ProSieben und Sat1

Kanzlerkandidaten im Bürger-Speed-Dating – „Sie sehen super gut aus!“

Die AfD-Kandidatin lobt einen jungen Mann mit Migrationshintergrund beim Bürger-Speed-Dating auf ProSieben und Sat.1. Ansonsten punktet Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU) fehlt und Robert Habeck (Grüne) zeigt viel Verständnis.

Olaf Scholz, Alice Weidel und Robert Habeck (v.li.) traten beim Bürger-Speed-Dating an.

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Olaf Scholz, Alice Weidel und Robert Habeck (v.li.) traten beim Bürger-Speed-Dating an.

Von Christoph Link

Das waren schnelle Nummern bei dieser Politikerbefragung auf den Sendern ProSieben und Sat.1. Ausgewählte Bürger begegneten den drei Spitzenkandidaten Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Alice Weidel (AfD). Drei Minuten Zeit hatten die Politiker für ihre Antworten, die geladenen Gäste stellten durch die Bank kluge und interessante Leitfragen aus verschiedensten Themenbereich und hakten öfter nach.

Der auch eingeladene Friedrich Merz (CDU) hatte seine Teilnahme abgesagt, und es somit Scholz überlassen, doch über weite Strecken zu punkten. Beim Blick auf die Themenfelder – von der Kita-Betreuung über Rassismus bis hin zur Rentenpolitik – machte doch eine Mehrheit der Gäste den Moderatoren Linda Zervakis und Paul Ronzheimer in der Schlussbefragung deutlich, dass sie meist vom Kanzler eine sachliche und lösungsorientierte Antwort erhalten hätten, bei Habeck lautete die Einschätzung häufig, der sei verständnisvoll und interessiert gewesen, doch es fehlten Lösungen.

Alice Weidel – fraglich ob Pläne finanzierbar seien

Bei Alice Weidel hieß es, sie kündige vieles an, aber es sei fraglich ob das „realistisch“ und zu finanzieren sei. So hatte Weidel beispielsweise einer alleinerziehenden Mutter, die darüber klagte, es sei „eine Strafe in Deutschland Kinder zu haben“, eine Erhöhung des Elterngeldes, eine Senkung der Steuerbelastung für Windeln und kostenlose Kita-Plätze angeboten.

Für Lehrer, Erzieherinnen, Ärzte und Pflegekräfte forderte Weidel eine höhere Bezahlung, um den Nachwuchsmangel in diesen Berufen zu begegnen. Befragt zum Thema illegale Migration von einem Polizisten aus Nordrhein-Westfalen sagte Weidel schließlich dass sie die Grenzen komplett schließen wolle, denn das Schengen-Abkommen – Kontrolle an den EU-Außengrenzen, freie Binnengrenzen – funktioniere ja nicht. „Weidel hat krass gesprochen“, meinte der Polizeibeamte nachher, aber er frage sich, ob ihre Maßnahmen alle 100-prozentig durchsetzbar seien.

Alice Weidel sorgt für Überraschung

Für Überraschung sorgte die AfD-Politikerin in der Begegnung mit einem dunkelhäutigen jungen Mann namens Kevin, der einen nigerianischen Vater und eine deutsche Mutter hat. Was er denn tun müsse, dass er in Deutschland als „Teil“ der Gesellschaft anerkannt werde, fragte Kevin, er arbeite in der Social-Media-Branche und habe täglich mit Rassismus zu tun. Er warf der AfD vor, dass sie in ihren Reihen Rassisten dulde, die Aussagen wie „das Pack erschießen“ oder „prügelt die nach Afrika“ getroffen hätten, diese Partei durchziehe ein „Hauch von Rassismus“. „Alles easy“, antwortete Weidel daraufhin, die Personen mit den rassistischen Zitaten seien längst nicht mehr in der Partei und dann sagte sie zu dem 22-Jährigen: „Ich finde, dass Sie super aussehen.“

Auch ihre eigenen Kinder – Weidel lebt in Partnerschaft mit einer Frau aus Sri Lanka – seien übrigens „dunkel“. Das wolle sie aber jetzt nicht weiter ausführen. Den Vorhalt von Kevin, dass auch sein Vater mal als illegaler Migrant gekommen sei und bei ihr wohl keine Einreise erhalten hätte, versuchte Weidel mit dem Argument zu mildern, dass der Vater sicherlich auch als qualifizierte Arbeitskraft nach Deutschland hätte kommen können. Und das sei ja okay.

Bürokratieabbau und Krankenhausreform

Erörtert worden ist auch der Bürokratieabbau, bei der ein relativ verzweifelter Gastronom aus dem Ahrtal, der seinen Betrieb wieder aufbauen musste und mit Papierhürden zu kämpfen hatte, am Ende durchblicken ließ, dass er weder AfD, SPD noch Grüne wählen werde. Olaf Scholz überzeugte unter anderem nach dem Klagelied einer Ärztin über defizitäre Krankenhäuser und einer Überlastung der Stationen wegen fehlender Ärzte und Pflegekräfte. Er stellte die „große“ Reform für die Krankenhäuser seines Gesundheitsministers Karl Lauterbach vor und wehrte mit einer Aussage alle Befürchtungen ab, im Rahmen der Reform gehe es kleinen Provinzkrankenhäusern an den Kragen. Die Reform zielt ja auf eine Spezialisierung der Krankenhäuser und die Überlassung der Grundversorgung für die kleineren Häuser, also eine auch im Sinne der Patienten höhere Behandlungsqualität in den Kliniken. Scholz berichtete, er treffe bei seinen Krankenhausbesuchen ja oft die Besatzung der Notfallhubschrauber, und die frage er dann, ob es denn Krankenhäuser gebe, „wo sie persönlich nicht so gerne hingehen“ würden: „Davon wissen die immer welche.“

Auch als Igar, 41, ein Mitarbeiter von ZF Friedrichshafen über den massiven Stellenabbau in der Autoindustrie klagte und nach Lösungen fragte, wie die Jobs zu halten seien, zeigte der Kanzler eine klare Linie: Mit steigendem Wohlstand in der Welt werde man Autos weiterhin brauchen und man müsse dafür sorgen, dass ein Großteil der Fertigung von „wettbewerbsfähigen Fahrzeugen“ in Deutschland bleibe etwa mit guten Rahmenbedingungen wie Förderung der Forschung und niedrigen Energiepreisen. Im übrigen sei es der Mitbestimmung in Deutschland zu verdanken, dass Arbeitsplätze hierzulande gehalten worden seien, „obwohl wir gute Löhne haben“.

Schließlich klagte ein 41 Jahre alter Geograph mit Zopf darüber, dass über den Klimaschutz in diesem Wahlkampf so wenig gesprochen werde. Das war der Moment für Robert Habeck, seine grüne Agenda zu entfalten und auf ein Projekt in Belgien zu verweisen, wo Elektroautos, wenn sie zum Parken fahren, sogar Strom ans Netz zurückgeben könnten und die Besitzer damit Geld verdienen. „Das kommt auch bei uns, das wird der Durchbruch sein.“ Persönlich wurde Habeck auch in den Antworten auf die Fragen einer Bundeswehrsoldatin aus Eutin, wie denn den Menschen die Notwendigkeit und der Wille zur Verteidigungsbereitschaft wieder nahe gebracht werden könne. Er habe nichts gegen die Aufklärung von Offizieren in den Schulen, entgegnete Habeck. „Wir müssen das Verständnis wecken wieder wehrfähig zu sein“, so Habeck, er lebe gerne in diesem Land und wolle seine Freiheit verteidigen. Seine Kriegsdienstverweigerung als junger Mann vor 30 Jahren sehe er heute in einem anderen Licht.

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Erstellt:
23. Februar 2025, 08:56 Uhr
Aktualisiert:
23. Februar 2025, 10:35 Uhr

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