Akute und Reha-Behandlung früh verzahnt

Oberärztin Regine Bölter skizziert im Gesundheitsvortrag des Murrhardter Krankenpflegevereins die Herausforderungen, vor denen ältere Menschen und die behandelnden Fachleute stehen, und geht auf die multiprofessionelle Therapie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden ein.

„Soziale Unterstützung und Netzwerke verlängern das Leben und Gemeinschaft fördert die Gesundheit“, sagt Oberärztin Regine Bölter,zur Wichtigkeit des Umfelds. Foto: Elisabeth Klaper

„Soziale Unterstützung und Netzwerke verlängern das Leben und Gemeinschaft fördert die Gesundheit“, sagt Oberärztin Regine Bölter,zur Wichtigkeit des Umfelds. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Trotz immer höheren Lebensalters und mehrfachen Erkrankungen sollten Frauen und Männer möglichst lange selbstbestimmt leben können. Um die dafür erforderlichen Alltagskompetenzen zu erhalten, gilt es, die Funktionen des Körpers und der Sinne so weit wie möglich zu stärken und mit Hilfsmitteln zu unterstützen. Über die moderne Therapie in der Altersmedizin informiert Oberärztin Regine Bölter in ihrem Gesundheitsvortrag „Selbstbestimmt und mobil bis ins hohe Alter“ auf Einladung des Krankenpflegevereins im fast voll besetzten Heinrich-von-Zügel-Saal.

„Ich bin mit Leib und Seele Geriaterin“, sprich Altersmedizinerin, bekennt die Allgemeinmedizinerin mit Geriatrie-Zusatzausbildung und langjähriger Erfahrung. Regine Bölter ist seit Januar 2024 in der geriatrischen Abteilung am Rems-Murr-Klinikum Winnenden tätig.

Über die Hälfte der Seniorinnen und Senioren in Deutschland leidet an Multimorbidität, also an Mehrfacherkrankungen, wobei Frauen häufiger betroffen sind. Das bedeutet, diese Personen haben mindestens zwei meist langfristig bestehende chronische Erkrankungen, oft noch mehr, die nicht mehr geheilt werden können. Diese führen zu immer stärkeren Einschränkungen im Alltag. Besonders betroffen ist die Mobilität, wozu Bewegung und Kraft, Gleichgewicht und Koordination, Belastbarkeit und Ausdauer gehören. Als weitere Bereiche können Verhalten und Motivation sowie die Sinneswahrnehmungen wie Sehen und Hören betroffen sein.

Im Zentrum der Altersmedizin stehe die Behandlung der Auswirkungen von Erkrankungen auf die funktionalen Fähigkeiten.

Als Beispiele nennt Bölter nachlassendes Seh- und Hörvermögen, Gangstörungen, Gelenkschmerzen, schmerzhafte Durchblutungsstörungen, Missempfindungen durch Nervenschädigungen an den Füßen infolge von Diabetes sowie Knochenbrüche bei Stürzen, auch wegen Osteoporose. Ziel der Altersmedizin sei es, die Lebensqualität so lange und so gut wie möglich zu erhalten. Dies beinhaltet die Fähigkeit, das Leben selbstbestimmt zu gestalten und die Alltagskompetenzen zu erhalten. Dazu gehört es, selbstständig und mobil zu bleiben, auch mit Hilfsmitteln wie Stöcken oder einem Rollator, und weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Dies ist weniger abhängig von der Anzahl bestehender Erkrankungen als von deren Auswirkungen auf besagte funktionale Fähigkeiten. Ein Aspekt darf dabei nicht unterschätzt werden: „Soziale Unterstützung und Netzwerke verlängern das Leben und Gemeinschaft fördert die Gesundheit“, unterstreicht Regine Bölter. Den Gesundheitszustand im Alter bestimmen verschiedene Faktoren: Der individuelle Lebensstil wie gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung wirke sich stark aus. Aber auch Bildung, weshalb Gesundheitsthemen Teil des Schulunterrichts sein sollten, der sozioökonomische Status und die persönliche Lebenssituation, beispielsweise ob jemand allein zu Hause oder in einem Pflegeheim lebt.

Ein modernes ganzheitliches Konzept in der Geriatrie ist die Salutogenese, sprich der individuelle Erhaltungsprozess der Gesundheit durch eine multiprofessionelle Therapie der bestehenden Erkrankungen. Dabei geht es darum, die individuellen Ressourcen der Patienten zu stärken und die bestehenden Möglichkeiten durch Hilfsmittel zu verbessern. In der geriatrischen Abteilung im Klinikum Winnenden wird die sogenannte frührehabilitative Komplexbehandlung praktiziert. „Wir haben die Rehabilitation in die Akutklinik geholt“, erklärt die Referentin. Die ersten Rehamaßnahmen beginnen so bald wie möglich nach operativen Eingriffen.

„Wir müssen die Patienten möglichst schnell wieder auf die Beine bringen, es gilt, sie möglichst nicht lange liegen zu lassen“, da sich dies ungünstig auswirkt. Dabei kooperieren Fachärzte wie Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Altersmediziner, Therapeuten, Pflegekräfte, Psychologen und Sozialarbeiter eng und interdisziplinär miteinander. Die geriatrische Behandlung beginne frühestens ab einem Alter von 70 Jahren, auf jeden Fall ab 80 Jahren, auch werden Oberschenkelhalsbrüche immer geriatrisch mitbehandelt, unterstreicht die Oberärztin auf Nachfrage.

„Im Alter ist ganzheitliches Denken wichtig: Wir sind sowohl krank als auch gesund“, wobei die Lebensqualität auch in der letzten Lebensphase erhalten bleiben soll, weshalb die Palliativmedizin dazugehört, also die Versorgung von Sterbenden. „Für eine gute Betreuung im Alter brauchen wir ein gutes multiprofessionelles Team.“ Dafür sei es wichtig, in den Kommunen Kooperationen zwischen Fachärzten, Gesundheitsdienstleistern und ehrenamtlich Engagierten auf- und auszubauen, fordert Regine Bölter abschließend. Dabei sei die Walterichstadt mit Ärztehaus, niedergelassenen Ärzten, Krankenpflegeverein und Diakonie ambulant bereits gut aufgestellt.

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Erstellt:
20. Februar 2024, 06:00 Uhr

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