Moldau und Georgien

Schicksalhafte Wahlen im Hinterhof von Europa

Russland versucht mit massiven Kampagnen, Moldau und Georgien in seinen Einflussbereich zu treiben. Die EU reagiert überraschend zurückhaltend.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überbringt Moldaus Präsidentin Maia Sandu kurz vor der Wahl ein Hilfspaket in Milliardenhöhe.

© dpa/Andreea Alexandru

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überbringt Moldaus Präsidentin Maia Sandu kurz vor der Wahl ein Hilfspaket in Milliardenhöhe.

Von Knut Krohn

Europa starrt gebannt auf die anstehende Präsidentenwahl in den fernen USA. Wichtig für die Zukunft der Demokratie in Europa sind allerdings auch zwei Abstimmungen, die ganz in der Nähe der EU stattfinden. In Moldau und Georgien werden die Weichen gestellt für einen Prozess, der beide Länder in Richtung Europäische Union führen oder in die Arme Russlands treiben wird. Moskau hat die Tragweite der Entscheidungen erkannt und versucht, seinen Einfluss in beiden Ländern auszuweiten. Die EU hält diesem Treiben politisch überraschend wenig entgegen und verspricht vor allem finanzielle Hilfen.

Der russische Einfluss in Moldau zerstört sogar die Einheit des Landes, das seit Jahren durch eine prorussische Separatistenrepublik destabilisiert wird. Über Transnistrien, ein Landstreifen im Osten des Landes, hat Chisinau keine Kontrolle mehr. Dort sind Tausende russische Soldaten und Paramilitärs stationiert.

100 Millionen Dollar für russische Einmischung in die moldauische Politik

Zusätzlich setzt der Kreml in den Monaten vor dem Urnengang auf massive Desinformationskampagnen. Gesponsert werden politische Parteien, Medien, Influencer in den sozialen Medien und anonyme Telegram-Kanäle in Moldau. Ziel der Attacken ist die amtierende Präsidentin Maia Sandu, die am 20. Oktober wiedergewählt werden will. Moskau hat nach Einschätzung der moldauischen Denkfabrik WatchDog alleine in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar für Einmischung in die moldauische Politik ausgegeben.

Ein besonderer Dorn im Auge Moskaus ist ein ebenfalls für den 20. Oktober angesetztes Referendum. Staatschefin Sandu will damit den EU-Beitrittswunsch des Landes in der Verfassung verankern. Interpretiert wird das als Vorsichtsmaßnahme, sollten die prorussischen Kräfte bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr an Gewicht gewinnen.

Die EU reagiert mit einem Hilfspaket

Wenige Tage vor der Wahl hat nun auch die EU offensiv gezeigt, dass ihr das Schicksal des kleinen Landes nicht egal ist. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei einem offiziellen Besuch ein Hilfspaket im Umfang von 1,8 Milliarden Euro zugesagt. Die Union werde diese Summe in Moldau – das seit Dezember 2023 EU-Beitrittskandidat ist – investieren, um „Schulen zu renovieren, zwei neue Krankenhäuser zu bauen, das Internet wie die Verkehrs- und Energieinfrastruktur mit Anschluss an das europäische Netz auszubauen“.

Zudem hat die EU weitere Sanktionen gegen fünf Personen und eine Organisation verhängt, die in von Russland organisierte Destabilisierungsversuche in Moldau verwickelt sein sollen. Weitere elf Menschen sind bereits seit vergangenem Jahr mit Sanktionen belegt, darunter der im Exil lebende pro-russische Oligarch Ilan Shor.

Ein Milliardär gibt in Georgien den Ton an

Auch in Georgien, wo am 26. Oktober Parlamentswahlen stattfinden, ist eine Frau der offenbar von Moskau inszenierten Desinformationskampagne ausgesetzt. Seit Wochen versucht die pro-russische Regierungspartei Georgischer Traum, die pro-westliche Präsidentin Salome Surabischwili des Amtes zu entheben. Der Vorwurf: sie soll ohne Zustimmung des Ministerpräsidenten Besuche in Deutschland, Frankreich und Brüssel unternommen habe, um die Annäherung an die EU voranzutreiben.

Die Regierungspartei hat einen radikalen Wandel hinter sich. Nach dem Wahlsieg im Jahr 2012 verfolgte sie zunächst einen liberalen, pro-westlichen Kurs. In den vergangenen Jahren wandte sie sich jedoch Moskau zu und beschnitt nach dem Vorbild des Kremls die Rechte etwa von Zivilorganisationen und Medien. Brüssel legte deshalb den EU-Beitrittsprozess Georgiens auf Eis.

Moskau versucht sich als Friedenstaube

Chef der Regierungspartei ist Bidsina Iwanischwili, Milliardär und Ex-Premier mit engen Kontakten nach Moskau. Beobachter sagen, dass er eine Verschwörung des Westens gegen ihn wittere. Beweis dafür sei in seinen Augen, dass zwei Milliarden Dollar seines Vermögens bereits faktisch eingefroren seien.

Mitten in den georgischen Parlamentswahlkampf vor dem Urnengang am 26. Oktober platzt nun ein überraschendes Angebot aus Moskau. Demnach will Russland die verfeindeten Republiken Südossetien, Abchasien und Georgien miteinander versöhnen. Konflikte, die in den vergangenen Jahrzehnten Tausende Tote forderten, sollen so beigelegt werden. Beide Gebiete sind praktisch von Russland okkupiert. Die georgische Regierung reagiert erfreut auf das Angebot aus dem Kreml.

Kritikern zufolge greift Moskau damit direkt in den Wahlkampf ein und will der prorussischen Regierungspartei zum Sieg verhelfen. Denn noch nie sei die Wahrscheinlichkeit einer Wahlniederlage des Georgischer Traums so hoch gewesen wie dieses Mal. Doch damit würde auch der Einfluss Moskaus in Georgien schwinden und das will Russland offensichtlich vermeiden.

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Erstellt:
14. Oktober 2024, 14:11 Uhr
Aktualisiert:
14. Oktober 2024, 14:23 Uhr

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