Langzeit-Erhebung von Shell
Neue Jugendstudie: Wie rechts sind junge Menschen nun wirklich?
Wie tickt die Generation Krise – und gibt es sie überhaupt? Darum geht es in der neuen Shell-Jugendstudie, die am Dienstag erschienen ist. Sie fällt erstaunlich optimistisch aus.
Von Rebekka Wiese
Sie sind besorgt, aber bleiben optimistisch. Das ist das Fazit zur Lebenswirklichkeit junger Menschen, zu dem die neue Shell-Jugendstudie kommt. Die Erhebung wurde früher alle vier, inzwischen alle fünf Jahre durchgeführt. Um herauszufinden, wie die junge Generation im Jahr 2024 denkt und fühlt, wurden gut 2500 Menschen im Alter von zwölf bis 25 Jahren nach ihren Ansichten befragt. Am Dienstag wurde der Bericht mit den Ergebnissen in Berlin vorgestellt.
„Junge Menschen sind sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt“, sagte Studienleiter Mathias Albert bei der Vorstellung der Studie. Er betonte auch, dass es sich um eine sehr vielfältige Generation mit verschiedenen Vorstellungen handele. „Es gibt nicht die Generation Krise“, sagte Albert. „Es gibt auch nicht die vielbeschworene Generation Z.“ Man habe vor allem gesehen, dass es trotz der Krisen erstaunlich viel Kontinuität in dieser Generation gebe. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte mit Blick auf die Ergebnisse: „Obwohl junge Menschen aktuell in sehr krisenhaften und kriegerischen Zeiten aufwachsen, bleibt die Mehrheit zuversichtlich.“
Weniger drastisch
Was auffällt: Das Fazit der Shell-Studie fällt weniger negativ aus als das einer vergleichbaren Erhebung, die im Frühjahr dieses Jahres erschien, die sogenannte Trend-Studie „Jugend in Deutschland 2024“. Sie wurde viel diskutiert, weil sie einen deutlichen Rechtsruck und mehr Pessimismus bei der jungen Generation zeigte. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg hatte sich gezeigt, dass nun viel mehr junge Menschen AfD wählen als je zu vor. Einige der Trends dieser Studie zeigen sich nun auch in den Shell-Ergebnissen – aber deutlich weniger drastisch. Insgesamt fällt das Bild differenzierter aus.
Trotzdem zeigt die Studie, dass junge Menschen aktuell viele Sorgen haben. Am meisten treibt sie die Angst vor Krieg in Europa um. Das gaben 81 Prozent in der Befragung an – so viele wie nie in den vergangenen 20 Jahren und deutlich mehr als noch 2019. Damals, drei Jahre vor Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, waren es nur 46 Prozent. Die Angst, die am zweithäufigsten genannt wurde, waren die wirtschaftliche Lage und die steigende Armut. Die nannten 67 Prozent der Befragten.
Zuversichtlicher Blick in die Zukunft
Trotz der wirtschaftlichen Lage fällt die Sorge vor Arbeitslosigkeit aktuell so gering aus wie noch nie in einer der Studien in den vergangenen 20 Jahren, sie macht nur 35 Prozent der Befragten Angst. 2009 waren es 69 Prozent gewesen. Etwa konstant geblieben ist die Angst vor Zuwanderung nach Deutschland. Die teilten 34 Prozent der jungen Menschen – so viele wie auch im Jahr 2006. Die Sorge vor Ausländerfeindlichkeit war hingegen so häufig vertreten wie noch nie. Die teilten 58 Prozent der Befragten. 2010 waren es noch 40 Prozent. Bemerkenswert ist, dass die junge Generation zwar so besorgt ist wie nie, aber trotzdem zuversichtlich auf die Zukunft der Gesellschaft schaut – das sagten jedenfalls 56 Prozent der Befragten.
Die Studie beschäftigt sich auch damit, wie junge Menschen auf Politik blicken. Eine erfreuliche Erkenntnis: Diese Generation scheint sich für Politik zu interessieren. 55 Prozent der Befragten bezeichneten sich als politisch interessiert. 2002 waren es nur 34 Prozent gewesen.
Leicht links von der Mitte – oder?
Und was ist nun mit dem Rechtsruck? Insgesamt ist die politische Positionierung laut der Studie junger Menschen relativ stabil, sie liegt in diesem Jahr wie schon in den Vorjahren leicht links von der Mitte, wenn man die Befragten darum bittet, sich selbst politisch einzuordnen.
Trotzdem zeigt auch die Shell-Studie, dass sich in diesem Jahr deutlich mehr männliche Jugendliche als „rechts“ oder „eher rechts“ bezeichneten als noch 2019 – nämlich 25 gegenüber 16 Prozent. Das wird aber dadurch ausgeglichen, dass vor allem die weiblichen Jugendlichen weiter nach links gerutscht sind. Im Langzeittrend kann man auch beobachten, dass die politischen Positionierungen aus diesem Jahr zwar rechter ausfallen als 2019, aber nicht im Vergleich mit anderen Vorjahren. 2010 positionierten sich zum Beispiel 24 Prozent der männlichen Jugendlichen als „rechts“ oder „eher rechts“.