Der wohl nächste Kanzler Friedrich Merz hat zugesagt, der Ukraine den Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Es wäre ein Richtungswechsel in der deutschen Unterstützung für die Ukraine.
Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine? Friedrich Merz ist gefragt. (Archivbild)
Von Tobias Heimbach
Da war es wieder, das T-Wort. Am Sonntagabend war Friedrich Merz (CDU) zu Gast in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ und sprach über die Lage der Wirtschaft, Migrationspolitik – und den „Taurus“. Kaum ein Waffensystem wurde in den vergangenen Jahren so kontrovers diskutiert wie dieser Marschflugkörper. Der wohl künftige Kanzler belebt diese Debatte wieder. Denn er stellte der Ukraine die Lieferung dieser Waffe am Sonntagabend in Aussicht. Als Oppositionsführer hatte Merz die Lieferung gefordert, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) der Ukraine damals verweigerte.
Danach gefragt, ob seine Zusage für die Lieferung noch gelte, sagte Merz: „Ja, ich habe das genauso gesagt, wie ich es gemeint habe. Nicht, dass wir selbst in diesen Krieg eingreifen, sondern dass wir die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten.“ Merz setzte hinzu, dass mit anderen europäischen Partnern abgestimmt werden solle, ob die Waffe geliefert werde.
Ukraine drängt auf die Lieferung der Waffe
Tatsächlich ist mit dem Regierungswechsel denkbar, dass der Marschflugkörper von Deutschland an die Ukraine geliefert werden könnte. Was würde es für die Ukraine bedeuten und welche Auswirkungen hätte das womöglich auf Deutschland?
Die Ukraine drängt schon lange auf eine Lieferung des „Taurus“. Die Waffe wird von einem Kampfflugzeug ausgeklinkt und steuert dann allein auf einer vorprogrammierten Route in sein Ziel. Dabei fliegt er in niedriger Höhe über dem Boden und bis zu 1000 Kilometer pro Stunde schnell. Deswegen ist der Marschflugkörper schwierig abzufangen. Der Taurus kann bis zu 480 Kilogramm Sprengstoff mitführen und auch Bunkeranlagen zerstören.
Zwei zentrale Einwände gegen die Lieferung
Es wird gemutmaßt, dass die Ukraine mit dieser Waffe einen Angriff auf die Kertsch-Brücke starten könnte. Diese Brücke verbindet Russland mit der Halbinsel Krim, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Aber es geht auch darum, tief in Russland liegende Einrichtungen zu zerstören, etwa Depots, militärische Flugplätze, Startplätze für Raketen oder Kommandoeinrichtungen.
Aus militärischer Sicht der Ukraine mag eine Lieferung des Taurus sinnvoll sein. Doch bislang hatte es aus Sicht von Deutschland politische Einwände gegeben. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Der Taurus hat eine so hohe Reichweite, dass manche Experten befürchten, man könnte von ukrainischem Gebiet aus auch Moskau erreichen. Olaf Scholz hatte die Sorgen der Regierung einmal so dargestellt: Beim Taurus handle es sich um eine Waffe, „die, wenn sie falsch eingesetzt wird, ein konkretes Ziel irgendwo in Moskau erreichen kann“. Das sagte er Anfang 2024.
Der zweite Grund ist, dass womöglich auch deutsche Soldaten an einem Einsatz des Taurus beteiligt sein könnten. Dabei geht es um die Programmierung der Waffe sowie die Zulieferung der dafür notwendigen Koordinaten. Nach Darstellung von Scholz hätte Deutschland dadurch zur Kriegspartei werden können.
Das Bundesverteidigungsministeriums wollte sich am Montag mit Blick auf die militärische Geheimhaltung nicht dazu äußern, ob Deutschland an einem Einsatz des Taurus tatsächlich beteiligt sei. Experten und Verteidigungspolitiker hatten allerdings mehrfach widersprochen, dass eine Beteiligung deutscher Soldaten für den Einsatz des Taurus durch die Ukraine notwendig sei.
Merz‘ Äußerungen wurden zumindest von europäischen Partnern positiv aufgenommen. Die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, sagte etwa: „Wir müssen mehr tun, damit die Ukraine sich selbst verteidigen kann und die Zivilisten nicht sterben müssen.“ Außenpolitikerin Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) warf Merz hingegen „absolute Eskalation“ vor.
Lob und Kritik von den Grünen
Von den Grünen kam Lob und Kritik. Parteichefin Franziska Brantner sagte unserer Redaktion, es sei gut, dass Friedrich Merz die Kriegsverbrechen Wladimir Putins klar benenne. „Doch auf Worte müssen jetzt Taten folgen“, setzte sie hinzu. „Denn was nützt ein Bekenntnis zur Ukraine und eine Offenheit für Taurus-Lieferungen, wenn im Koalitionsvertrag nur Allgemeinplätze stehen, Waffenlieferungen im Unklaren bleiben und den Putin-Verstehern in den eigenen Reihen freier Lauf gelassen wird?“, so Brantner. Merz müsse zeigen, dass er nicht nur ankündige, sondern auch handele.