Reise in die Steinzeit
Siedlung der ersten Ackerbauern in Ostdeutschland entdeckt
In der frühen Jungsteinzeit wurde nicht nur in der sehr fruchtbaren Magdeburger Börde Ackerbau betrieben. Archäologen haben nun in der östlichen Altmark im Norden Sachsen-Anhalts Spuren der ersten Bauern gefunden.
Von Markus Brauer/dpa
Bei Grabungen vor dem Autobahnbau haben Archäologen nahe Belkau bei Stendal in Sachsen-Anhalt eine rund 7000 Jahre alte steinzeitliche Siedlung der ersten Ackerbauern und Siedler entdeckt. „Bislang waren die für die ersten Ackerbauern typischen Hausgrundrisse in der Altmark, nördlich der Lössgrenze nicht bekannt“, sagt Archäologin und Projektkoordinatorin Johanna Schüler.
„Das ist eine wissenschaftliche Sensation und stellt unser bisheriges Wissen zur Linienbandkeramik auf den Kopf. Wir gingen bislang davon aus, dass die ersten Ackerbauern vorrangig Lössböden aufsuchten“, ergänzt die Archäologin und Abteilungsleiterin Susanne Friederich.
Löss, Schwarz- und Braunerde
Löss entstand hauptsächlich in der letzten Eiszeit bis vor rund 13 000 Jahren. Der Wind verteilte dieses Material auch in Deutschland. Als Ausgangssubstrat bildet Löss die Grundlage für die ackerbaulich günstigsten Böden. Bei Schwarzerde handelt es sich um mit Humus gefärbten Oberboden.
In Baden-Württemberg überwiegen verschiedene Braunerde-Typen, während Schwarzerde-Böden weniger häufig vorkommen. Braunerde entsteht durch Verbraunung und Verlehmung des Bodens. Ausgangsmaterialen sind vor allem Schluffe (Feinböden aus Sand, Ton oder Lehm sowie Ablagerungsgestein) und Kalkstein.
Auf kleiner Schwarzerdefläche wurde gesiedelt
Die ersten Ackerbauern in der Altmark entschieden sich den Archäologen zufolge für ihren Siedlungsplatz auf Schwarzerde anstelle von Lössuntergrund. In der östlichen Altmark, insbesondere zwischen Belkau und Osterburg bestehen bis heute kleine Flächen, die mit Schwarzerde bedeckt sind. Genau so eine Insel wurde von den frühen Bauern bei Belkau für ihre Ansiedlung ausgesucht. Bislang wurden die Umrisse von vier Häusern freigelegt.
Es dürfte ein kleiner Weiler von nur 5000 Quadratmetern Grundfläche gewesen sein. Aus den charakteristischen begleitenden Längsgruben wurden die zugehörigen Keramikscherben geborgen. Die damaligen Menschen haben ihre Keramik mit Linienbändern verziert. Archäologen sprechen deshalb von der Kultur der Linienbandkeramik. Der Name leitet sich von den charakteristischen Verzierungen mit einem Bandmuster aus eckigen, spiral- oder wellenförmigen Linien ab.
Dauerhafte Besiedlung wegen hervorragenden Ackerböden
Die nun gefundenen Hausumrisse sind 6 bis 7 Meter breit und etwa 30 Meter lang. Entlang der Außenwände wurde lehmhaltiger Boden zur Isolierung der Wände entnommen. „Die Siedler haben Lehm aus dem Untergrund genommen, um damit die Hauswände zu verstreichen“, erläutert Grabungsleiterin Mariola Raczkowska-Jones.
Nach Angaben der Archäologen siedelten diese Bauern in der Gegend dauerhaft und betrieben genauso Landwirtschaft, wie sie es aus der Magdeburger Börde und anderen Gegenden mit hervorragenden Böden gewohnt waren.
Die Grabungen erfolgten im Vorfeld des Neubaus der Bundesautobahn 14 im Abschnitt zwischen Stendal-Mitte und Osterburg. „Im Zuge des Autobahnbaues befassen wir uns mit Landschaften, die wir bisher nicht detailliert kannten“, betont Friederich. Zwar liegen entlang der großen Flussläufe immer wieder einzelne Befunde mit Hinterlassenschaften der frühen Bauern vor. Der Nachweis einer dauerhaften Siedlung mit großen Wohnbauten fehlte und galt als ausgeschlossen.