Castor-Transport nach Philippsburg
Atommüll aus Frankreich in Baden-Württemberg eingetroffen
Der Zug mit dem radioaktiven Abfall aus der Wiederaufbereitung in La Hague ist am Mittwoch am ehemaligen AKW-Standort Philippsburg angekommen – begleitet von einer kleinen Gruppe Demonstranten und einem massiven Polizeiaufgebot.
Von Florian Dürr
Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986 hat Herbert Würth zum Atomgegner gemacht. „So geht es nicht weiter“, habe er sich damals gesagt, berichtet der 69-Jährige am Mittwochmittag am Bahnhof in Philippsburg (Kreis Karlsruhe). Hier, 38 Jahre nach Tschernobyl, trifft in wenigen Stunden ein Zug aus Frankreich mit hochradioaktivem Atommüll ein. Vier Castor-Behälter sollen am Standort des ehemaligen Kernkraftswerks im dortigen Zwischenlager eingelagert werden. Dazu ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet. Denn der strahlende Abfall kommt aus der Wiederaufbereitung im französischen La Hague, der Müll stammt also ursprünglich aus deutschen Atomkraftwerken.
Einsatzkräfte der Polizei im niedrigen vierstelligen Bereich
Doch der Transport der gefährlichen Ware regt Widerstand bei Würth und den anderen Anti-Atom-Demonstranten. Viele sind nicht mehr übrig, seit Deutschland den Atomausstieg beschlossen und umgesetzt hat. Rund 25 Menschen versammeln sich am Mittwoch zu einer Mahnwache am Philippsburger Bahnhof, seit 9 Uhr stehen sie in der Kälte. Mit großen, gelben Anti-Atom-Transparenten sind sie nicht zu übersehen, vor einem Sprinter haben sie ein Pavillon aufgebaut, darunter eine Biergarnitur, es läuft Musik. Nach und nach treffen mehrere Kastenwagen der Polizei ein, die sich auf einem Platz neben den Gleisen positionieren. Einsatzkräfte im niedrigen vierstelligen Bereich sind am Mittwoch im Einsatz, um den sicheren Transport zu gewährleisten.
„Unser Hauptkritikpunkt ist, dass all die Ziele, um das Thema Atomkraft endlich abzuschließen, geplatzt sind“, sagt Würth. Zum Beispiel die Endlager-Suche, die sich noch Jahrzehnte hinziehen wird – obwohl ursprünglich bis 2031 ein solches gefunden werden sollte. „Bis dann auch der Ausbau des Bergwerks abgeschlossen ist, lagert der Müll in den Castoren wahrscheinlich noch 80 bis 100 Jahre“, beklagt der 69-Jährige.
„Halten die Castor-Behälter eine direkten Treffer einer Drohne aus?“
Die Sicherheit dieser mehr als 100 Tonnen schweren Behälter aus Gusseisen und Edelstahl während des Transports sieht ein weiterer Demonstrant gefährdet: „Gerade jetzt mit dem Krieg in der Ukraine weiß man nie, was passiert“, sagt Phillip, der aus Offenbach am Main angereist ist. Mit 32 Jahren ist er einer der jüngsten Demonstranten. Er trägt einen weißen Ganzkörperanzug, auf dem Rücken prangt ein großes gelbes Strahlenwarnzeichen.
„Halten die Castor-Behälter eine direkten Treffer einer Drohne aus, wie sie derzeit in der Ukraine im Einsatz ist?“, fragt er die anwesenden Sprecher der Bundesgesellschaft BGZ, die für die Zwischenlagerung des Atomabfalls zuständig ist – auch in Philippsburg.
Gegen 15.45 Uhr fährt der Zug mit den Castor-Behältern ein
Die Sprecher entgegnen, dass die Castor-Behälter umfangreichen Stresstests unterzogen wurden und die entsprechenden Genehmigungen erhalten haben. „Selbst bei einem Absturz eines Airbus A380 ins Zwischenlager wäre der sichere Einschluss gewährleistet“, erklärt einer der Sprecher. Phillip ist am Mittwoch vor Ort, weil es ihm um „das Hin- und Hergeschiebe des Atommülls“ geht: „Das ist sehr risikoreich“, sagt der 32-Jährige und schlägt vor: „Besser man wartet mit dem Transport, bis es ein Endlager gibt.“
Gegen 15.45 Uhr dann, fast sieben Stunden nachdem sich die Demonstranten getroffen hatten, fährt der Zug aus Frankreich mit den vier Castor-Behältern verteilt auf vier Waggons in den Bahnhof ein. Von hier geht es später weiter ins Zwischenlager. Ein Hubschrauber kreist am Himmel, Hunderte Polizisten sind vor Ort und stellen sicher, dass sich niemand zu nah an die Gleise wagt. Etliche Schaulustige beobachten das Geschehen aus der Entfernung. Einer ruft: „Heute ist richtig was los in Philippsburg.“