An die 500 Gussformen für Zuckerhasen besitzt das Café Lieb in Tübingen, darunter auch militärische Motive aus dem Ersten Weltkrieg. Das hat bei einer Aktion des Cafés jüngst für Irritationen gesorgt.
Bei einer Aktion vor ihrer Backstube gossen Mitarbeiter des Tübinger Cafés Lieb Osterhasen aus Zucker. Unter den zahlreichen historischen Motiven fand sich auch eine Form, die einen Osterhasen an einer Flak abbildet.
Von Julian Baum
Hermann Leimgruber war überrascht ob der unerwarteten Aufmerksamkeit, nimmt es aber gelassen. So erzählt er, der Inhaber der Tübinger Bäckerei und Konditorei Café Lieb, es am Mittwoch unserer Zeitung. Was war passiert?
Mit dem nahenden Osterfest hatte sich sein Café eine Aktion überlegt: An den Samstagen, 5. und 12. April, bauten Mitarbeiter des Cafés erstmals einen Stand vor der Backstube in den Traufäckern auf. Dort gossen Auszubildende und Konditoren Osterhasen aus Zucker. „Wir wollten einfach mal zeigen, wie wir das machen“, so Leimgruber. Das Unternehmen besitzt ihm zufolge an die 500 Formen aus Aluguss, die sich seit der Unternehmensgründung im Jahr 1906 angesammelt haben. „Das sind im Prinzip Antiquitäten“, sagt er.
Kritik über militarisierte Mümmler
Zu der Formensammlung gehören auch zwei Formen, die einen Osterhasen auf einem Panzer und vor einer Flugabwehrkanone (Flak) zeigen. Mit diesen geriet das Café in die Schlagzeilen.
Mehrere Medien berichteten darüber, auch den Tübinger Verein Informationsstelle Militarisierung rief sie auf den Plan. Die Kritik: Der Verkauf von Osterhasen mit militärischen Motiven trage dazu bei, dass Krieg und Kriegshandlung in der Gesellschaft normal würde.
Die Kritik könne Leimgruber nicht nachempfinden, sagt er: „Das gehört einfach zur Geschichte dazu.“ Wie viele in der Nachkriegszeit habe auch er als Kind Zuckerhasen zu Ostern bekommen, weil Schokolade in dieser Zeit nicht erschwinglich gewesen sei. Die Hasen vermittelten auch ein Stück der Erfahrungen wieder. „Es gehört zur Authentizität dazu, und der Rest ist Ansichtssache“, so Leimgruber.
Handwerkstradition und antiquarischer Wert
Für den Konditor liegen Handwerkstradition und antiquarischer Wert nah beieinander. Die Gussformen werden seit den Fünfziger-/Sechzigerjahren nicht mehr hergestellt, sagt er. Umso mehr hüte er den Bestand im Unternehmen. „Es gibt wunderschöne Motive, auch Osterhasen vor Holzkarren aus den frühen Jahren in 1900 oder Hasen auf Nachkriegsmotorrädern.“
Der Aktionsstand war für den Café-Lieb-Inhaber zufolge ein Erfolg, für das nächste Jahr kann er sich eine Wiederholung vorstellen. Und würde er wieder Panzer-Osterhasen gießen lassen? „Ich würde es wieder so machen.“