125 Jahre gemeinsam unterwegs

Der Schwäbische Albverein Murrhardt feiert Jubiläum – Ortsgruppe blickt auf eine beachtliche Strecke an Aktivitäten zurück

Seit 1894 gibt es in der Walterichstadt eine Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins (SAV), den Murrhardts Ehrenbürger Eugen Nägele bereits im Jahr 1888 mit ins Leben gerufen hat. Seitdem haben attraktive Jahresprogramme zahlreichen Wanderfreunden viele unvergessliche Erlebnisse und Eindrücke auf Touren und Ausflügen beschert.

Beim Eugen-Nägele-Gedächtnisspaziergang in Murrhardt vor sechs Jahren machten sich Mitglieder und Gäste gemeinsam auf den Weg. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Beim Eugen-Nägele-Gedächtnisspaziergang in Murrhardt vor sechs Jahren machten sich Mitglieder und Gäste gemeinsam auf den Weg. Foto: J. Fiedler

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Ziele waren unter anderem das Allgäu und Südtirol, die Fränkische Schweiz und der Bayerische Wald, das Altmühltal und die Mosel, der Odenwald und Rennsteig. Zahlreiche Murrhardter haben sich auch ehrenamtlich auf vielfältige Weise für die Ortsgruppe und die Natur und Kultur ihrer Heimat eingebracht: als Vorstandsmitglieder und Wanderführer, Wege- und Naturschutzwarte sowie in früheren Jahren als Volkstänzer, Sänger oder Theaterspieler in der Jugendgruppe.

Gründungsmitglieder waren 16 Honoratioren des gehobenen Bürgertums um Stadtschultheiß Heinrich Zügel. Apotheker Horn war Erster Vorsitzender, damals Vertrauensmann genannt. Aus den Anfangsjahren ist kaum etwas bekannt, nur, dass die Mitgliederzahl stetig stieg. „Damals wanderte man in Anzug und Krawatte oder mit Knickerbockerhosen“, erzählt Gerhard Hörger, Vorsitzender von 2001 bis 2014. Dabei legten die Älbler, wie sie damals genannt wurden, bei Ganztagswanderungen lange Strecken zurück, so 1930 ins Remstal und nach Esslingen. Schon in den 1930er-Jahren verband man das Naturerlebnis bei Wanderungen mit Besichtigungen kultureller Sehenswürdigkeiten. 1931 kam die zuvor eigenständige Murrhardter Skizunft hinzu. 1932 schrieb Eugen Nägele einen Brief an Bürgermeister Karl Blum: Mit dem Württembergischen Schwarzwaldverein hatte er 1897 das Schwäbische Jugendherbergswerk, einen Vorläufer des Deutschen Jugendherbergswerkes, gegründet und den Vorsitz übernommen, und wollte auch eine Jugendherberge in seiner Geburtsstadt aufbauen. Dieser Wunsch ging jedoch erst 1958 in Erfüllung: Seitdem ist die Eugen-Nägele-Jugendherberge Unterkunft für junge und erwachsene Gäste aus aller Welt.

Während des Dritten Reichs wurden die Wandervereine in NS-Organisationen integriert. 1939 richtete man in der Seegasse ein Zimmer mit Erinnerungsstücken an Eugen Nägele ein und brachte eine Gedenktafel an dessen Geburtshaus an, die wohl im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde.

Ab 1946 fanden wieder Wanderungen statt, die damals genauso wie Versammlungen noch von der US-Militärregierung genehmigt werden mussten. Nach 1950 stieg die Mitgliederzahl stark an, und unter der Regie von Irma Greiner, Frau des Vorsitzenden Richard Greiner, bildete sich eine vielseitig aktive Jugendgruppe. Sie gestaltete ihr eigenständiges Programm, und auch Gesang, Volkstanz und Theaterspiel gehörten bei den Aktivitäten dazu. „Ich war in der Volkstanzgruppe, die Brigitte Stähle leitete, wir tanzten aber nur für uns und bei Veranstaltungen der Ortsgruppe“, erzählt Manfred Bilzer, seit über 60 Jahren Mitglied. „Dafür haben wir uns eine eigene Tracht gestaltet. Die Damen trugen Dirndl, die Herren Kniebundhosen und bunte Hemden. Wir machten acht- bis 14-tägige Ausflüge, trafen uns regelmäßig und besuchten Sonnwendfeiern in der Umgebung mit Lagerfeuer, Gesang und Tanz.“

In den 1960ern unternahm der Verein mehrtägige Wanderfahrten und lud zum ersten Älbler-Ball ein

1956 richtete die Ortsgruppe die Tagung und Hauptversammlung des Hauptvereins aus, zu denen rund 5000 Wanderer in die Walterichstadt kamen. Wahrscheinlich brachte man damals auch die neue Gedenktafel am Nägele-Haus in Murrhardt an.

1957 übernahm Otto Hipp den Vorsitz: Nun standen Ferienwanderwochen und mehrtägige Wanderfahrten zu entfernteren Zielen auf dem Programm genauso wie zweitägige Albtouren und Wanderungen für Kurgäste. Bei einer dreitägigen Wanderfahrt ins Elsass und in die Vogesen 1964 besichtigte die Wandergruppe Kulturdenkmäler wie das Straßburger Münster. Sie besuchte auch den im Ersten Weltkrieg stark umkämpften Hartmannsweilerkopf und legte einen Kranz zum Gedenken an die Gefallenen nieder. Großer Beliebtheit erfreuten sich Kunstfahrten mit Rolf Schweizer, und Mitglieder der Ortsgruppe packten bei den Ausgrabungen der Limes-Wachtürme unter dessen Regie mit an. 1967 wurde Walter Kemmner Vorsitzender. 1969 fand erstmals der sogenannte Älbler-Ball statt, und bis etwa 1979 richteten die Ortsgruppen Murrhardt, Sulzbach an der Murr und Grab in verschiedenen Gaststätten gemeinsame Feiern aus. Ab und zu gab es auch Singabende, und im Herbst ging’s auf eine Weinfahrt ins Blaue. Zudem arbeiteten etliche Mitglieder beim Aufbau beziehungsweise der Einrichtung des Wanderheims Eschelhof mit. Um die Natur und den Naturschutz zu fördern, bot man Blumen-, Kräuter- und Pilzwanderungen an, und im Dezember gab’s Nikolauswanderungen zur Lindersthütte.

1979 versuchte man mit Wanderungen unter dem Motto „Familien wandern mit ihren Kindern“ neue, junge Mitglieder zu gewinnen. Sie fanden zwar guten Zuspruch, das eigentliche Ziel erreichten sie indes nicht. Bis in die 1980er-Jahre hatte die Ortsgruppe über 300 Mitglieder. Im Jahr 1985 wurde Forstdirektor Siegfried Häfele Vorsitzender, 1986 richtete die Ortsgruppe das Albvereinszimmer im Grabenschulhaus der Volkshochschule als gemütlichen Treffraum mit Erinnerungsstücken ein und bot auch diverse Ferienprogrammaktionen an. „In den 1980er- und 1990er-Jahren unternahmen wir jährlich eine Fernwanderung mit einer Strecke von etwa 50 Kilometern unter der Regie von Siegfried Häfele und Helmut Trinkle, so von Murrhardt nach Waldenburg“, erinnert sich Gerhard Hörger. „Übernachtungen in Jugendherbergen mit altersmäßig bunt gemischtem Publikum waren amüsant, denn für uns ältere Wanderfreunde war es ungewohnt, dass wir uns die Verpflegung selbst holen mussten. Manchmal trieben wir auch Schabernack, versteckten beispielsweise mal die Schuhe des anderen“, erzählt Marianne Schurr, eine der ältesten Aktiven.

2013, zum 125-jährigen Bestehen des Gesamtverbandes, pflanzte die Ortsgruppe eine Eiche vor der Murrhardter Jugendherberge. 2014 löste Martin Hörger seinen Vater Gerhard Hörger als Vorsitzenden ab. Aktuell umfasst die Ortsgruppe rund 150 Mitglieder, darunter ein paar Familien und viele Senioren.

Der Albverein Murrhardt hat auch ausgedehnte Touren gemacht – die Aufnahme zeigt Mitglieder im Jahr 1964 in den Vogesen. Fotos: SAV Murrhardt

Der Albverein Murrhardt hat auch ausgedehnte Touren gemacht – die Aufnahme zeigt Mitglieder im Jahr 1964 in den Vogesen. Fotos: SAV Murrhardt

Vorstandsteam aus den 1960er-Jahren (von links): Karl Ritter, Vorsitzender Otto Hipp, Friedrich Geist und Hans Spingler.

Vorstandsteam aus den 1960er-Jahren (von links): Karl Ritter, Vorsitzender Otto Hipp, Friedrich Geist und Hans Spingler.

Info
Festakt am Freitagabend

Der Schwäbische Albverein Murrhardt feiert sein 125-jähriges Bestehen mit einem Festakt am Freitag, 20. September, ab 19 Uhr im Heinrich-von-Zügel-Saal der Stadtbücherei. Auf dem Programm des Jubiläums stehen die Begrüßung durch den Vorsitzenden Martin Hörger, Grußworte von SAV-Vizepräsident Hansjörg Schönherr, Roland Luther, Präsidiumsmitglied im Rems-Murr-Gau, und Bürgermeister Armin Mößner. Die musikalische Umrahmung gestaltet der Männerchor des Liederkranzes Kirchenkirnberg.

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Erstellt:
19. September 2019, 06:00 Uhr

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