Flüchtlinge in Deutschland

2024 rund 70.000 Rückführungen in Erstaufnahmeland gescheitert

Deutschland hätte viel mehr Flüchtlinge in andere EU-Ländern zurückschicken können. Warum das nicht geschah, dafür gibt es mehrere Gründe. Vieles aber bleibt ein Rätsel.

Ein Flugzeug hebt am Flughafen BER hinter einem Zaun mit Natodraht ab.

© dpa/Sebastian Gollnow

Ein Flugzeug hebt am Flughafen BER hinter einem Zaun mit Natodraht ab.

Von Markus Brauer/KNA

Deutschland hat im vergangenen Jahr nur einen Bruchteil der Flüchtlinge, die über Drittstaaten eingereist sind, in die EU-Länder zurückgeschickt, in denen sie eigentlich ihr Asylverfahren hätten bekommen sollen.

6000 von 75.000 Dublin-Flüchtlingen abgeschoben

Demnach nahm Deutschland 2024 rund 75.000 sogenannte „Dublin-Flüchtlinge“ auf, die ursprünglich in einem anderen EU-Mitgliedsstaat registriert worden waren. Lediglich in 6000 solcher Dublin-Fälle gelang eine Überstellung ins Erstaufnahmeland.

Die Zahlen gehen aus einem Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervor, den die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht vom Innenministerium erfragt hatte.

44.000 Rücknahmen waren zugesagt

Die Vorsitzende des BSW hält das für einen „asylpolitischen Skandal“ – nicht zuletzt, weil auch der mutmaßliche Täter von Aschaffenburg ein „Dublin-Flüchtling“ war, der nicht abgeschoben wurde. „Wäre Recht und Gesetz durchgesetzt worden, hätte die Tat verhindert werden können“, betont Wagenknecht.

Von den gut 75.000 Übernahme-Ersuchen wurden 44.000 von den aufnehmenden Ländern genehmigt. Sie hätten also zurückgeschickt werden können. Warum dies nur in 5800 Fällen geklappt habe, hat laut Ministerium viele unterschiedliche Gründe:

  • Laut Bericht waren mehr als 4000 Geflüchtete untergetaucht.
  • Weitere 2000 wurden nicht angetroffen.
  • In 4.500 Fällen war die Ausländerbehörde untätig.
  • In 3000 Fällen gab es andere organisatorische Gründe. Auch laufende Gerichtsverfahren oder Kirchenasyl verhinderten tausende Abschiebungen.

Warum tun sich Behörden mit Abschiebungen so schwer?

Dass Abschiebungen scheitern, kann viele Gründe haben, zum Beispiel Krankheit oder fehlende Papiere. Teils weigern sich Herkunftsländer auch, die Menschen zurückzunehmen. Oder die Polizei findet den Betroffenen zum geplanten Termin nicht.

Der Bundestag hat 2024 Gesetzesverschärfungen beschlossen, um einige dieser Probleme zu adressieren. So wurde die gesetzliche Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem dürfen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume betreten als nur das Zimmer des Abzuschiebenden. Allerdings fehlen auch Abschiebehaftplätze.

Nach Ansicht des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sind Abschiebeverfahren zu kompliziert, es seien zu viele Behörden beteiligt. Die Kompetenzen liegen hier weitgehend bei Kommunen und Ländern, die Bundespolizei kommt dann bei der Durchführung ins Spiel. «Die Bundespolizei braucht endlich die gesetzlichen Kompetenzen, diese Abschiebungen auch in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Dazu zählt auch die Beschaffung von Papieren im Ausland und der Betrieb eigener Abschiebehaftanstalten.“

Info: „Dublin“-Verfahren

Dublin III-Verordnung Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge definiert das sogenannte Dublin-Verfahren wie folgt: „Das Dublin-Verfahren dient der Zuständigkeitsbestimmung zur Durchführung des Asylverfahrens in einem EU-Mitgliedstaat. Die Dublin III-Verordnung legt Kriterien und Verfahren fest, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zur Anwendung gelangen.“

Zweck Das Dublin-Verfahren bezweckt, dass jeder Asylantrag, der auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaatengestellt wird, materiell-rechtlich nur durch einen Staat geprüft wird. Damit soll die Sekundärwanderung innerhalb Europas gesteuert bzw. begrenzt werden. Für deren Asylverfahren ist eigentlich ein anderes EU-Land zuständig, in dem sie erstmals registriert wurden.

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Erstellt:
24. Januar 2025, 18:34 Uhr

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