Lange war unklar, wo der letzte angelsächsische König Englands residierte. Eine Spur lieferte zwar eines der berühmtesten Kunstwerke des Mittelalters – der Wandteppich von Bayeux. Auf ihm ist König Harold im Festsaal seines Hauses und in einer Kirche dargestellt.
Der Wandteppich von Bayeux zeigt König Harald II. beim Reiten nach Bosham, wo er die Kirche besucht und in einem Saal feiert, bevor er nach Frankreich aufbricht.
Von Markus Brauer
Als der Waffenlärm verklungen war, ritt der Sieger Wilhelm, Herzog von der Normandie, bei einbrechender Dämmerung über das Schlachtfeld. „Es war unmöglich, die Toten zu betrachten ohne eine Regung des Bedauerns. Die Blüte der Jugend und des Adels Englands bedeckte weit und breit den Boden.“
Englands letzter angelsächsischer König
So schildert der normannische Chronist Wilhelm von Poitiers die düstere Szenerie am Abend des 14. Oktober 1066. Sieben Wochen später ließt sich der Normannenherzog in der Londoner Westminster Abbey zum König von England krönen.
Unter den Toten auf dem blutigen Feld lag auch Harold Godwinson, Englands letzter angelsächsischer König, besser bekannt als Harald II.. Die Schlacht war der erste und wichtigste Teil der Eroberung Englands durch die Normannen. Der Verlauf des Feldzugs ist auf dem berühmten Teppich von Bayeux in 58 Szenen dargestellt.
Wo stand König Harolds Residenz?
Dieser Festsaal lag dem Wandteppich zufolge in Harolds Residenz in dem heutigen Dorf Bosham, an der Küste von West Sussex in Südengland, rund 70 Kilometer von Hastings entfernt. Historiker vermuten ihn schon lange an einer Stelle, an der heute ein Privathaus aus dem 17. Jahrhundert steht.
Um den Ort zu lokalisieren, haben Archäologen um David Gould von der Exeter University die archäologischen Funde aus früheren Ausgrabungen sowie die Umgebung des Hauses in Bosham und dortige mittelalterliche Überreste genauer untersucht. Die Funde glichen sie mit Vermerken auf alten Karten und Dokumenten ab.
Die Studie ist im Fachmagazin „The Antiquaries Journal“ erschienen.
#考古学のおやつ 3/3 ▶ David Gould . (2025) WHERE POWER LIES: LORDLY POWER CENTRES IN THE ENGLISH LANDSCAPE c. 800–1200. ℎ , First View, pp. 1 - 35. [Cambridge Core]https://t.co/OEgnYPp8z4 — おやつMaster(考古学のおやつ) (@OyatsuMaster) January 28, 2025
Hinweise auf größere Anlage in Bosham
Im mittelalterlichen Bosham standen demnach einst zwei weitere, bisher unbekannte Gebäude. Auf den Grundmauern des einen wurde das bis heute erhaltene Haus gebaut, das andere stand im Garten des heutigen Anwesens.
Die Überreste legen nahe, dass der auf dem Bayeux-Teppich dargestellte Festsaal zu einem größeren Komplex gehörte, der auch eine Kirche -die Holy Trinity Church – umfasste, die heute noch steht.
Die neuen Untersuchungen bestätigten zudem den Fund einer früheren Ausgrabung. Danach stand an der Stelle des heutigen Privathauses in Bosham einst eine Latrine in einem großen Holzgebäude. In England bauten ab dem 10. Jahrhundert nur Personen mit hohem Status solche Latrinen in ihre Wohnanlagen ein. Daher schließen die Spatenforscher, dass sich in Bosham ein elitäres Klohaus befand, das Teil von Harolds verloren geglaubter königlicher Residenz war.
Königsresidenz mit Klohaus
„Die Erkenntnis, dass bei den Ausgrabungen von 2006 tatsächlich ein angelsächsisches Bad gefunden wurde, bestätigte uns, dass dieses Haus an der Stelle einer Eliteresidenz aus der Zeit vor der normannischen Eroberung steht“, erläutert Seniorautor Duncan Wright von der Newcastle University.
Zusammen genommen belegen die Hinweise „über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass wir hier den Standort von Harold Godwinsons privatem Machtzentrum gefunden haben, das prominent auf dem Wandteppich von Bayeux abgebildet ist.“
Herrenhäuser statt Burgen
„Bei der normannischen Eroberung trat eine neue herrschende Klasse an die Stelle einer englischen Aristokratie, die nur wenige physische Überreste hinterlassen hat. Das macht die Entdeckung in Bosham enorm bedeutsam. Wir haben ein angelsächsisches Musterhaus gefunden“, betont Koautor Oliver Creighton von der University of Exeter.
Anders als die normannischen Eliten, die bevorzugt in Burgen hausten, lebten die angelsächsischen Herrscher in geschlossenen Wohnkomplexen aus Herrenhäusern mit angrenzenden Kirchen oder Kapellen. Die Wissenschaftler vermuten, dass es einst rund 1.000 solcher Anlagen gab.