Wohnungskrise
Reform der Grunderwerbsteuer droht zu scheitern
Die Grunderwerbssteuer zu senken, könnte den Wohnungsmarkt beflügeln, sind sich Experten sicher. Das Vorhaben steht sogar im Koalitionsvertrag – und wird wohl dennoch nicht umgesetzt.
Von Tobias Heimbach
Die Lage am Wohnungsmarkt ist seit Jahren schwierig. Menschen geben einen immer höheren Anteil ihres Einkommens fürs Wohnen aus, die Zahl der Baugenehmigungen ist abgesackt. Die Bundesregierung hat zwar neue Förderprogramme aufgelegt, doch ein Bauboom ist nicht in Sicht – ebenso wenig wie die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprochenen 400 000 Wohnungen pro Jahr.
In der Frage, wie man den Wohnungsmarkt beleben könnte, gibt es einen Vorschlag: die Grunderwerbsteuer. Diese Steuer zahlt, wer ein Haus, eine Eigentumswohnung oder ein Stück Land kauft. Der Steuersatz unterscheidet sich je nach Bundesland. In Bayern liegt er mit 3,5 Prozent am niedrigsten, in vielen Bundesländern aber bei 6 Prozent und mehr vom Kaufpreis. Eine Reform der Grunderwerbsteuer ist auch im Koalitionsvertrag verabredet und könnte den Wohnungsmarkt beflügeln, sagen Experten. Doch das Vorhaben wird die Ampel wohl nicht mehr umsetzen können.
Dabei sehen viele Fachleute in der Grunderwerbsteuer ein entscheidendes Hemmnis für den Wohnungsmarkt. „Die Grunderwerbsteuer setzt eine hohe Hürde für den Eigentumserwerb, insbesondere für Selbstnutzer“, sagt Michael Voigtländer, Volkswirtschaftler und Experte für Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Denn nicht unbedingt die monatlichen Kreditrate sei ein Problem beim Immobilienkauf, sondern die Summe, die auf einen Schlag nötig wird. „Und dabei macht die Grunderwerbsteuer häufig den größten Posten aus“, sagt Voigtländer.
Vor allem die Bundesländer machen nicht mit
Voigtländer und sein Team haben in einer Studie vorgerechnet, wie sich eine Reform der Grunderwerbsteuer auswirken würde. Sie kamen zu dem Ergebnis: Eine Halbierung der Steuer könnte die Neubautätigkeit um neun Prozent erhöhen. Insgesamt gingen den Ländern drei Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren. Eine Menge Geld – aber immer noch weitaus weniger, als würden die Länder selbst versuchen, so viele Wohnungen zu bauen.
Wenn Experten eine Reform für richtig halten und auch die Bundesregierung sie will – warum kommt die Reform dann nicht? Es sind vor allem die Bundesländer, die nicht mitmachen. Wer verstehen will, warum, muss sich die Zahlen anschauen: 2010 nahmen alle Bundesländer zusammen rund fünf Milliarden Euro mit dieser Steuer ein, 2021 waren es satte 18 Milliarden. Die Landesfinanzminister profitierten vom Immobilienboom der 2010er Jahre. In den vergangenen drei Jahren sind die Einnahmen aber teils deutlich gesunken. Der Grund ist ganz einfach: Wenn sich niemand mehr eine Immobilie leisten kann, dann zahlt auch niemand Grunderwerbsteuer.
Die Länder sind vor allem gegen eine Reform, weil sie Einnahmeausfälle fürchten. Die Idee der Ampel-Koalition war es, das Absenken der Grunderwerbsteuer zu finanzieren, indem man bestimmte Steuerschlupflöcher schließt. Das betraf vor allem die sogenannten „Share Deals“. Denn wer nicht eine Immobilie kauft, sondern ein Unternehmen, dem die Immobilie gehört, muss keine Grunderwerbsteuer entrichten. So zahlte der größte Wohnungskonzern des Landes, „Deutsche Wohnen“, keinen Cent Grunderwerbsteuer beim Kauf des Konkurrenten Vonovia. Doch die Länder haben die Sorge, dass die „Share Deals“ nur unter einem enormen Verwaltungsaufwand zu verhindern wären und dass auch nach einer Reform Schlupflöcher bleiben.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) spricht sich weiter für eine Reform aus. Sie sagte dieser Redaktion: „Ich kann die Länder nur ermuntern, eine Absenkung oder einen Erlass der Grunderwerbsteuer, zum Beispiel für die erste eigene Immobilie oder für den sozialen Wohnungsbau, in Angriff zu nehmen.“ Vereinzelte Bundesländer gehen bei dem Thema nun voran. So gewähren NRW und Hessen Selbstnutzern einen Rabatt bei der Grunderwerbsteuer. Doch die meisten Bundesländer sehen keinen Spielraum für eine Absenkung.
Offiziell hält die Bundesregierung an einer Gesetzesänderung fest, ein Vorschlag werde auf Bund-Länder-Ebene „geprüft“, heißt es. Doch hinter vorgehaltener Hand erzählen Vertreter von Bund und Ländern, dass sie nicht mehr daran glauben, dass eine Reform kommt. Auf einen Impuls am Wohnungsmarkt wird man wohl weiter warten müssen.