Frank Fischer hat ein echtes Faible für verdrehten Sprachgebrauch, absurde Situationen und ebensolche Ansichten. Foto: Jörg Fiedler
Von Heidrun Gehrke
Murrhardt. Wir leben in merkwürdigen Zeiten. Da soll es doch tatsächlich Leute geben, die an der Supermarktkasse fragen, wie lange der Kugelschreiber haltbar ist. Es geht noch dämlicher, sagt Comedian und Kabarettist Frank Fischer und springt gleich zur nächsten für ihn unlösbare Frage: „Warum haben Matratzenläden eigentlich immer Räumungsverkauf? Und warum haben Brötchen lustige Namen wie Roggi und Powerkorni?“ Ganz schön „meschugge“ – so lautet der Titel seines Programms, das er beim Murrhardter Sommerpalast präsentiert.
Gerade eben war er noch bekennender Sammler von widersinnigen Zugdurchsagen, dann erzählt er von einer fiktiven Bäckereiszene: „Ich sage, ein Brot bitte. Fragt mich die Verkäuferin, ob es zum Mitnehmen sei.“ Nun ja, was sonst könnte ein Mensch mit einem Kilogramm Brot denn vorhaben? Es etwa direkt dort verzehren? Ja, er liebe auch Verkaufsgespräche. Als Kabarettist sei der Einzelhandel ohnehin eine reichhaltige Quelle für gelebten Nonsens. Dort gebe es vegane Bratwurst aus Gemüse und Sojaschnitzel. „Warum gibt es eigentlich keinen Blumenkohl aus Rinderhack?“
Die Wursträdleprägung und das Staunen über jugendliche Kommunikation
Überhaupt dieses Veganding, das ist nicht so seins. Auch wenn er sich kaum mehr getraue, das laut zu sagen, outet sich der vielfach prämierte Kabarettist, gefolgt von Applaus im Zelt, als „Wurstianer“. Auch die Begründung für diese wurstige Prägung nimmt man ihm gern ab: Das Wursträdle beim Metzger sei Schuld, damit sei auch er als Kind förmlich „angefüttert“ worden. Inzwischen seien bei ihm schon Freundschaften an der Frage zerbrochen, ob man als Fleischesser auch imstande sein muss, das Tier selbst zu töten. Für Frank Fischer totaler Quatsch. „Dafür gibt es schließlich Metzger, die haben es richtig gelernt. Man kann ja auch Auto fahren, ohne dass man Bleche biegen kann.“ Das Publikum johlt, applaudiert, folgt ihm in die S-Bahn zu zwei Jugendlichen, die offenbar im Dauerkurznachrichtenmodus hängen geblieben sind. Statt miteinander zu sprechen schicken sie sich WhatsApp-Nachrichten. „Ich frage mich, warum unterhalten sie sich nicht einfach?“ Wenige Minuten später fangen sie tatsächlich an zu sprechen. Unverständliches Gebrabbel, grammatikalische Vollkatastrophe. „Dann dachte ich, ist vielleicht doch besser, wenn sie per Handy kommunizieren.“ Für ihn ein klarer Fall von Smartphoneglotzern, für die nicht nur die Wortschöpfung „Smombies“ aus Smartphone und Zombie erfunden worden sei. Es gebe für sie bereits Ampeln, die mit dem Handy kurzgeschlossen seien. „Eine App zeigt auf dem Display an, wenn grün ist, damit nichts passiert.“ Dumm nur, wenn der Akku leer ist: „Dann werden sie über den Haufen gefahren.“ Ob er seine Späße mit verschiedenen Dialekten – bevorzugt mit einem Zuschauer aus Sachsen – macht oder seine Schlagfertigkeit in der direkten Publikumsansprache unter Beweis stellt: Er amüsiert sich nicht auf Kosten anderer, sondern bringt manche Alltagsabsurdität so vor, dass man herzhaft darüber lachen kann. Bei allem Alltagswahnsinn zeigt er Wege auf, sich kleine Freuden zu bewahren und zu gönnen. Sei es, dass er es sich auf Reisen schön macht, beispielsweise indem er im Hotelzimmer eigene Bilder aufhängt – für ein bisschen Heimatgefühl in der Ferne. Oder beim Hören von Verkehrsnachrichten in ländlichen Gegenden. „Da haben manche Orte so lustige Namen, da kriegst du auch bei der längsten Staunachricht einfach gute Laune.“
Frank Fischer wird von verlotterten Redewendungen magisch angezogen
Das dankbare Kabarettistenthema „Deutsche Bahn“ spart er sich für den Teil nach der Pause auf. Für Frank Fischer ein „Ort des Wahnsinns“, ebenso wie die Infotheke im Baumarkt: „Da siehst oft monatelang niemanden.“ Und wenn jemand ums Eck biegt, dann sei die Person präpariert. „Der wichtigste Satz eines Mitarbeiters: „Nicht meine Abteilung, ich bin Holz.“ Letzteres eine Formulierung, die dem Fass den Boden aushaue. Wie auch die um sich greifende Verlotterung fest stehender Redewendungen. „Neulich hörte ich den Satz: ‚schau mich nicht in diesem Ton an.‘“ Es erweckt den Anschein, dass er nicht nur Zugdurchsagen und Verkaufsgespräche sammelt, sondern auf Schritt und Tritt auch Sekundenbruchteile, die „meschugge“ genug sind, um daraus zwei Stunden Fabulierkunst zuzubereiten. Beweise für den zunehmenden Meschuggezustand findet er im Werbefernsehen, auf menschliche Macken stößt er bei Ratespielen im Radio. Corona wird bei ihm dezent und elegant weggenuschelt und versickert einfach im flotten Redefluss. Damit hält er sich gar nicht lange auf. Vielmehr treibt ihn die Frage um, ob in Venedig eigentlich auch alle Eisdielen „Venezia“ heißen. „Vielleicht heißt dort ja eine Bottrop oder Remscheid-Süd.“
Seine Lösung, um im Totalwahnsinn nicht überzuschnappen: „immer etwas bekloppter“ sein als die anderen. So wie eine Dame, die er beim Taubenfüttern beobachtet habe. Ein Mann habe sie angeraunzt: „Sie wissen aber schon, dass die platzen, wenn man sie mit Brot füttert.“ Ihre Reaktion: „Ja klar, aber ich will sie nachher braten und tue jetzt gleich schon die Füllung rein.“ Frank Fischer fragt manchmal einfach die Kassiererin, ob sie eigentlich Treuepunkte sammelt. Sein Trick, um das Warten in langen Schlangen vor der Kasse zu verkürzen: „Stellen Sie das Handy auf laut und spielen Sie die einprogrammierte Sprachnachricht ab: Sehr geehrte Kunden, wir öffnen Kasse 2 für Sie. Sie glauben nicht, wie schnell ich dran kam.“ Dank einer sinnvollen Handynutzung sei ihm schon manch nervender telefonierender Sitznachbar im Zug erspart geblieben: „Sagen Sie mal den Satz: ‚Siri, ist Krätze ansteckend?‘“
Es gebe Tage, da denke er, alle um ihn herum seien total bekloppt. „Mein Eindruck ist, dass diese Tage immer mehr werden.“ Sehr schön, dass er sein Perspektivenwechselding bis zum Schlusssatz durchhält: „Wenn du denkst, der andere hat komplett einen an der Waffel, denke daran, es gibt immer einen, der denkt genau das von dir.“