Wie schafften es unsere Vorfahren vor Zehntausenden Jahren, unter widrigen Bedingungen zu überleben? Wissenschaftler haben erstaunliche Unterschiede zu den Neandertalern entdeckt. Ein entscheidender Faktor war demnach der Sonnenschutz.
Der Wissenschaftler Maximilian Schanner hat eine Illustration generiert, wie die Aurora vor 41.000 Jahren ausgesehen haben könnte.
Von Larissa Schwedes (dpa)/Markus Brauer
Warum hat sich der Homo sapiens in der Evolution durchgesetzt und der Neandertaler ist von der Bildfläche verschwunden? Möglicherweise könnte dabei ein früher Vorläufer heutiger Sonnencreme eine überraschende Rolle gespielt haben, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
A pole shift 41,000 years ago threw the earth’s climate into chaos, causing dangerous exposures to the sun’s UV rays for the planet’s occupants. Humans took measures to protect themselves, but Neanderthals did not, and new research suggests this was one of the major causes of… pic.twitter.com/exawNrmTY2 — Ancient Origins (@ancientorigins) April 17, 2025
Klimatische Folgen des Laschamp-Ereignisses
Ein Team der Universität Michigan hat untersucht, wie sich die frühen Menschenarten vor rund 41.000 Jahren während einer besonderen Phase verhalten haben: Damals – während des sogenannten Laschamp-Ereignisses – sorgte die zeitweise Umkehr des Erdmagnetfeldes dafür, dass deutlich mehr Teilchenstrahlung aus dem All, aber auch mehr schädliche Sonneneinstrahlung als sonst, auf die Erde gelangten.
Bei einer Umkehr des Erdmagnetfeldes tauschen die magnetischen Pole der Erde ihre Position. Dabei handelt es sich um einen wiederkehrenden natürlichen Prozess in der Erdgeschichte. Anders als die geografischen Pole sind die magnetischen Pole der Erde keineswegs starr, sondern unterliegen ständigen Bewegungen.
Neandertaler verschwand – Homo sapiens blieb
Das Forschungsteam, an dem auch Sanja Panovska vom Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam beteiligt war, erschuf für das Projekt eine dreidimensionale Rekonstruktion des geografischen Systems der Erde.
Die Forscher fanden heraus, dass zur Zeit des Laschamp-Ereignisses in Europa sowohl Neandertaler als auch Vertreter des Homo sapiens – also anatomisch moderne Menschen – lebten. Etwa 1000 Jahre später, von heute zurückgerechnet also vor etwa 40.000 Jahren, verschwanden die Neandertaler jedoch von der Bildfläche.
Homo sapiens war der erste Schneider
„Welche Unterschiede zwischen Neandertalern und anatomisch modernen Menschen für dieses Verschwinden verantwortlich sein könnten, ist seit Jahrzehnten eine wichtige anthropologische Frage“, betont Mitaurorin Raven Garvey von der University of Michigan.
Einer dieser Unterschiede könnte der Studie zufolge sein, dass sich die Homo sapiens wohl Kleidung hergestellt haben. Das zeigen Funde von entsprechenden Werkzeugen wie Nadeln: Bekleidet hätten sie sich nicht nur mutmaßlich zur Nahrungssuche weiter von ihren Unterschlüpfen wegbewegen können als die Neandertaler, sondern seien auch besser vor starker Sonneneinstrahlung geschützt gewesen, heißt es in der Studie.
Ocker als frühe Sonnencreme
Doch das scheint nicht der einzige Sonnenschutz gewesen zu sein, den die frühen Menschen genutzt haben. Sie könnten nach Einschätzung der Forscher auch Ocker, einem natürlich aufkommenden Pigment aus Eisenoxid, Ton und Kieselerde, verwendet haben. Damit wurden etwa auch Höhlen bemalt. „Ocker ist ein ziemlich wirksamer Sonnenschutz“, erklärt Garvey. Beim Homo sapiens deute einiges darauf hin, dass Ocker so genutzt worden sei.
Die starke Sonneneinstrahlung habe unter anderem zu Folsäuremangel führen können, der wiederum eine höhere Kindersterblichkeit verursachen kann. Ein wirksamer Sonnenschutz hätte so „jedem, der ihn hatte, einen erheblichen Vorteil verschaffen können“, erläutert Garvey.
Die Forscher weisen jedoch auch darauf hin, dass ihre Befunde kein eindeutiger Beleg dafür sind, dass Ocker und Kleidung wirklich dafür mitverantwortlich waren, dass sich der Homo sapiens durchgesetzt hat. Sie stellten zwar einen Zusammenhang fest, können aber nur spekulieren, dass es auch eine kausale Verbindung gegeben hat.
Forschung mit nicht nur historischer Relevanz
Die Wissenschaftler sehen jedoch auch eine aktuelle Relevanz ihrer Forschung: So könne man daraus lernen, wie Menschen unter anderen atmosphärischen Bedingungen überleben konnten – etwa auch mit Blick auf die noch immer andauernde Suche nach Leben auf Planeten fernab der Erde.
Bedeutung von Ocker für Entwicklung der Zivilisation
Ocker ist ein natürlich vorkommendes Pigment, das aus eisenhaltigen Materialien gewonnen wird. Es wird seit Jahrtausenden von Menschen verwendet: für Höhlenmalereien sowie zur Verzierung symbolischer Objekte und persönlicher Ornamente.
Ocker hat in vielen Gesellschaften eine kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung und bietet der Wissenschaft daher wertvolle Einblicke in das Wachstum der menschlichen Gesellschaft und der menschlichen Selbstdarstellung.
Erdmineral für Farbstoff und rituelle Zwecke
Malereien von Jagdszenen in der prähistorischen Höhle von Lascaux in Frankreich, Zeremonien und Körperbemalungen von indigenen Völkern weltweit, Kunstwerke aus dem Mittelalter: Seit jeher wird Ocker, ein natürlich vorkommendes, lichtechtes Erdmineral von Menschen als Farbstoff und für rituelle Zwecke genutzt.
„Man kann sagen, dass Ocker das früheste bekannte Pigment ist, das von Menschen verwendet wurde, um unsere Welt abzubilden“, erklärt Gregor D. Bader vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. „Unsere Spezies und andere Homininen verwenden das rote, gelbe oder auch violette Erdmineral seit mindestens 500.000 Jahren – wenn nicht sogar schon länger.“