Markus Lanz wirkt hilflos
Alice Weidel bringt Moderator aus der Fassung
Im ZDF-Talk am Donnerstag lobt die AfD-Sprecherin Alice Weidel den US-Präsidenten Donald Trump als Friedensstifter und kritisiert Friedrich Merz als „nicht integer“.

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Alice Weidel hat für einen denkwürdigen Auftritt bei „Markus Lanz“ gesorgt. (Archivbild)
Von Christoph Link
So wie in der letzten Sendeminute seiner Talkrunde vom Donnerstagabend hat man Moderator Markus Lanz noch selten gesehen, hilflos, fassungslos: „Wir sind am Ende, sowohl intellektuell als auch sonst.“ 75 Minuten lang hat die AfD-Sprecherin Alice Weidel seine Sendung mit einem selbstbewussten Auftreten dominiert und ihre aus dem Wahlkampf bekannten Positionen in großer Breite ausführen können, ohne das es Lanz oder den drei anderen Studiogästen gelang, ihre Haltung nachhaltig zu erschüttern.
Das Studiogespräch begann weltpolitisch mit der für den ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj demütigenden Szene im Weißen Haus, der von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize James D. Vance abgekanzelt worden war. Trump habe die Tür zum Frieden in der Ukraine geöffnet, meinte Weidel dazu, er wolle dieses unsinnige Sterben beenden, und das fordere die AfD seit drei Jahren schon: „Das Gespräch im Weißen Haus war daher ein reinigendes Gewitter vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Trump und Vance wollen Frieden.“ Die Ukraine habe das Zepter für Friedensverhandlungen längst „aus der Hand“ gegeben, Selenskyj sei nun eine „tragische Figur“.
Weidel unbeeindruckt
James D. Vance aber, den sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen habe, sei „ein weiser, vorausschauender Mann“, der eine Vision für die USA aber auch für die Ukraine habe und Partner auf Augenhöhe wolle, „keine Trittbrettfahrer“. Vorhaltungen von Lanz, dass in der Ukraine eine „Schlacht zwischen Gut und Böse“ stattfinde und dass die USA mit Russland vermutlich einen Diktat- oder Erpressungsfrieden gegen die Ukraine durchsetzen wollten, ließen Weidel unbeeindruckt.
Was den angeblichen Diktatfrieden anbelangte, so stellte Weidel den in Abrede, bei Verhandlungen – und die könnten drei Monate dauern – müsse doch „alles auf den Tisch“. Der künftigen deutschen Regierung sprach sie den Friedenswillen ab, noch im Wahlkampf habe Friedrich Merz die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern erwogen.
„Wir wollen alle Frieden, darüber herrscht doch ein Minimalkonsens hier im Studio“, meinte Lanz, der einzige, der diesen nicht wolle, sei doch Russlands Präsident Wladimir Putin, der gerade in wenigen Tagen 300 Gleitbomben auf die Ukraine habe werfen lassen. Auf die Aussage von Weidel, dass Selenskyj die demokratische Legitimation als Präsident fehle, reagierte Lanz ungehalten. Sie sei doch eine „intelligente Frau“, aber da übernehme sie das „Narrativ“ von Kremlsprecher Peskow. Und wie denn ein Land mitten im Krieg überhaupt Wahlen abhalten solle, das erlaube schon die Verfassung der Ukraine gar nicht.
Innenpolitisches Klein-Klein
Die Debatte verlor sich teilweise im innenpolitischen Klein-Klein. So versuchte Lanz der AfD zu unterstellen, sie unterhöhle das Vertrauen in die Demokratie auch durch „Geraune“. Außerdem hätten ihre Vertreter ja zur Wahlbeobachtung bei der Bundestagswahl aufgerufen erweckten so den Eindruck, als ob Wahlen in Deutschland nicht sicher und garantiert seien. Weidel fragte zurück, was denn an mehr Transparenz falsch sein könne.
Exemplarisch für die Ratlosigkeit, mit der die Studiogäste mit Weidel umgingen, waren mehrere Passagen in der Diskussion: So warf Justus Bender („Frankfurter Allgemeine Zeitung“) der AfD-Sprecherin vor, einerseits mehr direkte Demokratie zu fordern, aber gleichzeitig habe sich die AfD sich selbst von ihren einst basisdemokratischen Regeln auf ihren Parteitagen längst verabschiedet, da die im Chaos endeten.
Benders Kritik an direkten Volksabstimmungen, wie die AfD sie will, konterte Weidel mit den Worten, er unterstelle den deutschen Bürgern damit ja, „dass die nicht mündig seien“. Auf Warnungen von Sonja Alvarez („Wirtschaftswoche“), dass ein von der AfD gewünschter EU-Austritt 2,5 Millionen Arbeitsplätze und einen volkswirtschaftlichen Verlust von 690 Milliarden Euro bedeuten würde, verneinte Weidel, indem sie bestritt, dass die AfD überhaupt den Austritt aus der EU wolle: Man wolle nur deren Bürokratie abbauen und die nationalen Kompetenzen stärken. Wenig kraftvoll war auch die Argumentation von Junge-Union-Chef Johannes Winkel in seinem Plädoyer für Europa, der anmerkte, dass Nationalismen einst auch zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs geführt hätten – der begann bekanntlich 1914.
Selbst Moderator Lanz verblasste in seiner sonst so scharfen Rolle, in der er seine Interviewpartner sonst so geschickt ins Kreuzverhör nimmt. Ausführlich beschrieb er beispielsweise den Umstand, dass die Ukraine auf ihr Atomwaffenarsenals verzichtet habe und dass dies von Putin mit einem brutalen Angriff „belohnt“ worden sei und dies nun vom „skrupellosen Vance“ geduldet werde und was denn das für eine Botschaft für atomwaffenlose Länder wie Japan, Taiwan oder Südkorea bedeute. „Und, was ist Ihre Frage?“ entgegnete Weidel kühl. Er wolle wisse, ob sie, Alice Weidel, die ja möglicherweise mal Bundeskanzlerin werde, „diesen Kontext“ verstehe, setzte Lanz nach. Eine schönere Vorlage hätte sich Weidel wohl nicht wünschen können. Sie begann die Replik mit den Worten, sie „als deutsche Bundeskanzlerin“ werde die Interessen des eigenen Landes vertreten, die seien komplett aus dem Blick geraten. Eine Antwort auf seine Frage erhielt Lanz also nicht.
Beim Höhepunkt der Sendung – der Debatte um die Lockerung der Schuldenbremse und das neue Sondervermögen – musste Lanz dann in die Runde fragen, ob Weidel mit ihrer Kritik an einer Beschlussfassung noch durch den alten Bundestag „nicht vielleicht einen Punkt“ gemacht habe. Die Verabschiedung des Milliardenpaketes für Verteidigung und Infrastruktur noch vom alten Parlament wird auch von anderen Parteien kritisiert.
Rundumschlag gegen Friedrich Merz
Weidel holte zum Rundumschlag gegen Friedrich Merz und die CDU aus: „Friedrich Merz hat sich demaskiert“, seine Partei mache „linke Politik“. „Der Mann ist nicht integer.“ Im Wahlkampf noch für die Schuldenbremse einzustehen und nach dem Wahltag sie zu lockern sei ein offenes Brechen eines Wahlversprechens. Das Sondervermögen sei „unseriös“, es bedeute eine Neuverschuldung von „gigantischem Ausmaß“, und es gleiche einem finanzpolitischen Staatsstreich, ihn vom alten Bundestag verabschieden zu lassen. Unter einer Führung von Merz schließe sie eine Koalition mit der CDU übrigens aus.
Immerhin da konterte der JU-Vorsitzende Winkel schlagfertig: „Das ist ja eine gute Nachricht an diesem Abend, dass die AfD kein Interesse mehr an Regierungsverantwortung hat.“