Andreas Derow (links), Barbara Gerdes und Hans Martin Derow spielten als Trio „An Erminig“ bretonische Weisen. Foto: J. Fiedler
Von Petra Neumann
MURRHARDT. Das Folktrio „An Erminig“ hat sich nach dem bretonischen Wappentier, dem Hermelin, benannt, das heute für die Erhaltung der keltischen Kulturtradition der Bretagne steht. Im Heinrich-von-Zügel-Saal, der im Coronastyle bestuhlt war, begeisterte es das Publikum mit seinem Programm „Plomadeg“.
Barbara Gerdes (Harfe, Flöte, Bombarden), Andreas Derow (Dudelsack, Geige, Akkordeon, Gesang) und Hans Martin Derow (Gitarre, Akkordeon, Gesang) sind schon seit den 70er-Jahren von der bretonischen Musik fasziniert und halten sich viel in diesem Landstrich auf. In der Zwischenzeit haben sie viele der wichtigsten Vertreter und Bewahrer der bretonischen Musik und Tänze kennengelernt. Ihr neues Programm „Plomadeg“ (Öhmt) widmet sich nicht nur der Tanzkultur, sondern auch vielen Themen, die in den Weisen verarbeitet wurden. „Die bretonische Kultur ist bis auf den heutigen Tag sehr vom Tanz geprägt, da gibt es einen simplen Reihentanz, den auch Ungeübte lernen können. Früher zogen die Fahrenden von Hof zu Hof, von Ort zu Ort und haben dann den Klatsch und Tratsch zu Musik verarbeitet“, erzählte Hans Martin Derow.
Verkleideter Adliger gewinnt durch eine List seine Braut.
In dem Lied „Triste ménage“ geht es um eine Frau und ihre Kindern, die von dem Mann und Vater verlassen wurden. Zwar findet sie ihn in einer Wirtschaft, aber er verweigert die Heimkehr nach Hause. Eigentlich ist es ein Klagelied, aber die beiden Musiker haben daraus ein eher munteres Duett gemacht. Lange Zeit wurden die Lieder und Balladen mündlich weitergegeben und erst ab dem 19. Jahrhundert aufgeschrieben, die Tänze sogar erst in den letzten 30 Jahren. Zum Teil ist der Einfluss der Alten Musik deutlich zu hören, die Melodien klingen ein bisschen schräg und sind umweht von einem Hauch in Moll. Aus dem spanischen Galizien stammt „ Canto de Ciego“ (Gesang des Blinden). In Galizien war es Sitte, dass Menschen ohne Augenlicht die Neuigkeiten verbreiteten. In dem Musikstück geht es um einen blinden Bettler, der an der Tür der schönen Rosinia klopft, die ihre Verehrer bis dato immer abgewiesen hat. Ihr Vater ist darüber so erbost, dass er dem Fremden nicht nur Wein und Brot anbietet, sondern auch seine Tochter, die nolens volens mit ihm ziehen muss. In Wahrheit ist die zerlumpte Gestalt ein Adliger, der sich vordem vergeblich um die schnöde Schöne bemüht hatte.
„Triste vie“ (trauriges Leben) handelt von einem jungen Mann, der sich den falschen Beruf ausgesucht hat und zur Marine gegangen ist. Er warnt seine Mutter, seinen Bruder nicht denselben Weg gehen zu lassen. „Suite An Dro Naïa“ beruht auf einer wahren Geschichte: Naïa la sorcière lebte im 19. Jahrhundert in den Ruinen des Schlosses Rieux à Rochefort-en-Terre. Ihr sagte man nach, dass sie ein Hexe gewesen sei, unempfindlich gegenüber Feuer und Glut. So habe sie einen alten Bauern aus einem brennenden Haus gerettet, aber der Sohn, der sie um Hilfe gebeten hatte, sei danach depressiv geworden. Ebenso gingen ihre Weissagungen in Erfüllung. Es gibt sogar ein Museum, das ihr gewidmet ist. Ein düsterer Inhalt liegt auch dem wunderschönen Lied „Jeune fille de 15 ans“ zugrunde. Das junge Mädchen erwartet ein Kind, während der Vater verschwunden ist. In ihrer Not ertränkt sie das Neugeborene, wird aber von einer Nachbarin beobachtet und an die Polizei verraten. Obwohl die Mutter des Mädchens alles versucht, um deren Leben zu retten, wird sie schuldig gesprochen und hingerichtet. „Es ist schon so, dass sehr harte Urteile gegenüber Kindsmörderinnen ausgesprochen wurden, aber selten vollzogen“, erläuterte Barbara Gerdes. Der Titelsong „Plomadeg“ handelt von einem Vorfall nach einer Heuernte. Während der anschließenden Feier wurde Milch herumgereicht, die wohl verdorben war, sodass 18 Personen daran starben.
Diese Geschichten beweisen, dass die bretonische Liedkunst tatsächliche Vorfälle bearbeitet hat und somit weitertradiert. Als Zugabe wurde ein Schäferlied angestimmt, das von einer Schäferin handelt, die wohl ihren Schafen Lieder vorsingt, aber nicht vorbeiziehenden Männern. Ein schöner Abschluss eines schönen Musikabends.