Streuobstwiesen sind nicht nur ökologisch wertvoll, sie halten auch qualitativ hochwertige Früchte bereit. Für die Eigentümerinnen und Eigentümer ist es allerdings nicht immer einfach, Aufgaben wie den Baumschnitt zu bewältigen. Foto: Alexander Becher
Von Christine Schick
Murrhardt. Im Zentrum des Abends steht die Frage, wie sich die wertvollen natürlichen Ressourcen nutzen, aber auch schützen lassen. Wo ist ein Ausbau regionaler und nachhaltiger Wertschöpfungsketten möglich? An welcher Stelle heißt das, Menschen als Verbraucherinnen und Verbraucher anzusprechen, vielleicht auch zu informieren und aufzuklären? Wie kann man die biologische Vielfalt in der Region stärken, dieses Potenzial möglicherweise aber eben auch wirtschaftlich nutzen? Hannes Bürckmann von der Agentur Neulandplus, der den Workshop moderiert und dabei auch die konzeptionelle Bewerbung insgesamt im Blick hat, erinnert daran: „Leader ist ein Förderinstrument der EU. Ziel ist, dass verschiedene Akteure zusammenarbeiten, um die Region zu entwickeln, die Stärken zu nutzen und die Schwächen abzubauen.“
Um erneut Leaderregion zu werden, heißt es, in diesem Sinne ein möglichst gutes Konzept abzugeben. Klar ist genauso: „Es braucht Menschen, die das auch umsetzen.“ Wie das für das Thema „Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft“ aussehen kann, skizziert der Agraringenieur anhand einiger Projekte in anderen ländlichen Regionen. Da ist zum Beispiel die Aufgabe, Abfall zu pressen, wobei landwirtschaftliche Maschinen zum Einsatz kommen, oder ein Start-up, das in der Biokunststoffentwicklung tätig ist. Vater und Sohn machen in ihrer Upcyclingmanufaktur das Hobby zum Beruf, und ein weiteres Unternehmen baut mit Holz und Stroh. Eine Studie, bei der es darum geht, die Wertschöpfungskette von Walnussprodukten herauszuarbeiten, ist ein weiteres Förderbeispiel. Was die Landwirtschaft anbelangt ist weniger der Kernbereich förderfähig, sondern vielmehr die Vermarktung beziehungsweise konzeptionelle Ansätze dazu, erläutert Bürckmann. Bereits aktiv in dieser Hinsicht sind die Bio-Musterregion-Initiativen in Baden-Württemberg. Weitere Stichworte zum Themenbereich sind Wasserstoffnutzung, Beweidungsprojekte und Konzepte zur Biodiversitätssteigerung.
Holz ist wichtiger Wertstoff,
aber der Ressourcenaufbau dauert lange
Nach dem kompakten Input geht es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ans Brainstorming, es werden Ideen zusammengetragen und diskutiert. Für Naturparkgeschäftsführer Karl-Dieter Diemer wäre es wünschenswert, noch mehr mit Holz zu bauen und die Motivation in dieser Hinsicht zu unterstützen. Eine Fornsbacher Firma, die Tiny Houses und Schäferwagen herstellt, ist ein Beispiel, auch wenn nach einer Einschätzung aus der Runde nicht alles Holz aus den heimischen Wäldern kommt.
Gleichzeitig schlagen Einzelne auch nachdenkliche Töne an. Herbert Gräßl vom Unternehmerforum Oberes Murrtal sagt, dass es angesichts der Nutzung wichtig ist, Bäume zu pflanzen. Eine Teilnehmerin aus Großerlach stellt fest, wie sich vor dem Hintergrund des Krieges der Stellenwert von Regionalität und heimischer Produktion wandle, es aber auch darum gehe, die Produzenten zu unterstützen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und eines Marktgeschehens, das einen ganz anderen Takt als das Wachsen von Bäumen hat, stellt Bürckmann die Frage, welche Baumarten denn da fix anzupflanzen wären. Bürgermeister Armin Mößner, dem sich für ein familiäres Grundstück nach starkem Käferbefall genau diese Frage stellte, hält Douglasie für eine gute Wahl, aber auch Arten wie Eiche, Elsbeere oder Walnuss. Je diverser die Baumarten seien, desto geringer sei das Risiko. Allerdings macht er auch deutlich, dass er dies im Ergebnis nicht mehr erlebe, man da mit Zeiträumen von 60 bis 80 Jahren rechnen müsse. Trotzdem ist das Thema „Holz“ aus der Perspektive der Kommune kein unwichtiger Faktor, erläutert Mößner zu Beginn, die Stadt ist waldreich und nutzt den Rohstoff in der Nahwärmeproduktion mit Hackschnitzeln.
Franz-Josef Klement, Obst- und Gartenbauberater im Ostalbkreis, findet, dass die Verwertung des Rohstoffs immer noch stark auf Nadelholz fixiert sei. Streuobstbäume böten aber ein wertvolles Holz in dieser Hinsicht. Bürckmann hakt nach, inwieweit schon vorhandene Ansätze rund um das Gebiet Streuobst auszubauen seien. Für Klement ist das die Pflege und der Schnitt der Obstbäume, wobei Unterstützung ein Thema sei, aber auch besagte Nutzung des hochwertigen Holzes.
Genannt werden weitere Aspekte wie Holzvergasung oder die Herstellung von Terra Preta, einer dunklen, humus- und nährstoffreichen Erde mit Holz- beziehungsweise Pflanzenkohle als Bestandteil. Was die Nutzung von Obstholz anbelangt, so geht Karl-Dieter Diemer aber nicht davon aus, dass das Schnittgut dem Waldrestholz den Rang abläuft. „Die Lösung steckt für mich vielmehr im Produkt“, sagt er. Die Qualität von Streuobst sei höher einzuschätzen als beim Erwerbsobstanbau.
Selbstversorgung braucht Wissen
und Bewusstsein und bedeutet Arbeit
Mit Blick auf den Verein Schwäbisches Mostviertel und seine Aktivitäten sowie auf Keltereien und Saftproduzenten will Hannes Bürckmann wissen, ob auf dem Gebiet trotzdem noch weitere Unterstützung nötig ist. Die Möglichkeit, seinen eigenen Saft pressen zu lassen und so auch die Besonderheiten eines Apfeljahres zu schmecken, wird als wertvoll erachtet. Allerdings berichtet eine Teilnehmerin mit eigener Mosterei auch von der Schwierigkeit, genügend Streuobst zu bekommen, obwohl sie es ankaufen würde.
Zur Sprache kommen auch Fragen rund um die Direktvermarktung. Sind Erzeuger, Verwerter und Kunden gut vernetzt? Das ist deshalb ein Thema für die Region, da zum Gebiet und zur Leaderkulisse vier Landkreise gehören, sodass es neben solch möglichen vier Verzeichnissen auch eine übergeordnete gute Suchfunktion bräuchte. Was die Präsenz sonst anbelangt, gibt es die Naturparkmärkte, auf denen Direktvermarkter ihre Waren anbieten können, und das jüngste Projekt eines Naturparkladens in Murrhardt als weitere Plattform. Auch mit dem Selbstbedienungsdorfladen Tante-M in Großerlach habe man gute Erfahrungen gemacht, berichtet eine Teilnehmerin. Allerdings sei auf dem Land immer auch die Weitläufigkeit ein zentraler Faktor und mit dieser die Frage, wie die Ökobilanz ausfalle, wenn es um ein Abholen beziehungsweise das Zusammentragen und Wiederausliefern der Produkte ginge. Ist die Selbstversorgung eine Alternative? Da wäre ein Netzwerk rund um die Bewirtschaftung des eigenen Gartens vielleicht hilfreich. Herbert Gräßl wendet ein, dass dies noch nicht in der Breite angekommen sei, da viele sich allein über den Supermarkteinkauf versorgen. Früher anzusetzen würde bedeuten, die Wertschätzung und das Wissen zu fördern – ein weites Feld. Es fallen die Stichworte Gartenführerschein, Naturparkschulen und Streuobstprojekte schon mit Grundschülern, die ihren eigenen Streuobstbaum pflanzen und der Gemeinde damit Ökopunkte bescheren.
Beim Workshop zeigt sich, dass die Themen komplex sind und ineinandergreifen. Für Hannes Bürckmann ist die Arbeit auch noch nicht vorbei, münden die in den Workshops sowie bei Treffen erarbeiteten Inhalte nun nochmals in ein Feilen am Konzept für die Neubewerbung.