Ästhetik sich wandelnder Wasserwelten

Die Sonderausstellung „Liquid Landscape“ in der Städtischen Kunstsammlung zeigt Fotografien und eine Videoarbeit von Melanie Wiora, in denen sich Natur und Kunst, Flüssiges und Festes begegnen. Sie sind auch ein Spiel mit Wahrnehmungsgrenzen und Uneindeutigkeiten.

Einfach mal eintauchen: Gäste der Vernissage lassen die Fotografien auf sich wirken. Foto: E. Klaper

Einfach mal eintauchen: Gäste der Vernissage lassen die Fotografien auf sich wirken. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Wasser ist das Urelement des Lebens, voller schöpferischer, aber auch zerstörerischer Kraft. „Schon immer fand ich Wasserthemen spannend“: Ihr gehe es darum, in ihren Werken die (Ur-)Kraft der Natur, die grandiose schöpferische ebenso wie die gewaltige zerstörerische Dualität des Wassers stärker ins Bewusstsein zu bringen, verdeutlicht die Künstlerin Melanie Wiora. Virtuos spielt sie dazu mit Natur-, Wasser- und Landschaftsdetails in den 13 meist großformatigen Fotografien, überwiegend aus der Serie „Natura“, sowie einem Video. Die Arbeiten präsentiert sie im Rahmen der Sonderausstellung „Liquid Landscape“ (flüssige Landschaft) erstmals in der Städtischen Kunstsammlung.

„Für die Betrachterinnen und Betrachter sind die Bilder spannend, da sie nicht wissen, wo der Himmel aufhört, das Wasser und die Landschaft anfangen und in welchem Aggregatszustand sich das Wasser befindet. Das habe ich bewusst offen und rätselhaft gehalten, sodass immer wieder etwas anderes zu sehen ist“, erläutert Wiora. Die Beschäftigung mit der Natur sei ihr wichtig, letztlich auch um zu erkennen, was die Natur ist und welche Rolle man selbst in ihr spielt. Die Farbveränderungen bei einigen Aufnahmen erfolgen nachträglich digital: „So versuche ich sichtbar zu machen, dass sich die Natur ständig im Fluss, im Wandel und in Veränderung befindet.“ Eigentlich war die Sonderausstellung bereits für 2020 geplant, konnte jedoch wegen der Coronapandemie nicht stattfinden, denn „Kunst lässt sich nur real richtig erfahren“, betont Bürgermeister Armin Mößner bei der Vernissage im Heinrich-von-Zügel-Saal der Murrhardter Galerie. Melanie Wiora ist mit der Familie Rolf Schweizer verwandt, Tochter der Schwester von dessen Frau Ingrid. Sie präsentiert in der Ausstellung eindrucksvolle Aufnahmen von Wasser in allen Aggregatszuständen als treibende Kraft der Natur. Dies sei auch im Murrhardter Wald erfahrbar, so an den Hörschbachwasserfällen: „Wenn sich das angestaute Wasser über die Kaskaden zieht, bilden sich große Bilder und Eindrücke, und die Bilder der Ausstellung vermitteln dies ebenso“, dies sei „eine schöne Kombination von Kunst und Natur“, erläutert der Murrhardter Rathauschef.

Die Künstlerin gestalte ihre Fotografien mit viel malerischer Intuition. So stehen sie gleichsam zwischen der schöpferischen und gestalteten Natur, erklärt Christian Gögger, künstlerischer Leiter des Esslinger Kunstvereins, in seiner Einführung. Es gehe ihr um das sich ständig verändernde Medium Wasser und dessen Aggregatszustände. Dabei spiele sie mit der Wahrnehmung und Veränderung, dem Wechsel zwischen fest und flüssig und der gestalterischen, aber auch zerstörerischen Kraft des Elements. Auf einigen Fotografien sind die Grenzen zwischen Himmel beziehungsweise Horizont, Bergen beziehungsweise Landschaft und Wasser oder Meer klar erkennbar, auf anderen jedoch nicht. Sie zu betrachten sei auch Herausforderung, immer wieder etwas Neues zu entdecken. „Melanie Wiora verführt uns dazu, etwas wahrzunehmen, das wir mit unseren Augen nicht wahrnehmen können“: Erst mithilfe der Technik sei dies möglich in der Videoarbeit „Turmoil“ (Aufruhr), dem Höhepunkt der Ausstellung. In dieser „Choreografie ineinanderfließender Strukturen und kristalliner Formen“ seien dank der „unendlichen Langsamkeit“ des in extremer Zeitlupe gefilmten Wassers eines Gebirgsgewässers „temporäre Skulpturen“ zu sehen, die nur für winzige Sekundenbruchteile existieren und zum Teil wie Pflanzen und Blüten wirken. „Dabei hat man den Eindruck, als ob das Wasser sich langsam in Plasma verwandelt und fest wird“, so Gögger. Eine tosende, donnernde Geräuschkulisse wie von einem großen Wasserfall untermalt das Video.

Melanie Wiora schuf die ausgestellten Arbeiten zwischen 2010 und 2021: Die meisten Aufnahmen entstanden auf Island in der ursprünglichen, monumental-majestätischen Landschaft der Vulkaninsel. Die drei kleinformatigen Bilder zeigen den Ausbruch eines Geysirs im Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming. Zwei Bilder der Serie „Arise“ (Aufsteigen) von 2021 dokumentieren den Ausbruch eines Schlammvulkans in dunkelblauen Farbtönen, wobei die Spritzer Muster bilden, die wie ein Korallenriff wirken.

Die Gäste der Vernissage waren von den Fotografien und dem Video gleichermaßen fasziniert. „Beeindruckend, wie die Bewegungen und die Kraft des Wassers eingefangen sind. Auf manchen Bildern weiß man nicht, sieht man den Himmel und Wolken, das Meer mit Schaumkronen auf den Wellen oder schneebedeckte Berggipfel, die Übergänge verschwimmen“, umschreibt eine Besucherin ihre Eindrücke. Jedes Bild ist ein visuelles Erlebnis mit einer Vielzahl attraktiver Details. So die verschiedenen Blautöne und die Strukturen der Naturelemente, die starken Farbkontraste zwischen schwarzen Vulkanhängen und hellblau, perlmuttsilbern bis weiß schimmernden Gletschereisflächen, raffinierte Farbenspiele mit dunklen Nebel- oder Rauchschwaden sowie kleinen, hellbraun bis zartrosa schimmernden Randbereichen.

Die passende musikalische Umrahmung gestalteten die Lehrkräfte Henriette Schöwitz (Gesang) und Anja Breuer (Klavier) der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land mit Kunstliedern aus dem Zyklus „Die schöne Müllerin“ von Franz Schubert.

Führungen auf Anfrage

Öffnungszeiten Die Ausstellung ist bis 6. Juni an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen jeweils von 13 bis 17 Uhr zu besichtigen. Führungen sind auf Anfrage unter Telefon 07192/213-222 oder per E-Mail an kultur@murrhardt.de möglich. Die Bilder sind auch verkäuflich. Am Sonntag, 15. Mai, besteht ab 14 Uhr die Gelegenheit zu einem Gespräch mit der Künstlerin.

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Erstellt:
12. April 2022, 06:00 Uhr

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