Simon Haje, Tabea Streicher, Vivien Bachmann und Ren Zhang (von links) haben den Reigen der Klavierakademiekonzerte eröffnet. Foto: Elisabeth Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Vielversprechend in jeder Hinsicht ist das erste Teilnehmerkonzert der 21. Internationalen Klavierakademie, das zahlreiche Klaviermusikfreundinnen und -freunde in die Murrhardter Festhalle lockt. Vier vor Virtuosität und Musizierfreude sprühende junge Pianistinnen und Pianisten aus Europa und Asien gestalten voller Hingabe und geradezu tastenartistisch ein überaus facettenreiches Programm mit Kompositionen vom Barock bis zur Moderne. Höhepunkte sind zwei Juwelen der Romantik von Robert Schumann. Der Chinese Ren Zhang, der seit 2020 an der Hochschule für Musik und Theater München studiert, trägt elegant und souverän neun der 18 Davidsbündlertänze vor. Diese Charakterstücke für Klavier Opus 6 komponierte Schumann im Spätsommer 1837. Die Bezeichnung verweist auf den vom Komponisten erfundenen Davidsbund aus einem Kreis gleichgesinnter Musiker, benannt nach David als Schutzpatron der Musik.
Im Aufschwung durch die heimliche Verlobung mit Clara Wieck im August 1837 schuf Schumann diese Kunsttänze. Variantenreich gestaltet Zhang das attraktive, kontrastreiche Wechselspiel der Emotionen, Charaktere und Rhythmen. Sanft streichelt er die Tasten bei lyrisch-besinnlichen Szenen, verträumten und nachdenklichen Passagen. Stimmig abgestuft bis kraftvoll schlägt er die Tasten bei schwungvoll-heiteren sowie atemberaubend schnellen, temperamentvollen Figurationen an.
In Schumanns Stück stecken
Vorbild und biografische Bezüge
Empfindungsreich und minutiös bietet der Deutsche Simon Haje den ersten, hochdramatischen Satz „Durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“ aus Schumanns monumentaler Fantasie Opus 17 C-Dur dar. Das Franz Liszt gewidmete Werk ist zugleich eine Hommage an Ludwig van Beethoven, spiegelt aber auch Schumanns Wechselbad der Gefühle vor seiner Hochzeit mit Clara wider. 1836 komponierte er den ersten Satz, als er Clara verloren glaubte, darum ist dieser von Schwermut und heftigen, aufgewühlten Emotionen geprägt. Mit Verve bringt Haje, Jungstudent bei Professor Markus Groh an der Berliner Universität der Künste und Frühstudent an der Young Academy Rostock, das enorm vielschichtige Tonkunstwerk zum Ausdruck. Jung- oder Frühstudenten beginnen bereits als Jugendliche vor dem Abitur mit dem Studium im Rahmen spezieller Förderprogramme von Universitäten und Musikhochschulen. Stilvoll stellt Simon Haje die Vielzahl an unterschiedlichen, teils liedhaften Melodien dar. Ebenso die Harmonien und Rhythmen sowie die rasch wechselnden Stimmungen von idyllischen Glücksmomenten bis zu ernst, eindringlich und düster anmutenden Passagen.
Wie Haje ist auch die Deutsch-Ungarin Tabea Streicher Jungstudentin in Berlin. Sie entführt das Publikum auf charmante Weise in eine spanisch-folkloristische Klangwelt mit der „Rhapsodie espagnole“ von Franz Liszt. Als Erinnerung an eine Reise durch Spanien und Portugal verarbeitete der Komponist darin zwei populäre spanische Tanzmelodien: „La Folia“ und „La Jota Aragonese“. Temperamentvoll und oft in enorm hohem Tempo tanzen Streichers Finger über die Tasten, wobei sie die impressionistisch-orchestrale Klangfülle zur Entfaltung bringt. Bezaubernd schön gestaltet sie Läufe und Figuren aus gebrochenen Akkorden, ebenso kleine, hohe Motive und Klänge, die die Vorstellung einer mediterranen Idylle hervorrufen.
Die jüngste Teilnehmerin widmet sich zwei kontrastreichen Stücken
Die erst 16-jährige Schweizer Schülerin Vivien Bachmann ist heuer die jüngste Teilnehmerin und seit 2021 im Begabtenförderungsprogramm der Musik-Akademie Basel. Präzise gestaltet sie die Sinfonia aus der Partita Nr. 2 in c-Moll von Johann Sebastian Bach. Aus einem spannend und dramatisch anmutenden Auftakt entwickelt sie feinsinnig ein melodisch anmutiges, tänzerisch verspieltes und mit ornamentalen Figurationen ausgeschmücktes Kleinod der Barockmusik. Einen starken Kontrast dazu bildet die Etüde Opus 42 Nr. 5 von Alexander Skrjabin. Darin kreiert der Klaviervirtuose und Komponist, unorthodoxe Romantiker und Exzentriker, der seiner Zeit weit voraus war, eine spannende Verbindung aus romantischen, impressionistischen und expressionistischen Stilmerkmalen. Mit viel Fingerspitzengefühl gestaltet Bachmann poetisch-lyrische Momente, die deutlich von Frédéric Chopin inspiriert sind, den Skrjabin verehrte. Sie stehen in starkem Gegensatz zu leidenschaftlich-impulsiven Emotionen und dramatisch-wuchtigen Klangbildern, die die Schweizerin mit voller Kraft und ausdrucksstark zur Geltung bringt.
Mit tosendem Applaus dankt das begeisterte Publikum den Musikerinnen und Musikern für die durchweg brillanten Darbietungen und wunderbaren Hörerlebnisse.
Heute findet das zweite Teilnehmerkonzert der Klavierakademie in der Festhalle Murrhardt statt. Beginn ist um 19 Uhr.