Arbeiter wünschen sich den Bus zurück
Schichtarbeiter mit Arbeitsbeginn um 6 Uhr in Stuttgart sind seit etwa zwei Jahren auf den frühen Zug aus Crailsheim angewiesen. Als dieser eingerichtet wurde, wurde die frühe Fahrt der Buslinie 390 eingestellt. Doch auf der Schiene gibt es oft Probleme.
Von Lorena Greppo
Murrhardt. „Ich habe aufgegeben“, sagt ein Murrhardter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Dass ihn das Thema allerdings immer noch erzürnt, ist im Gespräch schnell rauszuhören. Dass der frühe Bus der Linie 390, der kurz vor 4 Uhr von Murrhardt nach Backnang fuhr, vor zwei Jahren gestrichen wurde, sei ein Unding, findet der Murrhardter, der bei Daimler in Stuttgart arbeitet. Denn die frühe Zugverbindung, die den Bus ersetzen sollte, sei alles andere als geeignet, damit die Schichtarbeiter aus dem oberen Murrtal rechtzeitig zum Arbeitsbeginn um 6 Uhr im Betrieb sind. „Das passt hinten und vorne nicht“, urteilt der Murrhardter. Zugausfälle, Verspätungen, verpasste Anschlüsse – all das komme regelmäßig vor. Betroffen seien neben der Murrhardtern auch Personen aus Sulzbach an der Murr und Oppenweiler. Er weiß, wie manche von ihnen der Problematik begegnen: „Unsere Lehrlinge organisieren sich in Fahrgemeinschaften.“
Auch dem Grünen-Landtagsabgeordnete und Murrhardter Stadtrat Ralf Nentwich ist die Problematik nicht neu. Er setzt sich schon seit Langem für die Wiederaufnahme der frühen Buslinie ein – zuletzt brachte er das Thema kürzlich im Gemeinderat zur Sprache (wir berichteten). Die Forderung der Schichtarbeiter, sagt er, sei vollkommen nachvollziehbar. Betroffen seien seinen Informationen zufolge etwa 40 bis 50 Personen. „Sie wären gerne ökologisch unterwegs und ihnen werden Steine in den Weg gelegt“, bemängelt er. Der Landtagsabgeordnete sieht hier eine Chance, die Bundesstraße zu entlasten.
Die knappen Übergangszeiten sind auch dem Landratsamt ein Dorn im Auge
Der frühe Bus der Linie 390 sei gut nachgefragt und für ihn allemal sinnvoller als ein oft leer verkehrender Tourismusbus. Er greife die Forderung daher bei jeder Möglichkeit und auf allen Ebenen auf. Bislang sei er aber auf taube Ohren gestoßen. Schon 2022 forcierte Nentwich die Diskussion und hakte beim Landratsamt nach. Seine Forderung lautete, an diesem Punkt nachzujustieren, denn die Variante mit dem frühen Zug habe sich als „nicht alltagstauglich“ herausgestellt. Die Antwort des Landratsamts war ernüchternd.
Die frühe Buslinie sei von Schichtarbeitern mit Arbeitsbeginn um 6 Uhr in Stuttgart deshalb genutzt worden, weil der erste Zug der Murrbahn erst um 6.01 Uhr am Stuttgarter Hauptbahnhof und somit nicht rechtzeitig zum Arbeitsbeginn ankam. Seit 12. Dezember 2021 gibt es jedoch einen Frühzug auf der Murrbahn, der Stuttgart bereits um 5.30 Uhr erreiche. „Den bisherigen Fahrgästen bietet er die Möglichkeit, bei nahezu gleicher Ankunft in Stuttgart wie bisher bis zu 53 Minuten später am Wohnort im oberen Murrtal zu starten“, hob ein Verantwortlicher aus dem Landratsamt in einer E-Mail an Nentwich hervor. Folglich sei der frühe Bus nach Einschätzung des VVS wie auch der Landkreisverwaltung nicht mehr notwendig.
Darauf hingewiesen wurde, dass beispielsweise die Stadt Murrhardt die frühe Busfahrt jedoch in Eigenregie organisieren könne – auf eigene Kosten, versteht sich. „Wenn vonseiten der betroffenen Kommunen dennoch ein Bedarf gesehen wird und sie bereit sind, die notwendigen Kosten zu übernehmen, kann die Fahrt jederzeit wieder eingeführt werden“, hieß es.
Allerdings sah man auch im Landratsamt Mängel bei der neuen Frühverbindung: Die Übergangszeiten von sieben Minuten am Bahnhof Backnang, vor allem aber die von nur vier Minuten zur S-Bahn-Linie 1 in Bad Cannstatt, welche vor allem für Daimler-Mitarbeiter entscheidend ist, hielt man für knapp. Man habe dies, ebenso wie der VVS auch, gegenüber der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg bei der Fahrplankonferenz für die Region Stuttgart angemerkt. Zwar wurde eine Prüfung zugesagt, geändert hat sich aber seitdem nichts.
Der Bahn die Schuld zuzuschieben,
greift zu kurz, findet Nentwich
Der betroffene Murrhardter bestätigt, dass die vier Minuten oft nicht ausreichen. Regelmäßig werde der Anschluss verpasst. Ihn ärgert vor allem, dass solche Dinge von Leuten geplant werden, „die überhaupt nicht wissen, wie es ist, mit dieser Verbindung zu fahren“. Ja, für den frühen Bus der Linie 390 musste man früher aufstehen. Aber damals habe man sicher sein können, rechtzeitig bei der Arbeit zu erscheinen. „Um halb 6 war man dort und konnte noch gemütlich einen Kaffee trinken.“
Ralf Nentwich versteht den Unmut der Schichtarbeiter. Bei der Suche nach einer praktikablen Lösung bemängelt er vor allem, dass der Schwarze Peter der Deutschen Bahn zugeschoben werde und alle anderen sich daher fein heraus wähnten. Damit mache man es sich aber zu einfach, findet er. „Bei einem Zug, der in Crailsheim startet, wird es immer mal Verschiebungen geben“, weiß er. Da könne die Deutsche Bahn noch so gut sein. Ein Bus, der in Murrhardt losfährt, sei da deutlich verlässlicher.
Nentwich wünscht sich daher, dass solche wichtigen Verbindungen bei der Konzeption der Fahrpläne mitbedacht werden. „Die schönste Lösung wäre es, wenn der Kreis die Einrichtung der frühen Buslinie übernimmt“, findet er. Alternativ sei aber auch ein Zusammenschluss der Kommunen im oberen Murrtal zu dessen Finanzierung denkbar. Bislang jedoch scheint keiner der Akteure bereit dafür zu sein. „Das konterkariert die Bemühungen, Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen“, bedauert der Landtagsabgeordnete.
Auch der Daimler-Mitarbeiter aus Murrhardt berichtet von diversen Rückschlägen, wenn er sich mit seinem Anliegen an die verschiedenen Ämter gewandt hat, und stellt ernüchtert fest: „So bekommt man die Leute nicht von der Straße runter.“