Angriff auf die US-Demokratie
Das Attentat ist das Ergebnis von Verachtung und Hass. Trump steht nun als Opfer da.
Von Thomas Spang
Washington - Ein ohnehin schon hässlicher Wahlkampf hat mit dem Anschlag auf Donald Trump während einer Wahlkampfveranstaltung in Butler in Pennsylvania eine düstere Wende genommen. Der einzige Lichtblick an diesem denkwürdigen Tag ist, dass der Schütze sein Ziel verfehlt hat. Wie ein Wunder kam Trump mit dem Schrecken und einem blutenden Ohr davon.
Das Opfer ist die Demokratie in Amerika, die schon lange unter der immer stärkeren Polarisierung leidet. Die politischen Gegner haben nicht bloß andere Meinungen, sondern verachten sich abgrundtief. Bei der ersten Präsidentschaftsdebatte zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden und dem Republikaner Trump hatte es nicht mal mehr für einen Händedruck gereicht.
Tragischerweise hat niemand mehr zu der verbalen Aufrüstung beigetragen als der angeschossene Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Dass aber Trumps rhetorische Schnellfeuergewehr-Salven in Pennsylvania als scharfe Kugeln zurückkamen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Der einzig akzeptable Weg, diesen gefährlichen Mann von der Macht fernzuhalten, führt in einer Demokratie durch die Wahlurne. Das Attentat dürfte das Gegenteil bewirken.
Die Sympathiewelle für den Überlebenden des Anschlags wird es für Joe Biden noch unwahrscheinlicher machen, das Rennen um das Weiße Haus zu gewinnen. Die Schüsse von Pennsylvania haben den verurteilten Straftäter und Möchtegernautokraten politisch unverwundbar gemacht.
Statt vor der Krönung Trumps diese Woche beim Parteitag der Republikaner auf Angriff umzuschalten, muss sich Biden jetzt wie ein Staatsmann verhalten. Er rief seinen Herausforderer im Krankenhaus an, zog negative TV-Spots zurück und hielt eine kurze Ansprache, in der er die Gewalt auf das Schärfste verurteilte. Unter diesen Umständen kann Biden nicht zuspitzen, um sich den Wählern als das kleinere Übel zu präsentieren, das für die Sicherung der Demokratie vor einem gefährlichen Populisten in Kauf genommen werden muss.
Der vor vier Strafgerichten angeklagte mutmaßliche Drahtzieher des gescheiterten Putschversuchs vom 6. Januar 2021 hat nun einen echten Grund, sich als Märtyrer zu inszenieren. Und tut es. Mit sicherem Instinkt für die Macht der Bilder streckte der blutverschmierte Kandidat grimmig die Faust in den Himmel, bevor ihn die Secret-Service-Beamten in Sicherheit brachten. Diese ikonischen Aufnahmen werden den Personenkult um ihn weiter befeuern. Für seine sektenähnliche Anhängerschaft ist der glückliche Ausgang des Anschlags ein Zeichen seiner Auserwähltheit. Oder wie Marco Rubio, der sich Hoffnung macht, Vizepräsidentschaftskandidat zu werden, sagt: „Gott hat Trump geschützt.“
Der war noch im Krankenhaus, als aus seinem Umfeld schon die ersten Stimmen Biden für die Eskalation der Gewalt verantwortlich machten. Der an diesem Montag in Milwaukee beginnende Parteitag erlaubt Trump, dieses Narrativ vor Millionenpublikum zu verstärken: Dass seine Gegner vor nichts zurückschrecken, ihn daran zu hindern, Amerika wieder großartig zu machen.
Diese Dynamik lässt sich nur mit dem Angebot eines echten Neuanfangs in den USA durchbrechen. Ein Grund mehr für den 81-jährigen Biden, das Feld zu räumen und den Generationenwechsel möglich zu machen. Ihm fehlt erkennbar die Kraft dafür, dem Klima des Hasses eine Botschaft der Hoffnung entgegenzusetzen.
Die Amerikaner sehnen sich nach einem Kandidaten mit einer positiven Zukunftsvision für das Land. Die Schüsse von Pennsylvania stehen als Symbol für die düstere Gegenwart.