Handelskrieg USA – China

Peking hat schon bald nichts mehr zu verlieren

China hat auf Trumps erneute Zollrunde ebenfalls gekontert. Und hat sogar noch weitere Druckmittel in petto.

Peking hat schon bald nichts mehr zu verlieren

Der Hafen von Nanjing. Wie sich der Handelskrieg zwischen den USA und China hier auswirken wird, bleibt ungewiss.

Von Fabian Kretschmer

Wenn Donald Trump wirklich gedacht hatte, die Chinesen würden seine erneute Zollrunde einfach im Raum stehen lassen, dann hat er den Ein-Parteien-Staat nicht verstanden. Längst handelt die kommunistische Parteiführung Prinzip: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Am Mittwochabend leitete das Handelsministerium Peking die nächste Eskalationsstufe ein: So werden die zunächst auf 34 Prozent angesetzten Sonderzölle auf alle US-Produkte ab Mitternacht um weitere 50 Prozent erhöht. Ebenfalls werden sechs weitere US-Unternehmen auf Chinas „schwarze Liste“ für unzuverlässige Entitäten gesetzt, was das Geschäftemachen im Reich der Mitte de facto unmöglich macht. Und dann wäre da noch eine Klage gegen die US-Zölle bei der Welthandelsorganisation (WTO).

„Wir haben dies genau eingeschätzt und sind auch darauf vorbereitet, mit verschiedenen unsicheren Faktoren umzugehen“, sagte Premier Li Qiang am Mittwoch: „Die Entwicklung unseres Landes ist immer durch die Überwindung von Schwierigkeiten und Herausforderungen vorangekommen“. Der Parteikader tut, worin sich derzeit sämtliche seiner Kameraden probieren: Durchhalteparolen schwingen und Stärke demonstrieren.

Doch Peking befindet sich tatsächlich in einer extrem misslichen Lage. Die „South China Morning Post“ hat sie gekonnt in einer Überschrift auf den Punkt gebracht: „China hat Druckmittel für weitere Vergeltungsmaßnahmen und nichts mehr zu verlieren“.

Tatsächlich kann man Trumps letzte Zollrunde gegen China fast schon als symbolisch bezeichnen. Denn sie sind schlussendlich auch schon egal. Angesichts der geringen Gewinnmargen, mit denen die meisten chinesischen Exportunternehmen hantieren, dürfte der bilaterale Handel schon jetzt weitgehend zum Erliegen kommen. Und dass die Warenströme problemlos über Drittländer umgeleitet werden können, dagegen hat US-Präsident Trump ebenfalls einen Riegel vorgeschoben: Denn auch diese Staaten wurden mit hohen Zöllen belegt, allen voran Vietnam.

Mit seinem Zoll-Regime hat Donald Trump also den Chinesen ausgerechnet jenen Pfeiler ihrer Volkswirtschaft vom Boden gerissen, der nach wie vor blendend lief: Im letzten Jahr generierte China ein Drittel seines Wachstums über seine Exporte.

Mit einer regelrechten Charme-Offensive versucht Peking nun die Europäer zu umgarnen, um ihre hochsubventionierten Produkte abladen zu können. Doch die EU wäre gut darin beraten, sich den chinesischen Überkapazitäten zumindest teilweise zu verschließen. Andernfalls würden mehrere Kernindustrien in Windeseile durch die chinesische Konkurrenz dezimiert werden. Deutschland träfe dies besonders hart.

Die 1,4 Milliarden Chinesen stehen also vor einer schweren Zukunft. „Xi Jinping ist jedoch der Ansicht, dass China in diesem Wettbewerb einen strategischen Vorteil hat“, argumentiert der ehemalige Immobilienentwickler Desmond Shum, der mittlerweile als scharfer Peking-Kritiker im britischen Exil lebt: „Aus seiner Sicht fehlt es den Vereinigten Staaten, die durch ihr demokratisches System eingeschränkt sind, an politischem Willen und Durchhaltevermögen, um ihren Bürgern anhaltende wirtschaftliche Härten aufzuerlegen.“

Chinesen stehen zusammen

Die Chinesen hingegen sind sehr gut darin erprobt, den Gürtel enger zu schnallen und die Widrigkeiten des Lebens fatalistisch hinzunehmen. Bewiesen hat dies zuletzt die rigide „Null Covid“-Politik, während der gegen Ende der Pandemie Millionenstädte über Monate hinweg vollständig abgeriegelt wurden. Erst nach immensen Schmerzen für die Wirtschaft hat sich zaghafter Widerstand geregt – natürlich auch, weil Peking über einen den umfassendsten Überwachungsstaat der Welt verfügt. Diesmal jedoch wurde die missliche Lage nicht durch die eigene Parteiführung eingebrockt, sondern vom Erzfeind USA. Das schweißt nochmal doppelt zusammen.

China selbst kann zudem die Eskalationsschraube noch um mehrere Runden weiterdrehen. Bei seltenen Erden etwa, die zu einem Großteil in der Volksrepublik geschürft und zu einem noch größeren Teil dort weiterverarbeitet werden, hätte Peking noch Spielraum für verschärfte Exportbeschränkungen.

Droht Opiumkrieg 2.0?

Weitere Maßnahmen, welche von der Parteiführung angeblich erwogen werden, hat die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bereits unter Berufung auf Regierungskreise in den Raum gestellt: ein Verbot von Hollywood-Filmen auf dem chinesischen Markt, der bekanntlich der größte weltweit ist. Oder ein Kooperationsstopp im Bereich Fentanyl; also jener Droge, die um ein Vielfaches potenter ist als Heroin – und jährlich knapp 100000 Menschenleben in den USA fordert. Ein erheblicher Teil der chemischen Vorprodukte für Fentanyl stammen aus chinesischen Laboren.

Sollte China die giftigen Stoffe also künftig ungehemmt in die USA liefern, dann würde der Handelskrieg schon bald um eine geradezu historische Komponente erweitert: Dann nämlich würden die zwei führenden Weltmächte einen Opiumkrieg 2.0 erleben - nur unter umgekehrten Vorzeichen.