse Hasselmans hat „La Source“ (Die Quelle) als verträumte Klangmalerei gestaltet. Bezaubernd klangschön interpretiert Veronika Ponzer filigran schillernde Arpeggien, also gebrochene Akkorde, und Glissandi, sprich gleitende Tonfolgen, die das muntere Plätschern der Quelle veranschaulichen.

Mit viel Beifall danken die Zuhörer den beiden Künstlerinnen für den wahrlich märchenhaften Romantikabend.