Zwischen Flächen- und Ausbaudruck

Beim kommunalen Klimaschutz- und Energietag in Murrhardt tauschten sich Experten, Lokalpolitiker und Vertreter von Initiativen aus.

Von Christine Schick

MURRHARDT. Kreisräte, Vertreter von Kommunen, Beteiligungsgesellschaften und Bürgerenergiegruppen kamen am Montag zum fünften kommunalen Klimaschutz- und Energietag in der Murrhardter Festhalle zusammen. Das Thema: „Solarenergie im Rems-Murr-Kreis – Rahmenbedingungen, Fördermöglichkeiten und Potenziale“. Unter der Regie des Landratsamtes waren verschiedene Experten und Akteure des Gebietes eingeladen, um in einem Kurzbeitrag wesentliche Punkte aus ihrer Sicht zu vermitteln, Fragen zu beantworten und sich mit den Gästen auszutauschen. Felicia Wurster von der Geschäftsstelle Klimaschutz des Landratsamtes ordnete den Stand im Kreis in Bezug auf Energieverbrauch und CO2-Ausstoß ein und zeigte anhand der Zahlen, dass der Fotovoltaikausbau noch großes Potenzial birgt (900 Gigawattstunden).

Franz Pöter, Geschäftsführer des Solar Cluster Baden-Württemberg e.V., stellte fest, dass der Klimawandel mittlerweile auch im Land angekommen sei, beispielsweise abzulesen an den deutlichen Waldschäden („80 Prozent des Forstes weißt Schäden auf.“). Mit Blick auf die Ziele von Paris und die Entwicklung seit den 1990er-Jahren sei noch eine Menge zu tun, eine Hauptlast liege dabei auf der Transformation des Energiesektors und einer CO2-freien Energieerzeugung. Fotovoltaikanlagen seien in dieser Hinsicht ein wichtiger Baustein. Das liegt für ihn vor allem darin begründet, dass sie mit zu den günstigsten Stormerzeugungsformen gehören und in dieser Hinsicht auch konventionelle Energieträger wie Kohle überholt haben. Zwar sinke die Einspeisevergütung einer Anlage weiterhin ab, trotzdem lohne sich die PV-Anlage immer noch („aus Umweltschutzgründen sowieso“). In Bezug auf den Ausbauerfolg, gemessen an der Energieproduktion über Fotovoltaik, liegt der Rems-Murr-Kreis im landesweiten Vergleich mit den weiteren 34 Landkreisen relativ weit abgeschlagen auf Platz 33. Franz Pöter übersetzte das in ein Bild: Auf einen Einwohner des Kreises kommt ein Solarmodul. Als einen möglichen Ansatz, noch weiter zuzulegen, sieht er den Bau von Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen auf einem Streifen mit entsprechendem Abstand oder auf Deponien. Darüber hinaus riss er eine Reihe aktueller gesetzlicher Veränderungen und Vorhaben an, die das Feld mit abstecken. Beispielsweise das vom Kabinett beschlossene Klimaschutzgesetz, das die umstrittene Solardachpflicht nur für Gewerbe und nicht bei Wohngebäuden vorsieht und über das Erfahrung mit Anlagen auf überdachten Parkplätzen zur Versorgung von Elektroautos gesammelt werden soll. Der Entwurf der EEG-Novelle 2021 springt für ihn deutlich zu kurz, unter anderem weil eine Ausschreibung jenseits eines festen Preises mit enormer Planung verbunden ist. In der Diskussion zeigte sich, dass Bayern beim Freiflächenanlagenausbau ein beachtliches Tempo hinlegt. Pöter räumte zwar ein, dass in der Region Stuttgart ein erheblicher Flächendruck herrsche, Bayern nicht auf Windkraft setze und insgesamt über doppelt so viel Fläche verfüge, gleichsam übten die Verwaltungsverantwortlichen dort aber eine Art vertikalen Schulterschluss.

Sonja Voigt, die Leiterin des Kreisbaurechtsamts, ging auf die baurechtlichen Rahmenbedingungen für Freiflächenfotovoltaikanlagen ein, ihr Kollege Simon Kistner, der dem Amt für Umweltschutz vorsteht, übernahm die naturschutzrechtlichen Aspekte. Im Gegensatz zu einer Anlage auf dem Dach braucht es für die Installation von Modulen auf Freiflächen eine Genehmigung. Thema wird dies im Außenbereich und das Vorhaben bedarf eines Bebauungsplans, den die Kommune auf den Weg bringen kann. Voigt betonte, dies nicht als Hürde, sondern vielmehr als Lenkungsmöglichkeit zu sehen. In diesem Kontext werden dann auch die umweltschutzrechtlichen Dinge abgeklärt. Das Umweltschutzamt muss solch eine Planung mit dem Artenschutz und Belangen des Naturparks in Einklang bringen. Wenn beispielsweise ein Landschaftsschutzgebiet (Naturschutz- und Vogelschutzgebiete sind unzulässig) betroffen ist, heißt es, ein Änderungsverfahren einzuleiten, bei dem Eingriffe abgewogen werden.

Interessensabwägung ist auch


auf den zweiten Blick nicht


immer ganz einfach.

Es entspann sich eine Diskussion, inwieweit die Kreisverwaltung nicht einfach auch mit einer Befreiung zu einem schnellen Ausbau beitragen kann. Simon Kistner verteidigte aber das Abwägen der verschiedenen Interessen (öffentlich-rechtliches im Sinne des Naturschutzes versus privat-wirtschaftliches von meist landwirtschaftlicher Seite). Allerdings fiel auch das Gegenargument, dass ein Voranbringen der Anlagen und damit des Klimaschutzes ebenfalls im öffentlichen Interesse liegen solle. Landrat Richard Sigel schaltete sich mit der Botschaft ein, dass man einen sehr pragmatischen, lösungsorientierten Weg suche und Anlagen verwirkliche, wenn immer es geht, um das Spagat, beides abzuwägen, komme man aber trotzdem nicht herum.

Franziska Janke, Projektleiterin Dialogforum Erneuerbare Energien und Naturschutz, versucht gerade an dieser Linie zwischen Naturschutz und Ausbau zu vermitteln beziehungsweise gute Wege zu finden und sie zu begleiten. Die Notwendigkeit, die Erneuerbaren Energien massiv auszubauen, bringe Eingriffe in den Lebensraum der Tiere mit sich. Punkten könnten Vorhaben aber damit, die Fläche, auf der sich die Anlage befindet, ökologisch wertvoll zu gestalten und bei der Einzäunung entweder Korridore oder Schlupflöcher für Tiere zu lassen (unterer Bereich ist offen). Weiterer Punkt: der Verzicht auf Chemikalien. Es gibt auch Beispiele, bei denen die Flächen von Schafherden genutzt werden. Janke sprach von nicht wenigen Fällen, in denen sich durch eine solche Neugestaltung die Biodiversität im Vergleich zur reinen Ackerfläche verbessert habe. Eine Kommune kann bei entsprechender Planung auch in dieser Hinsicht bewusst Ökopunkte sammeln.

Fotovoltaik-Netzwerk und Energieagentur Rems-Murr

Sabine Meurer von der Energieagentur Rems-Murr stellte das Fotovoltaik-Netzwerk der Region Stuttgart und die Aktivitäten der Agentur vor. In Baden-Württemberg sind es insgesamt zwölf regionale Netzwerke, die den Fotovoltaikausbau im Land voranbringen wollen. Sie unterstützen Bürger und lokale Akteure durch Informationen, Beratungen und regelmäßigen Wissens- und Erfahrungsaustausch.

Die Energieagentur Rems-Murr bietet zudem eine kostenlose und neutrale Beratung für Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen, Schulen und Vereine. Weiteres Ziel ihrer Arbeit ist, zentrale Zielgruppen zusammenzubringen wie beispielsweise Handwerker, Energiegenossenschaften und Immobiliengesellschaften.

Einige der Angebote hat das Team vor dem Hintergrund von Corona ins Netz verlegt, Seminare und Infoveranstaltungen werden zurzeit online angeboten. Weitere Infos finden sich im Netz unter der Adresse www.energieagentur-remsmurr.de.