Abschied vom schönsten Ehrenamt der Welt

Mit der Geburtsstunde des neuen Fußballbezirks Rems/Murr/Hall hört Patrick Künzer als Vorsitzender auf. Dabei blickt der 60-Jährige auf gut neun Jahre zurück, aus denen er viel Positives mitnimmt. Nun will der Leutenbacher verstärkt seiner Familie eine Stütze sein.

Freut sich darauf, künftig nur noch als reiner Fußballfan am Rand der Sportplätze der Region zu stehen: Patrick Künzer. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Freut sich darauf, künftig nur noch als reiner Fußballfan am Rand der Sportplätze der Region zu stehen: Patrick Künzer. Foto: Tobias Sellmaier

Von Uwe Flegel

„Es sind die kleinen Momente mit der Familie, die zählen“, sagt Patrick Künzer. Und davon will der 60-Jährige künftig mehr haben. Statt sich als Vorsitzender des Fußballbezirks Rems/Murr samstags oder sonntags fast schon pflichtgemäß auf den Sportplätzen der Region zeigen zu müssen, werden solche Besuche künftig zur Kür. Wenn er Lust hat, dann ja. Wenn nicht, dann eben nicht. Statt sich die Woche über um die Belange, Befindlichkeiten und Probleme der Vereine zu kümmern, hat er nun mehr Zeit für seine beiden Töchter und die drei Enkelkinder. Denn wenn am kommenden Samstag ab 11 Uhr in der Oberroter Kultur- und Festhalle der neue Fußballbezirk Rems/ Murr/Hall seine Geburtsstunde feiert, dann nimmt Patrick Künzer seinen Hut.

Für ihn steht schon jetzt fest, dass er den Abschied nach gut neun Jahren als Vorsitzender wohl nicht ganz ohne Tränen übersteht. Dabei sei er nicht unbedingt nah am Wasser gebaut, erzählt der gebürtige Saarländer, der mit seinen Eltern aber schon als Kind ins Schwabenland kam. „Mein Vater war Eisenbahner und aus beruflichen Gründen ist er mit der Familie Anfang der 70er nach Kornwestheim gezogen“, erzählt Künzer. Bei der ESG begann er als Jugendlicher mit dem Fußball, engagierte sich dort und später beim SV Salamander auch als Jugendtrainer. Als er dann mit seiner Familie nach Leutenbach zog, landete er beim FSV Weiler zum Stein. „Ich hatte Ramon Kruse kennengelernt, den ich auch heute noch als eine Art väterlichen Freund bezeichne, und er hat mich überredet, als Trainer bei den Fußballmädchen einzusteigen.“

Vom Trainer zum Abteilungsleiter und dann zum Bezirksvorsitzenden

Dabei blieb es nicht. Künzer coachte später auch noch das Frauenteam und engagierte sich als Abteilungsleiter, ehe er dann im März 2015 den Vorsitz des Fußballbezirks übernahm, damals in Großaspach nach einer Kampfabstimmung gegen die Vorsitzende Corinna Bäuerle. „Es hatte viel Unruhe im Bezirk geherrscht“, blickt er zurück und erzählt: „Wir wollten Ruhe reinbringen, wollten nicht das Rad neu erfinden, sondern die Sache vernünftig am Laufen halten.“ Ansonsten will er zu jenen turbulenten Monaten nicht mehr viel sagen.

Dabei ist er durchaus einer, der keine Probleme damit hat, seine Meinung kundzutun. Das gilt sowohl für sein Engagement im Fußball als auch für das bei den Korber Oberliga-Ringern. Und egal ob sie hier wie dort gerne gehört wird. Deshalb gesteht er freimütig ein: „Ich weiß, dass ich auch nicht immer einfach bin.“ Mit dem Wissen im Hinterkopf bekennt er auch, dass ihm nicht alles gefallen hat, was er als Vorsitzender in seiner Amtszeit erlebt hat. Zum Beispiel das Verhalten der Vereine im Vorfeld der Verbandsreform, deren Ergebnis nun die Fusion von Rems/Murr mit dem Südteil des bisherigen Bezirks Hohenlohe ist. Es fallen die Worte „Desinteresse“ und „Enttäuschung“. Wobei er auch sagt: „Nun muss darüber nicht mehr diskutiert werden. Die Entscheidung ist gefallen. Nun gilt es, nach vorn zu schauen und die Reform umzusetzen.“ Er hat sicher nicht ganz unrecht, wenn er über sich sagt: „Ich glaube, dass ich in den neun Jahren tatsächlich gereift bin. Ich bin diplomatischer und gelassener geworden.“ Einerseits. Andererseits: „Es nervt einfach, wenn du auf den Sportplatz gehst und stets gewappnet sein musst, das Handy zu zücken, um Ausschreitungen zu filmen.“

„Ein 60-Jähriger denkt anders als ein 40-Jähriger“

Doch das alles habe nichts mit dem Entschluss zu tun, sich nicht mehr für den Vorsitz zur Verfügung zu stellen. Der Hauptgrund sei schlicht und einfach das Alter. „Ein 60-Jähriger denkt anders als ein 40-Jähriger“, erklärt Künzer und berichtet: „Als ich in meine erste Sitzung im WFV-Beirat gegangen bin, habe ich gesagt: Da sitzen ja lauter Alte.“ Das will er nun über sich selbst nicht hören. Deshalb sagt er Servus und erzählt: „Ich gehe nicht im Groll.“ Im Gegenteil: „Ich bereue keine Sekunde.“

Zumal er viel Unterstützung erfahren habe. Auch von seinem Backnanger Chef Iordanis Evnouchos, „der mir den Rücken freigehalten hat, wenn ich mit dem Lkw mal eine Lieferung hätte machen müssen und gleichzeitig ein Verbandstermin anstand“. Es war nicht das einzige positive Erlebnis. Künzer nennt außerdem noch Dinge wie die Finalspiele im Bezirkspokal, tolle und spannende Relegationsvergleiche, die fast immer schönen und guten Kontakte sowie Verbindungen zu Vereinsvertretern und zu den vielen Schiedsrichtern.

Im Fußballfunktionärsruhestand kann er davon nun zehren, auch weil er ein gut bestelltes Feld hinterlässt und mit dem Bühlerzeller Siegfried Trittner ein geeigneter Kandidat als Nachfolger parat steht. Zwar hatte Künzer gehofft, „dass der neue Vorsitzende aus Rems-Murr kommt“. Doch auch mit dem 66-jährigen Ex-Bürgermeister Obersontheims kann er sehr gut leben: „Die Lösung passt und ist richtig.“ Der bisherige Vorsitzende kann sich künftig jedenfalls guten Gewissens verstärkt den Enkelinnen widmen und bilanziert: „Der Vorsitzende des Bezirks Ostwürttemberg Jens-Peter Schuller sagte mir zu Beginn: ‚Du hast das schönste Ehrenamt der Welt übernommen.‘ Nun weiß ich: Er hatte recht.“

Ein Bezirk mit über 130 Vereinen

Bezirkstag Der kommende Samstag bedeutet für die bisherigen Fußballbezirke Rems/ Murr, Hohenlohe und Unterland (Heilbronn) das Ende in ihrer jetzigen Form. Der Nordteil Hohenlohes (die Regionen Öhringen, Bad Mergentheim, Künzelsau) verschmelzen mit dem Unterland zum Bezirk Franken. Aus Rems/Murr und Hohenlohe Süd (Crailsheim, Schwäbisch Hall) wird Rems/Murr/Hall. Zu den 76 Vereinen an Rems und Murr kommen nicht ganz 60 Klubs aus Hohenlohe dazu. Laufen die Wahlen beim Gründungsbezirkstag in Oberrot wie geplant, dann wird Siegfried Trittner (Bühlerzell) Erster Vorsitzender und Ralph Rolli (Winnenden) ist als Bezirksspielleiter eine Art Nummer zwei.

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Erstellt:
12. Juni 2024, 06:00 Uhr

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