Die Justiz ist zu langsam

Arbeitsbeschaffung für Rechtsanwälte

Weil die Justiz in Wirtschaftsstrafsachen zu langsam agiert, könnten ausländische Anleger abwandern, meint Korrespondent Thomas Magenheim.

Der Skandal um Wirecard beschäftigt deutschlandweit die Gerichte.

© dpa/Peter Kneffel

Der Skandal um Wirecard beschäftigt deutschlandweit die Gerichte.

Von Thomas Magenheim

Wirtschaftsprozesse beginnen in Deutschland rituell mit einem Aufschrei der Entrüstung. Oft liegt himmelschreiendes Unrecht glasklar auf dem Tisch. Gesucht werden dann die Schuldigen. Das ist vielfach der Beginn eines Trauerspiels. Auf Beklagtenseite agieren mit allen Wassern gewaschene Rechtsanwälte. Auf der anderen stehen Staatsanwälte oder klagende Geschädigte, deren entweder die finanziellen Ressourcen oder wirtschaftliches Know-how fehlen. Vor allem Letzteres trifft allzu oft auch für Gerichte zu, die in Wirtschaftsangelegenheiten ein Urteil fällen sollen. Das führt nicht selten zu überlangen Verfahrensdauern, was vor allem beim Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zutrifft.

Die Mutter aller KapMuG-Verfahren ist das gegen die Deutsche Telekom. Es schleppte sich über zwei Jahrzehnte hin. Am Ende waren der Musterkläger und sein Anwalt verstorben. Ob das KapMuG-Verfahren zu Wirecard in solche Dimensionen vordringt, ist noch offen. Verwundern würde es nicht. Begonnen wurde der Prozess Mitte November 2024, gut vier Jahre nach Einreichung der ersten Schadenersatzklage. Der zweite Verhandlungstag wurde auf den 28. Februar 2025 datiert. Das Bayerische Oberste Landgericht will dann eine Entscheidung verkünden. Nicht etwa in der Sache, sondern zur Streitfrage, ob die Wirecard-Wirtschaftprüfungsgesellschaft EY überhaupt verklagt werden darf.

Über drei Monate hat sich das Gericht gegeben, um darüber zu rätseln. Wann danach erstmals in der eigentlichen Sache verhandelt wird, ist offen. Ohne Gutachter wird es nicht abgehen, was viel Zeit verschlingt. Schon jetzt ist klar, dass die Richterin, die den KapMuG-Prozess begonnen hat, ihn nicht beenden wird. Sie ist nahe am Pensionsalter. So laufende Prozesse zeugen nicht von einem funktionierenden Rechtsstaat. Sie verkommen zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte. Es ist nicht verwunderlich, dass ausländische Anleger deshalb beginnen, den deutschen Kapitalmarkt zu meiden.

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Erstellt:
19. Dezember 2024, 15:24 Uhr

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