Plattform „Onlyfans“

Schwedens Streit um Porno im Netz

Um Frauen besser zu schützen, will die Regierung die Plattform „Onlyfans“ in ihrer derzeitigen Form verbieten. Doch es regt sich unerwartet viel Kritik im Königreich.

Schwedens Streit um  Porno im Netz

Auf dem Webdienst „Onlyfans“ verkaufen vornehmlich Frauen pornografische Aufnahmen.

Von Jens Mattern

In Schweden ist Feminismus quasi Staatsdoktrin, darum werden Männer bestraft, wenn sie die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen. Nun soll, um die Frauen besser zu schützen, auch die Nutzung der Internetplattform „Onlyfans“ in ihrer derzeitigen Form in Schweden verboten werden, so ein Vorstoß der Mitte-Rechts-Regierung unter Ulf Kristersson.

Auf dem Webdienst können vornehmlich Frauen freizügige Aufnahmen bis hin zum gefilmten Geschlechtsverkehr an ihre Nutzer verkaufen. „Die Verbrechensbezeichnung für sexuelle Dienstleistungen (...) soll auch auf Handlungen ausgeweitet werden, die über Distanz, ohne Kontakt ausgeübt werden“, heißt es in einem Gesetzesentwurf, der im Sommer in Kraft treten soll.

Porno-Influencerin will Schweden verlassen

„Ich verlasse Schweden“ kündigte Cina, eine bekannte Porno-Influencerin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen svt, darum an. Dank „Onlyfans“ habe sie einen sicheren Ort für ihre Arbeit und müsse keine Kunden treffen. Viele der Schwedinnen, welche mit dem Webdienst ihr Geld verdienen, argumentieren, dass ihnen die Regierung ihr Einkommen weg nehme – und keinen Ersatz anbiete. „Superstars“ wie die 23-jährige Josefin Ottosson können umgerechnet 5000 Euro am Tag verdienen. Es sind die finanziellen Möglichkeiten, welche Frauen weltweit dazu bewegen, sich bei „Onlyfans“ zu präsentieren.

Die Organisation Talita, die sich gegen sexuelle Ausbeutung engagiert, begrüßt dagegen die Gesetzesinitiative. „Sexuelle Übergriffe im Netz sind genauso ernst zu nehmen, wie sexuelle Übergriffe offline“, meint deren Expertin Meghan Donevan. Nach Statistiken der medial stark präsenten Vereinigung seien 88 Prozent der Anbieterinnen von „Onlyfans“ als Kind sexuell missbraucht worden, 69 Prozent hätten einen Suizidversuch hinter sich. Die oppositionellen Sozialdemokraten, welche die Initiative angeregt hatten, verlangen sogar harte Gefängnisstrafen für die Käufer sexueller Dienstleistungen.

WHO und Amnesty International kritisieren ein Verbot

Deren treibende Kraft ist Annika Strandhäll, welche in der Regierungszeit der Sozialdemokraten bereits für die Verschärfung des sogenannten Sexkaufgesetzes eintrat und der scheidenden Gleichstellungsministerin Paulina Brandberg kürzlich vor laufender Kamera vorwarf, sie hätte ihr Amt nicht wirklich wahrgenommen. Strandhäll fordert ein Totalverbot des Webdiensts, selbst ein Striptease soll nicht gezeigt werden dürfen.

Unter den Kritikern eines „Onlyfans“-Verbots sind auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und Amnesty International. Sie geben zu bedenken, dass dieses Verbot die Arbeit der Frauen gefährlicher mache, weil sie dann im Untergrund stattfinde. Juristen werfen ein, dass es nicht so klar sei, wann die „sexuellen Handlungen“ anfangen und aufhören würden.

Das „Sexkaufgesetz“ gilt in Schweden seit dem Jahr 1999. Es bestraft nur die „Käufer“, nicht die Prostituierten. Damit war das Königreich das erste Land der Welt, in dem eine solche Rechtslage herrscht. Das schwedische Modell wurde zum Vorbild für Norwegen und Island, ähnliche Gesetze führten auch Kanada, Irland und Frankreich ein. Doch ob die Gesetzeslage auch bei „Onlyfans“ umzusetzen ist, ist offen, vor allem da viele Anbieterinnen im Gegensatz zu den Prostituierten die Öffentlichkeit nicht scheuen.